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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 9
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Ring, Grete: Nachtrag zu Jan van Scorel
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0189

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179

NACHTRAG ZU JAN VAN SCOREL
VON GRETE RING
NACHDEM ich in der 31. Nummer der »Kunftchronik« <17. Mai 1918>
den Verfuch gemacht, das Schaffen Jan van Scorels nach Kräften gerecht
zu bezeichnen, feine Kunft in ihrer Sonderart wie in ihren Beziehungen
zur Gefamtheit niederländifch-manierifrifcher Übung zu falben, komme idi
heute mit einem Nachtrag greifbarer Art: es handelt Geh um einige un-
bekannte oder unbeachtete Beifpiele Scorellcher Spätkunft, die helfen follen, den
damals nur mit Worten umfehriebenen Begriff illuftrativ zu belegen. — Im
Kellergefchof) des Mufeums von Valenciennes ift zurzeit T das Bruchltück eines
Altarbildes deponiert <Holz, h. 1,76 m, br. 0,48 m>, das früher in der gleichen
Galerie unter Nr. 205 als »maitre inconnu, fin du XVIe siede« ausgeftellt
war, und in dem ich die Hand Jan van Scorels fehe. Der Henker zur
Linken mit dem mächtigen Blasbalg, die Männer mit dem eifernen Stab, die
beftrebt find, das Feuer unter dem — nach rechts zu ergänzenden — Marter-
roft anzufachen, bezeichnen das Laurentiusmartyrium als Thema der Dar-
ftellung. Ich bringe die Tafel daher mit einer Stelle bei van Mander zu-
fammen <Hymans, van Mander I, p. 314>: Ȋ Marchiennes, une belle abbaye
de rArtois, on voit encore de Schoorel trois oeuvres importantes. D'abord
un tableau d'autel, oü St. Laurent est etendu sur un gril . . .« Marchiennes,
jetzt ein kleines Induftrieftädtchen, liegt unweit der Bahnftrecke Douai-Valen-
ciennes, der Verbleib des Altars in Valenciennes beitätigt die Auslage van
Manders aufs glüddichfte. Von weiteren Schickfalen des Bildes fcheint eine
Bleiftiftnotiz im Handexemplar des Kataloges des Valencienner Mufeums
Kunde zu geben: Ȋ l'exposition de 1849, Mr. Nicolle Carpentier, qui avait
expose ce tableau, l'avait attribue ä Jules Romain,- il declarait, que cette
peinture decorait une chapelle de l'abbaye d'Hasnon,- eile fut brisee, ajou-
tait-il, en 1793 lors de la destruction de l'eglise«. Ob die vage bezeichnete
Provenienz aus Hasnon der Wirklichkeit entfpricht und ob die Tafel in der
Tat von Marchiennes dorthin überführt wurde, fei dahingeftellt, jedenfalls
wurde fie bei den Säkularifationen im Artois um die Wende des 19. Jahr-
hunderts zerfrört, das überkommene Bruchfrück ging aus Klofrerbefitz in Va-
lencienner Privathände über, war längere Zeit im Befitz des ehemaligen Kon-
fervators des Mufeums, Mr. Nicolle, und kam — wie eine weitere Notiz
ausfagt — 1888 als Gefdienk der Erben Nicolles in die Valencienner Samm-
lung. Die Tafel in ihrer Gefamtheit muß eine der importantefren Arbeiten
des reifen Scorel dargeftellt haben, die Figuren zeigen nahezu halbe Lebens-
1) Der Auffatz ift nach Befichtigung des Mufeums im Juli d. J. gefchrieben,- die Bilder
find feither aus Valenciennes entfernt und in Sicherheit gebracht worden.
 
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