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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 18
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Für Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0375

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
NR. 18 14. FEBRUAR 1919

FÜR BERLIN
DIE Verlegung der deutfchen Nationalverfammlung nach Weimar iS von
der Bevölkerung der ReichshauptSadt nicht ohne fchmerzliches Bedauern
hingenommen worden, obwohl angefichts der politifchen Notwendigkeiten jeder
ernSliche Widerfpruch verltummen mußte. Würde es fich bei diefer Maß-
nahme um nichts anderes handeln als um einen Akt der Vorficht, der die
ungeSörte Tätigkeit der gefetzgebenden Verfammlung verbürgen follte, fo
wäre kein Anlaß gegeben, an diefer Stelle auf die Angelegenheit überhaupt
einzugehen. Leider hat es aber den Anfchein, als bedeute die Überfiedlung
mehr als nur einen von der Not erzwungenen Schritt, als fei fie vielmehr
der Anfang einer Bewegung, die durch das neuerdings viel gehörte Schlag-
wort »Los von Berlin« gekennzeichnet wird.
Es fpricht fich in diefem Worte eine bedauerlicherweife nicht nur im Süden und
Welten, fondern fogar in Berlin felblt ziemlich weit verbreitete, gefühlsmäßige
Abneigung gegen die HauptSadt des Reiches aus, die gewiß nicht ganz der
fachlichen Begründung entbehrt, die aber darum fo ungerecht ilt, weil fie die
pofitiven Werte, die manchen nicht zu leugnenden negativen Eigenfchaften
ausgleichend gegenüberltehen, gefliSentlich überfieht. Gefühlsmomente allein
dürfen und follen aber niemals den Ausfchlag geben, und fie dürfen es am
wenigSen in der Lage, in der wir uns heut befinden. Denn je ftärker die
zentrifugalen Kräfte im Reiche und in Preußen fich geltend machen, um fo
dringlicher bedarf es des einenden Mittelpunktes, der das Widerstehende zu-
fammenführt, und als folches Gravitationszentrum hat fich Berlin bisher belfer
bewährt, als irgend eine andere Stadt es vermöchte.
Es kann an diefer Stelle nur von künSlerifchen Dingen die Rede fein,
aber auch für fie iS die Erhaltung der Reichshauptltadt in ihrer bisherigen
Bedeutung von hoher Wichtigkeit. Berlin iS niemals eine KunSSadt gewefen,
in dem Sinne wie München diefen Ehrennamen für fich in Anfpruch nimmt.
In einer Stadt, die der politifche Mittelpunkt eines großen Reiches ilt, vefmag
die KunS niemals in folchem Maße im Vordergründe des InterelTes zu Sehen.
Weder Menzel noch Liebermann fpielten hier eine Rolle, wie fie einem Lenbach
in München zugemeSen war. Der Hauptunterfchied aber iS, daß die boden-

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