Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]: Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler (54.1918/1919)

356

Literatur — Notizen

Schweizern führt. Wann und bei welchem
Anlaß ift die Liebe zur Kunft unferer
Zeit erwacht, wann der Entfchluß ent-
ftanden, kühn, dem eigenen Inftinkt fol-
gend, Werke der Künftler »von morgen«
zu erwerben und fich nicht mit dem ein-
zelnen Werk zufrieden zu geben, fondern
fich durch eine Folge von Bildern des
gleichen Künftlers eindringlichft mit feiner
Art vertraut zu machen? Liebermann und
fein Kreis fehlen gänzlich, ebenfo die fran-
zöfifchenlmpreffioniften bis auf einen kleinen
Akt von Renoir, während Daubigny,
Dupre, Daumier, Monticelli mit je einem
Bild vertreten find, Courbet viel bedeuten^
der mit vier Landfchaften und einem Akt.
Für das Unprogrammatifche der Samm-
lung fpricht, daß die Vorläufer des Ex-
preffionismus Cezanne, van Gogh und
Gauguin nur fpärlidi vertreten find. Frei
von jeder hiltorifchen Einftellung, Hemm»
Ichuh und Feffel der öffentlichen Mufeen,
haben von der Heydts fich die fchöne Auf-
gäbe geftellt, in Nietzfches Sinn dem Le-
bendigen eine Atmofphäre zu fchaffen, da-
mit es wachfen und gedeihen könne, in
diefem Geben und Nehmen die größte
Bereicherung erkennend, die ihnen menfch-
lieh und künftlerifdi werden kann.
Weit über ihre Sammlung hinaus geht
die Förderung, die fie der Kunft unlerer
Zeit haben angedeihen laffen. Das Elber-
felder Mufeum hat es im wefentlichen
ihren Stiftungen und Leihgaben zu danken,
daß es als eines der erften in Deutfchland
öffentlich expreffioniftifche Bilder zur Schau
(teilen konnte. Hoetger, dem damals noch

jungen und unbekannten Künltler, der
feinen Weg in Paris gefucht hat, dem
Schweizer Bildhauer Eduard Bick, dem
Bremer Malgr Dietz Edzard und dem
jungen Dresdner Felix Müller ward neben
anderen durch von der Heydts die erfte
Förderung und Anerkennung.
Sammler, die in gleichem Maße, frei
von falfchem Ehrgeiz, ohne Rückficht auf
die Götzen des Tages, die Verpflichtung,
die Befitz mit fich bringt, empfindend, fich
in den Dienft der Kunft Hellen, leiften eine
fchöpferifche Tat. Die ringende junge
Kunft der Gegenwart bedarf gerade in
ihren wertvollften Erfcheinungen diefer
tragenden und fördernden Liebe.
Rofa Scfiapire.
Ein bemerkenswertes Werk gibt unter
den Arbeiten des Kunfthiftorifchen Inftitutes
der Univerfität Wien (Lehrkanzel Stry-
gowski> Max Eisler in nächfter Zeit
heraus, einen »Hiftorifchen Atlas des
Wiener Stadtbildes«, der in fünfzig
foliogroßen Lichtdrucktafeln die wichtigften
Pläne und Gefamtanfichten der Stadt Wien
von 1529 bis zum Ende des 18. Jahr-
hunderts enthalten wird. Das Werk, das
technifch eine Meifterleiftung der deut Ich»
öfterreichifchen Staatsdruckerei und willen-
fchaftlich eine Fundgrube für den Hifto»
riker, Städtebauer und Architekten lein
wird, wird auf dem Subfkriptionswege
veröffentlicht; bei der Subfkription, die bei
jeder Buchhandlung oder beim Verlag der
d.=ö. Staatsdruckerei erfolgen, beträgt der
Preis 250 K.

NOTIZEN

NEKROLOGE
Der fchwedifche Maler Sven Richard
Bergh ilt in Stockholm, 60 Jahre alt, ge-
ftorben. Er lebte anfangs abwechfelnd in
Schweden und in Paris, bis er 1890 dau-
ernd in der Heimat Wohnfitz nahm. Seine
beften Leiftungen lagen neben der Schil-
derung von Landfchaftsftimmungen auf
dem Gebiete der Porträtkunft. Er war
ein Hauptvertreter des Künftlerbundes (der

fchwedifchen Sezeffion). Audi literarifch
hat er fich geäußert.
Der Tod des Kunft- und Antiquitäten»
Händlers Henry J.Duveen, Chef derF irma
Duveen Bros., wird aus Neuyork gemeldet.
PERSONALIEN
Max Beckmann ift als Leiter der
Akt=Klaffe an die Kunftakademie nach
Weimar berufen worden.