Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

DOI Heft:
Nr. 15
DOI Artikel:
Otto Richard Bossert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0313

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
303

OTTO RICHARD BOSSERT
Geboren 23. April 1874 in Heidelberg, geitorben 14. Januar 1919 in Leipzig
TIEF betrauert von dem Kreis verftändnisvoller Freunde, ift der Leipziger
Graphiker O. R. Bollert den Leiden einer Lungenentzündung erlegen —
mitten auf der fchwer erarbeiteten Bahn, die hinauf ins Freie zu führen fchien.
Ihm winkten keine frühen Kränze. Der Schüler der Karlsruher Aka-
demie hat lange gebraucht, ehe er (ich der eigenen Sendung bewußt ward.
Erft die letzten Jahre haben feine urfprünglich — auch in der Kunft —- leicht*
lebige Natur mit Problemen erfüllt, die ganz von ihm Befitz nahmen und
deren er durch unabläffige Arbeit, durch Selbltzucht und Formwillen Herr zu
werden trachtete.
Diefe Probleme waren nidit das, was man üblich »zeitgemäß« nennt.
Sein Gott war Hans von Marees/ aber feine Werke haben nur infoweit
Zufammenhänge mit den Schöpfungen des Marees, als gewiße gleiche Prin-
zipien vom Sinn und Wefen de% Kunftwerks den Jünger mit dem Meifter
verbinden. Schon die malerifche Begabung feines Vorbildes fehlte Bollert.
Seine Stärke war die klare Formanfchauung/ die Fähigkeit, den arbeitenden
oder ruhenden Menfchen in die Landfchaft zu komponieren, Menfch und Welt
zufammenzufchließen, die große Linie zu ziehen. Hierfür fuchte und fand er
immer neue Vereinfachungen, die er nach forgfältigfter zeichnerifcher Vor*
bereitung in kraftvollen Umrißfchnitten, am reinften aber in geftochenen Blättern,
die er zyklifch zufammenfchloß, verkörperte. Dabei wurden feine Motive —
anfänglich gut naturaliftifch — immer einfacher, urtümlicher. Der Landmann,
die Jahreszeiten, Tag und Abend, Arbeit und Raft — das war feine Welt.
Die erreichte Stufe wollte er jetzt in einem zehnblättrigen graphifchen
Werke der Mitwelt geben / die letzten Platten waren noch zu vollenden, als
den lebensfrohen, kräftigen Mann der Tod berührte. Zwei Blätter, die das
Abfterben der Natur und des Menfchen fchildern, fehlen noch. Ihm find die
Tage des Winters erfpart geblieben.
Diefer Zyklus »Land«, der nun bald herausgegeben werden wird, ift
das erfte Werk, mit dem Bollert zufrieden war, es faßt feine bisherige Pro*
duktion zufammen und überflügelt fie. Hier glaubte er den feiten Punkt ge-
wonnen zu haben, von wo aus er den weiteren Aufftieg meiftern wollte.
Er war keiner von den Selbftgerechten und tat fich nicht leicht. Auch
feine Technik fchmeichelt nicht und der Sinn feiner Kunft erfordert Einftellung.
Aber wer ihn wirken fah, ein trefflicher Lehrer — ein Menfch, fröhlich und
gedankenvoll — ein Künftler mitten in Plänen und Erwartungen: der wird
glauben, daß der Name Boffert nicht verwehen foll. G. K,
 
Annotationen