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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 17
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Tietze, Hans: Italiens Ansprüche auf deutschen und österreichischen Kunstbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0351

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341

ITALIENS ANSPRÜCHE
AUF DEUTSCHEN UND ÖSTERREICHISCHEN
KUNSTBESITZ
VON HANS TIETZE
EIN Artikel des Mailänder »Corriere della Sera« vom 14. Jänner, der
eine Befprechung mit Comm. Ettore Modigliani, dem Direktor der Brera,
wiedergibt, läßt erraten, wie lieh offizielle Kreife in Italien dellen Anfprüche
auf den Kunftbefitz Deutfchlands und Öfterreichs vorftellen,- die Kommiffion,
die diefe Frage ftudiert, hat noch nicht gefprochen, aber ein Artikel wie der
erwähnte verdient doch als eine Stimme, die aus ihrem Beratungsfaal auf
die Straße, noch mehr als eine Stimme, die von der Straße in den Beratungs-
faal dringt, volle Beachtung. Noch gehen die Meinungen weit auseinander,-
die einen wollen Geh, wie Modigliani berichtet, darauf befchränken, die aus
dem befetzt gewefenen Teil Italiens und aus den jetzt »befreiten« Gebieten
Öfterreichs aus verfchiedenen Anläßen fortgebrachten Kunftgegenftände zurück-
zufordern, die anderen denken — nach dem Ausdrucke Modiglianis — an
eine wahrhaftige Ausplünderung der Befiegten. Seine eigenen Vorfchläge
verfuchen einen Mittelweg zu finden,- aber auch fie zeigen, daß Recht und
Billigkeit, auf die er Geh beruft, den Wünfchen des Siegers Geh überrafchend
fügfam erweifen.
Unter drei Rechtstiteln können Anfprüche auf den künftlerifchen Befitz
Deutfchlands und Öfterreichs erhoben werden,- die beiden erften ordnen Geh
den in diefem Zufammenhang fchon fo viel erörterten allgemeinen Grund-
fätzen von Rückftellung und Schadensgutmadhung unter, der dritte könnte eine
Ahndung der feit Beheben italienifcher Kunftfchutzgefetze begangenen Über-
tretungen von Ausfuhrverboten für Kunftwerke genannt werden,- alle auf
diefe Art widerrechtlich ausgeführten Objekte füllen — wem immer fie jetzt
gehören — zurückverlangt werden.
Am einfachften erfcheint die Sachlage betreffs des erften Punktes,- daß
Werke von kultureller Bedeutung — Kunftwerke, Bibliotheken, Archive —
ihrem Lande gehören, ift ein allgemein anerkannter, völkerrechtlicher Grund-
fatz, und auch Öfterreich — um diefes handelt es Geh hier zunächft — wird
Geh nicht weigern können, Gegenftände folcher Art, die etwa — fagen wir
zu Bergungszwecken — aus Südtirol oder dem Küftenland fortgebracht worden
find oder die Geh etwa noch aus der Zeit der öfterreichifchen Herrfchaft in
Oberitalien widerrechtlich in Wien befinden, zurückzuftellen. Aber diefer gute
Wille zur Rückftellung fremden Gutes kann nicht fo weit gehen, wie nach
einer jüngft durch die franzöfifche Preße gegangenen Notiz, einem felbft in
diefen Tagen überreizter Begehrlichkeit ftarken Stüde, erwartet zu werden
 
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