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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 4
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Kurth, Willy: Herbstausstellung der Berliner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0084

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74

HERBSTAUSSTELLUNG
DER BERLINER SEZESSION
VON W, KURTH

MEHR das Gefühl peinlicher Unficherheit als freudiger Überzeugung regt
fich, hört man den Hymnus, mit dem die älteren Mitglieder, Leo von
König als Chorführer, im Vorwort des Katalogs die jüngeren anfingen. Unter
den trunkenen Bekenntnilfen jugendlichen Wagemutes find doch immerhin
folche Selbftvergleiche wie diefe: daß ihre Liebe und Begeiferung die Käthe«
dralen der Zukunft baut und daß Turm an Turm fich in ihren Perfönlich«
keiten reiht, »jeder ein neuer Ausblick in die Zukunft«, zu recht übermütigen
Gefchmacklofigkeiten zu rechnen. Von den älteren Mitgliedern, die einft
aus der Liebermanngruppe austraten, ift es eine wenig würdevolle Diftanz,
fo vor der Jugend ihrer Kunftvereinigung zu Füßen zu liegen. Und ift
dort wahrlich ihr Talent nicht fchlechter und nicht belfer als das der andern«
Viel anders liegen die Verhältnilfe in der Freien Sezeffion nun auch nicht.
Auch dort die Gegenfätze, die zwar mehr in ftill konzeffioniertem Vortritt
der Jugend Ausgleich fachen. Wäre feinerzeit die Neue Sezeffion — die
um Pechftein herum — felbftändig geblieben, fo wäre nicht nur eine reinlichere
Kunft« und Ausftellungspolitik gewahrt, fondern auch ein höheres Niveau
der jungen Gruppe felbft durch eigene Jurykritik erreicht worden. Dann
würden die Jüngeren der Berliner Sezeffion weniger Wohlwollen von ihren
älteren Kollegen erfahren haben, die fie heute mit wahren Andichtungen um«
nebeln und gegen fich felbft kritiklos machen. Und auch den älteren Mitgliedern,
deren Tradition in dem großen Jahrzehnt der Berliner Sezeffionsausftellungen
von 1900—1910 wurzelt, würde durch einen Zufammenfchluß ein fefteres
Niveau gefiebert fein. Befonders auffällig ift, daß die älteren Mitglieder der
Berliner Sezeffion, die der Jugend fo verzücktes Lob fpenden, von ihr nichts
annehmen, während die älteren Mitglieder der Freien Sezeffion wenigftens
doch den expreffioniftifchen Ausläufer des Impreffionismus begriffen haben.
Man kann nicht lagen, daß die Geftaltungskraft Leo v. Königs, der in zwei
Kompofitionen des heiligen Martin und des Fallftaff den gefieberten Weg
Daumiers wandelt, durch jene rückhaltlos anerkannte Nachbarfchaft der Jugend
gewonnen hätte. Und bei feinen Porträts durfte man fich fchon öfter mehr
freuen, Gefchmack und Ausdruck belfer vereint zu fehen. Die Konvention
fchreitet denn überhaupt in diefer Gruppe rüftig fort, über Spiro herunter bis
zu Oppler.
Man muß geliehen, daß in den fpäteren Werken Corinths manchmal
Freiheiten zu treffen waren, die weniger aus der Kraft feiner Perfönlichkeit
kamen, als aus einem rückfichtslofen Wagemut. Das waren Momente, die
 
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