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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Waetzoldt, Wilhelm: Burckhardts Vorträge
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0018

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BURCKHARDTS VORTRÄGE
VON WILHELM WAETZOLDT

TAKOB Burckhardt war Holz und geiftig reich genug, um der Verfuchung des
I berühmten Gelehrten, alles Gefchriebene und Gefprcchene drucken zu lallen,
widerlichen zu können. Unerfchöpflich fcheint daher fein Nachlaß. Die Kultur-
gefchichte der Griechen, die Erinnerungen aus Rubens, die Beiträge zur Kunft-
gefchichte von Italien und die Weltgefchichtlichen Betrachtungen find dem Burck-
hardtarchiv fchon entfliegen, jetzt ift als eine Feftgabe der Bafeler Antiqua-
rifchen und Hiftorifchen Gefellfchaft zu Burckhardts hundertftem Geburtstage
eine Auswahl feiner Vorträge erfchienen <Bafel 1918 bei Benno Schwabe).
Damit find wir um ein neues Buch Burckhardts reicher, denn diefe Vorträge
fettigen nicht nur die Vorftellung, die wir von feiner wiffenfchaftlichen Natur
haben, fie fügen auch dem Bilde des Menfchen neue charakteriftifche Linien hinzu.
Burckhardt hat oft zu gebildeten Laien gefprochen: in der Zeitfpanne faft
eines halben Jahrhunderts <von 18441892> find etwa 170 Vorträge von
ihm gehalten worden. 24 fogenannte akademifche Vorlefungen, die in der
Mufeumsaula und zum Beften der Bafeler Univerfitätsbibliothek ftattfanden,
hat E. Dürr ausgewählt, auf Grund vorhandener Aufzeichnungen des Red-
ners und ausführlicher Zeitungsreferate herausgegeben und mit einer würdigen
Einleitung verfehen. Als »Anregung zur gefchichtlichen Betrachtung der Welt«
bezeichnete Burckhardt felbft das Ziel feiner Vortragstätigkeit. Man faß nicht
nur vor dem Katheder eines Kunfthiftorikers, fondern eines Hiftorikers, deffen
Feld die gelchichtliche Welt war.
Das Inhaltsverzeichnis des Buches, zufammen mit dem angehängten von
H. Trog bearbeiteten Katalog fämtlicher Vorträge Burckhardts, gibt einen Be-
griff von der Weite feines Horizontes, der Mannigfaltigkeit und Urfprüng-
lichkeit feiner Frageftellungen. Diefe Fülle der Geflehte weift auf Burckhardts.
Ideal des univerfalen Menfchen im goethifchen Sinne hin, der nicht möglichft
viel weiß, fondern möglichft vieles liebt. Heute fucht fchon die akademifche
Jugend am Baum der Wiffenfchaft fich das Blatt aus, das fie lebenslang zu
beknabbern gedenkt. Von Pythagoras bis Napoleon L, über griechifche Koch-
kunft und niederländifche Genrebilder, von Briefen der Frau von Sevigny und
Rembrandt fprach Burckhardt mit der gleichen Sachkenntnis, mit jener aus den
Quellen fchöpfenden Frifche und Selbftändigkeit des Urteils, die zum Zauber
feines Wefens gehörte. Dabei darf die ethifche Seite der ganzen Vortrags-
angelegenheit nicht überfehen werden. Jede diefer Reden nahm Burckhardt
ganz ernft. Er befaß ein Verantwortungsgefühl der Sache gegenüber, das
ihn nicht ruhen ließ, ehe er nicht Dinge zu bieten hatte, die auch höchften
fachmännifchen Anfprüchen hätten genügen können und bevor er nicht den
 
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