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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 2
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Plietzsch, Eduard: Petersburger Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0035

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
NR. 2 25. OKTOBER 1918

PETERSBURGER BRIEF
VON EDUARD PLIETZSCH
Ende September
UBER die Kunftzuftände in Petersburg find durch einige Tageszeitungen
beunruhigende Gerüchte verbreitet worden, die fich zum Glück als un^
zutreffend erweifen. Auch von den erbittertften Gegnern der Revolution
wird hier zugegeben, daß unter Kerenski wie unter Lenin und Trotzki für
die Kunftwerke in Petersburg relativ gute Fürforge getroffen worden ift.
Dem Schickfal der Ermitage-Sammlung, die gefchloffen ift und deren
Beftände — deutfchen Zeitungsnachrichten zufolge — zum Teil nach Amerika
verkauft worden fein follen, gilt die erfte beforgte Frage. Kunfthiftoriker und
Sammler, die der Verwaltung der Galerie angehören oder zu ihr enge Be*
Ziehungen unterhalten, verfichern, daß auch nicht ein Stück abhanden gekommen
fei. Die Hauptwerke wurden nach Moskau überführt, als man eine Befchießung
Petersburgs befürchtete, und weniger koftbare Behände, wie etwa die kunfL
hiftorifch intereffanten Bilder der Sammlung Semeonoff befinden (ich verpackt
in Petersburg. Man fpricht fogar von einer baldigen Wiedereröffnung der Galerie
und es wird sich dann zeigen, ob nicht doch bei dem Wegtransport der großen
Sammlung in einer so unruhigen Zeit kleinere Objekte wie etwa Bronzen oder
kleine Bilder abhanden gekommen find.
Die großen Privatfammlungen — Stroganoff, Schuwaloff, Herzog von
Oldenburg ufw. — find verftaatlicht worden. Viele vornehme Häufer, die
keine Privatgalerie, aber reichen Schmuck an Bildern, Skulpturen und kunfi>
gewerblichen Dingen enthalten, wurden als Ganzes unberührt gelaffen und
als Mufeen eröffnet. Ähnlich verfährt man mit den Zarenfchlöffern. Der
Kunftwiffenfchaft wird durch die Umwandlung eines Schloffes wie etwa Gat-
fchina mit feinen vielen alten Gemälden in ein bequem zugängliches Mufeum
ficherlich großer Vorteil erwachfen. Das Kunfthiftorifche Inftitut, das Dr. Graf
Valentin Suboff in feinem Palais am Ifaacsplatz unterhielt, ift mitfamt dem
Haus verftaatlicht und dem Gründer und ehemaligen Befitzer unterließt worden.
Ungewiß ift das Schickfal der berühmten Rembrandtbilder des Fürften
Juffupoff. Ihr Aufbewahrungsort ift zur Zeit unbekannt und vielleicht find
fie verkauft worden. Die Reftbeftände der Sammlung Leuchtenberg, deren
 
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