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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 24
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Meier-Graefe, Julius: Theodor Reinhart
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0499

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR. 24 28. MÄRZ 1919

THEODOR REINHART
VON J. MEIER-GRAEFE
MAN tut diefem Mann, deffen Andenken wir zu bewahren haben, nicht
zuviel, wenn man ihn Mäzen nennt. Freilich wäre der Begriff von
vielen Zutaten zu befreien, die ihm billige Zeiten umgehängt haben. Man
müßte auf den Urtyp zurüchgehen, auf den edlen Etrusker, den weniger die
höfifche Geltaltung feines materiellen Dafeins, als die Fülle feiner geiftigen
Beziehungen zu Horaz, Vergil, zu Augultus charakterifiert. Wobei nicht
vergeffen werden darf, daß die Schweiz kein Imperium Romanum und unfere
Epoche kein Zeitalter des Augultus ift. Man muß lieh hüten, den fchlichten
Mann in Winterthur mit Pomp zu behängen, fchon weil man damit das
Myfterium verdeckte, das über feiner Liebe zum Schönen, von der zahllofe
Taten berichten, fchwebt.
Pracht und Üppigkeit waren dem Mann in Winterthur, dem Rychenberg,
wie es allgemein heißt, fremd, fo fremd, daß man fich wunderte. Man merkte
kaum, bei einem Kunftfreund zu fein. Altmodifche Bilder an den Wänden,
altmodifche Möbel, beileibe keine Antiquitäten, Gebrauchsdinge. Man konnte
lieh ftundenlang mit dem alten Reinhart unterhalten, ohne auf die Kunlt zu
kommen. Von politifchen Dingen, von Volkspfychologie, von Gefdiichte. Man
merkte den Freiffaat, von wo aus die Betrachtung aller Länder gemächlich,
unverbittert gelingt, man merkte den warmen Ton für Deutfchland. Man
merkte den Großkaufmann, dem Sachlichkeit Natur ilt, den Vielgereiften,
Vielgebildeten, der überall, auch auf deutfehen Univerfitäten, gewefen war,
überall mit offenen Augen, Man merkte auch einen rauhen und verfchloffenen
Menfchen. Er fprach wenig, lachte noch feltener. Unwillkürlich kam dem
Gaff die Frage: Was treibt den Mann zu der Kunlt? Ich habe ihn gut
kennen gelernt, war zuweilen in Paris mit' ihm zufammen, wo er genau
fo fchweigfam war und inmitten der Parifer unwahrfcheinlich wirkte. Der
Mann fah gut aus,- gerade, breit, mit Zügen in Holz gefchnitten, einer der
Schweizer, die bei Sempach mitgekämpft haben. Ich habe ihn verehren ge-
lernt. Er hat feltenen Künftlern, die er fchätzte, geholfen,- Menfchen, die fo
fchwer durchfichtig waren wie er felbft. Er hat Karl Hofer wie ein Fürft

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