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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 11
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Hagen, Oskar: Das Vorurteil des "Räumlichen" in der Malerei: Bemerkungen, angeregt durch die Neuausgabe einer mittelalterlichen Bilderhandschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0218

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208

DAS VORURTEIL DES »RÄUMLICHEN«
IN DER MALEREI
BEMERKUNGEN, ANGEREGT DURCH DIE NEUAUSGABE
EINER MITTELALTERLICHEN BILDERHANDSCHRIFT
VON OSKAR HAGEN
WIE die Prinzipienerklärung einer andersgewordenen kunftwilfenfchaftlichen
Forfchung — um ein Wort Jac. Burckhardts frei zu paraphrafieren —,
fo mutet nach Form und Inhalt ein Buch an, das, auf Koften der Bayerifchen
Akademie der Wilfenfchaften gedruckt, von Heinrich Wölfflin foeben neu
herausgegeben worden ift. Ein Gefchmeide aus der Zeit des hohen MitteL
alters von der Wende des erbten Jahrtaufends. Das Werk eines Malers
aus der Schule von Reichenau, die alte illuftrierte Handfchrift der Apokalypfe
St. Johannis, die aus St. Stephan zu Bamberg feit mehr als einem Jahrhundert
in der Münchner Staatsbibliothek unter dem Kennwort »Die Bamberger
Apokalypfe« aufbewahrt wird und den allerwenigften von Augenfchein be-
kannt fein dürfte.T
Wer von den fchwungvoll-ausführlichen Titeln herkommt, die den Spezial-
arbeiten »über« alte Kunft voranzuftehen pflegen, wird fchon an der bloßen
Überfchrift diefer Neuausgabe etwas vom neuen Geilte fpüren. Vom Geilte
einer Forfchung, die nicht mehr und nicht weniger fein will, als: vollkommener
Dienft am Werk zum Belten der nationalen Allgemeinheit. Es ift fympto-
matifch für den ganzen Inhalt, daß kein Autor, fondern nur ein Herausgeber
auf dem Titelblatt genannt wird. Denn es wird da nicht die bekannte »Ab-
handlung« fragwürdigen Angedenkens geboten, »illuftriert« durch ein paar
willkürlich ausgewählte Bildbeifpiele. Vielmehr kommt uns das ganze alte
Buch felbft entgegen, lückenlos vollftändig, in originalgroßem Format, technifch
fo vollendet wie nur möglich reproduziert. Und das Ganze nur von einem
knappen, anfchaulich durchgebildeten Einführungstext begleitet, der als »Führer
zur Form« dem Unvorbereiteten das, was zum Lefen der alten Bilder nötig
ift, eindringlich und überzeugend fagen will.
Es war für ältere Veröffentlichungen ähnlichen Inhaltes das Gewöhn-
liche, daß irgendwo in der Einleitung der Verfafler untertänig!! um Ent-
fchuldigung bat für die Kühnheit, ein Buch herauszubringen. Das wäre in
der letzten Zeit vor dem Kriege, angefichts einer wahren Sündflut von folchen,
die fich in allen denkbaren und undenkbaren kunftgefchichtlichen Fragen zum
Worte meldeten, wohl am Platze gewefen. Mittelalterliche Handfchriften aber,
1) Die Bamberger Apokalypfe. Eine Reichenauer Bilderhandfchrift vom Jahre
1000. Herausgegeben von Heinrich Wölfflin. Gedruckt auf Kolten der Bayer. Akademie
der Wilfenfchaften. München 1918. Preis 30 Mark.
 
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