Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:
Glaser, Curt: Sozialismus und Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0215

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
NR. 11 27. DEZEMBER 1918

SOZIALISMUS UND KUNST
VON CURT GLASER
DIE franzöfifche Revolution hatte die zwei ungeheuer anziehungskräftigen
Schlagworte: Freiheit und Gleichheit, auf ihre Fahnen gefchrieben, und
feither ift es wie ein blinder Dogmenglaube, daß diefe beiden Begriffe den
eigentlichen Inhalt des Wortes Revolution bedeuten. Es ilt wohl wahr, daß
auch bei uns, gleichfam zu Ehren der Revolution, einige alte Bindungen ge-
löft wurden. Aber man foll Geh doch nicht der Täufchung hingeben, daß
darin das Wefen der jetzigen politifchen Umwälzung beftehe. Das gilt auch
für die Kunft und insbefondere für die Künftler, die jetzt von einer neuen
Freiheit träumen. Schon werden Programme aufgeftellt, find Kommiffionen an
der Arbeit, um die Grundfätze der Freiheit und Gleichheit in Paragraphen
einzufangen. Privilegien follen abgefchafft, ftaatliche Bevormundung foll be-
teiligt'*'werden.
Solche Beftrebungen kann man gewiß billigen, fofern wenigltens nicht die
alten Privilegien nur in neue Hände übergehen, die Bevormundung durch
die Akademie von einer Terrorifierung durch eine der jüngften Richtungen ab-
gelöft werden foll. Auf die Gefahr hin, heut als Reaktionäre verfchrieen zu
werden, mülfen gerade wir das fagen, die immer dafür eingetreten find, daß
es in der Kunft nicht auf Richtung, fondern auf Qualität und Perfönlichkeit
ankommt. Denn heut gehört wahrhaftig kein Mut mehr dazu, mit großer
Gebärde für Kubiften und Futuriften einzutreten. Heut bedeutet es hundert^
mal mehr Mut, unbeirrt durch die Veränderung der Lage, feiner Überzeugung
treu zu bleiben und für das Gute wie gegen das Schlechte in allen Lagern,
bei den Alten wie bei den Jungen, zu kämpfen.
Aber es handelt fich in Wirklichkeit gar nicht darum. Für die Kunft
als folche bedeutet es nicht fo viel, daß das Theater von der Zenfur, die
Nationalgalerie von der perfönlichen Beauffichtigung des Kaifers befreit wurde.
Im Gegenteil, jetzt erft wird es gelten, die wahre Probe zu belieben, wenn
die Werke der neuen Kunft aus den kleinen Konventikeln in das volle Licht
der Öffentlichkeit hervortreten. Aber alle folche Dinge gehören nur zu den
Nebenwirkungen der Revolution. Das Hauptproblem liegt in der Frage nach
der Stellung der Kunft innerhalb der künftigen Gefellfchaftsordnung überhaupt.
 
Annotationen