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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 21
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Glaser, Curt: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0439

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR. 21 7. MÄRZ 1919

BERLINER AUSSTELLUNGEN
VON CURT GLASER
DAS Berliner Kunftleben, das während der vier Kriegswinter falt unver-
ändert aufrecht erhalten werden konnte, ift feit dem Abfchluß des Waffen-
ftillftandes und dem Beginn der Revolution in eine deutlich fühlbare Stockung
geraten, Aus äußeren wie aus inneren Gründen ift diefe Tatfache wohl
verftändlich, denn einmal hindern die Transportfchwierigkeiten, die mit dem
Tage der Demobilmachung einfetzten, den geregelten Ausftellungsbetrieb, zum
anderen ift das Interefle des Publikums, das fich während des Krieges in
ftändig anfteigender Richtung bewegt hatte, nun plötzlich merklich abgeflaut,
da das politifche Leben alle Geifter in feinen Bann zog. Sogar die Kunft
mußte lieh eine Zeitlang in den Dienft der Politik ftellen, als in den Tagen
und Wochen der Wahlpropaganda eine wahre Sintflut von Werbeplakaten
die Mauern und Schaufenfter der Häufer bedeckte. Erftaunlich gering war
der künftlerifche Ertrag diefes großen Aufwandes. Es wäre eine lohnende
Aufgabe für einen Pfychologen gewefen, die Plakate der verfchiedenen Parteien
auf ihren formalen Gehalt zu ftudieren und feftzuftellen, mit welchen Mitteln
man am heften auf die Inftinkte der betreffenden Bevölkerungsfchichten zu
wirken hoffte. Die Rechtsparteien haben bei diefem öffentlichen Wettbewerb
entfehieden am fchlechteften abgefchnitten. Allein unter den Plakaten der
Sozialdemokraten tauchten in den allerletzten Tagen ein paar wirkungsvolle
Zeichnungen jüngerer Künftler auf, und hier offenbarte fich vor allem Max
Pechftein als der Mann des Tages, der mit einem Blatt, das den Titel »An
die Laterne« trug, den Ton traf, den die Maflenfuggeftion verlangt.
Neben diefer öffentlichften aller Ausheilungen traten die ftillergn Ver-
anftaltungen in den Sälen der Kunfthandlungen fehr in den Hintergrund.
So war es fchade, daß die Kokofchka-Ausftellung bei Paul Caffirer juft am
Revolutionsfonnabend eröffnet wurde, an dem naturgemäß wenig allgemeines
Intereffe für eine folche Veranftaltung beftand. Und doch war etwas wie
eine geheime Beziehung zwilchen der inneren Aufgewühltheit der Menfchen,
die Kokofchka malt, und der überhitzten Stimmung draußen auf der Straße.
Es wäre nicht ohne die politifchen Ereignifle möglich gewefen, daß das Haupte

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