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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 24
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Glaser, Curt: Der neue Kurs
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0504

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494

DER NEUE KURS
VON CURT GLASER

DIE Wirkungen der Revolution beginnen allmählich im öffentlichen Kunlu
leben fühlbar zu werden. Veraltete und feit langem erneuerungsbedürftige
Inftitutionen fuchen in möglichfter Eile Anfchluß an die neue Zeit zu finden,
und es ift zuweilen ein mehr erheiterndes als erfreuliches Schaufpiel, wenn
man es mit anfieht, wie über Nacht heilige Überzeugungen ins Wanken ge^
raten und ftramme Reaktionäre von gelten ihr fortfchrittliches Herz entdecken.
So mancher, der heut vorgibt, von einem Druck befreit zu fein, den das alte
Syftem auf ihn übte, Hebt in Wahrheit nur unter einem neuen Zwange, da er
um feine Exiftenz fürchtet, wenn er dem Zuge der Zeit nicht freiwillig nachgibt.
In der Tat wäre es nicht ganz unmöglich gewefen, daß die Akademie
der Künfte eines Tages von dem gleichen Schickfal ereilt worden wäre, das
die felige Landeskunftkommiffion getroffen hat. Aber wenn der Landes^
kunftkommiffion kaum jemand eine Träne nachweinen wird, wäre es wohl
bedenklich gewefen, eine fo ehrwürdige Jnftitution wie die Akademie mit
einem Federftrich zu befeitigen, um fie durch fo etwas wie einen »republi-
kanifchen Ehrenrat« zu erfetzen, von dem ein paar jüngere Künftler träumten.
Denn es handelt fich nicht darum, eine Körperfchaft zu bilden, deren Zu-
fammenfetzung in allen Teilen den eben heut herrfchenden Strömungen^ ent-
fpricht, vielmehr die Gewähr dafür zu fchaffen, daß einfeitiger Parteigeift diefem
Rate der Belten fernbleibt, und daß er in Zukunft ebenfo willig fein wird,
neuen Richtungen Aufnahme zu gewähren, wie er es in diefen unruhigen Zeit-
läufen notgedrungen mußte, wollte er fich nicht felbft fein Todesurteil fprechen.
Es wäre eine Überhebung, wollte die Generation, die jetzt in der Blüte
ihrer Schaffenskraft fteht, fich anmaßen, ganz allein im Befitze der echten und
wahren Kunft zu fein. Und zöge fie die Konfequenz, fo müßte fie es fich
gefallen laffen, in abermals einigen Jahren ebenfo rückfichtslos von einer neuen
Jugend entthront zu werden. Gewiß foll die Jugend ihr volles Recht er-
halten, aber fie hat es heut nicht mehr nötig, an den Alten, die es ihr bisher
zu weigern fuchten, unfruchtbare Rache zu üben. Auch wer die bisherige
Zufammenfetzung der Akademie als höchft bedenklich beurteilte, kann doch
den Grundfatz einer ftetigen Entwicklung anerkennen, wenn nur ein Anfang
gemacht ift, der gründliche Befferung verheißt.
Diefer Anfang ift nun gemacht worden. Zwar find die Neuwahlen, die
kürzlich veröffentlicht wurden, nicht gar fo revolutionär, wie fie von einigen
Seiten hingeftellt worden find. So mancher Name ftand gewiß fchon feit
langem auf der Lifte der Kandidaten, manche andere Wahl bedeutet nicht
mehr als die Abtragung einer alten Ehrenfchuld, und mit ein paar jüngeren
Künftlern, die Aufnahme fanden, reicht die äußerlte Linke wohl nicht zu-
 
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