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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 20
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Tietze, Hans: Der Abtransport von Kunstwerken aus Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0418

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408

DER ABTRANSPORT
VON KUNSTWERKEN AUS WIEN
VON HANS TIETZE

SCHNELLER als es lieh ahnen ließ, ift der Drohung die Tat gefolgt,- die
Anfprüche Italiens auf öRerreichifchen Kunltbefitz, von denen ich in Nr. 17
der KunRchronik fprach, find zum Teil bereits verwirklicht, die italienifche
Militärmiffion in Wien hat die fofortige Auslieferung einer Anzahl von Kunlt-
werken verlangt und erwirkt,- eine etwaige Diskuffion hat fie — nach einer
Verlautbarung des d.-ö. Staatsamtes für Äußeres — durch Androhung von
bewaffneter Gewalt und der EinRellung der Lebensmittelzufuhr abgefchnitten,
fo daß der deutfch-ölterreichifchen Regierung nur der Protelt an die Entente-
mächte — armfelige ultima ratio der Befiegten — übrig blieb. Daß er wenig
Ausficht auf Erfolg hat, darüber geben wir uns keinen Illufionen hin,- aber
wir werden nicht müde werden zu wiederholen, daß durch diefe Verfchleppung
ein offenfichtliches Unrecht — um fo kraßer, weil es im Heuchelkleide des
Rechtes auftritt — verübt wurde.
Nicht für alle entführten Kunftwerke gilt dies,- es ilt niemals in Abrede
geltellt worden, daß bei manchen von ihnen die Befitztitel des ehemaligen
Kaiferhaufes fragwürdige waren und daher die RückRellung erfolgen müße.
Eine Serie von neun Gobelins nach den Kartons Raffaels zur Apoftel-
gefchichte, die 1866 nach Wien gebracht worden find, gehören offenbar nach
Mantua, woher fie Rammen,• fie waren unter Maria Therefia aus dem Klofter
S. Barbara in das dortige Schloß gekommen, und die roten DamaRbefpan-
nungen, die die Kaiferin den Nonnen dafür gab, fcheinen nicht einen erfolgten
Taufch, fondern einen nachträglichen Erfatz zu bedeuten. Ihre bereits im
Jahre 1866 geforderte RückRellung fcheint in einer Geh daran knüpfenden lang-
atmigen diplomatifchen Aktion verlaufen zu fein.
Eine andere Forderung betrifft etwa hundert aus neapolitanildien KlöRern
Rammende HandfchriRen, die Karl VI. 1718 erworben hat,- über fie hat
Capasso im Archivio storico per le province Napoletane, III <1878> ge-
arbeitet. Der Titel von Capassos Auffatz »Sulla spogliazione delle biblio-
teche Napoletane nel 1718« kennzeichnet die italienildie Auffaßung, die
jetzt zur gewaltfamen Rücknahme geführt hat. Diefe Erwerbung war aber
nach Auffaßung und Geiß des vor zwei Jahrhunderten herrfchenden Abfolu-
tismus völlig legal,- denn Kauf, Taufch, freiwillige und erzwungene Schen-
kung laufen fo dicht ineinander, daß alle alten Kunftfammlungen — die italie^
nilchen inbegriffen — zerfallen, wenn man all ihre Erwerbungen auf der
Goldwage heutigen Zivilrechtes prüR, Gewiß hat der Wunfch des Kaifers
1718 einen Druck ausgeübt,- aber fchließlich wurden doch alle geforderten
 
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