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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 21
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Dülberg, Franz: Charley Toorop: oder über Darreichung und Ichform
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0443

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433

CHARLEy TOOROP
ODER ÜBER DARREICHUNG UND ICHFORM
VON FRANZ DÜLBERG
JAN Toorop, um delfen fechzigften Geburtstag fich unter begreiflichem und
entfchuldbarem Hervortreten des katholifchen Elements eine fefteshungrige
Menge drängte, ift als Sproß aus norwegifchem und chinefifchem Stamme
ebenfowenig wie die aus Polen kommenden drei Brüder Maris <Marricz> und
wie der in Frankreich feine Erfüllung findende Vincent van Gogh ein urtüm-
licher Holländer, doch bedeutet er durch fein in Holland und dellen Kolonien
verbrachtes Leben und durch die ftets von ihm gebrauchte Sprache eine hoL
ländifche Angelegenheit. Die Tochter, deren gefunde Ritterknabenerfcheinung
ein wenig half, dem bedrängten Vater im fefttäglichen Zuftrom Luft zu ver-
fchaffen, fcheint durch dellen englifche Ehe noch um einen weiteren Grad dem
Holländertum ferngerückt, hat aber durch die Wahl ihres Atelierwohnfitzes
dort, wo Amfterdam an der Buiten-Amftel allmählich in die nordholländifche
Wiefe hinübergleitet — und durch ihren Verkehrskreis fich deutlich zu dem
kleinen, aber ftets von neuem kunftgefättigten nordweftlichen Nachbarlande
Deutfchlands bekannt.
Auch fie gehört, zumal wo fie das dreißigfte Jahr noch nicht erreicht hat,
zu jener kleinen für uns koftbaren Schar, die der durch die Vervollkommnung
der Photographie arg ins Gedränge geratenen Malerei durch eine ftärkere
Betonung des Malenden als des Gemalten mit frifcher Kraft aufzuhelfen ftrebt.
Wenn ein Leffingfches Ariftoteles-Zitat hier gebraucht werden darf, die
Tropoi Mimefeos, die Wendungen der nachahmenden Darftellung, tragen
bei ihr über die Hy le, den Stoff und das Handwerksmaterial, den Sieg
davon. Sie fteht in der von Cezanne geführten Reihe derer, die wie der
große Südfranzofe die Kraftquellen der von ihnen gemalten Geftalten bis zur
Feindfchaft gegen deren äußere Erfcheinung künftlerifch zu verherrlichen ftrebten
— die Bezeichnung »Röntgenmalerei« fei mit allem, was fie an Tadel gegen
den unerlaubten Sprung in die Wilfenfchaft als Beiklang enthält, hier gewagt.
Die Fortfetzung gibt dann van Gogh, er, der große tragifche Selbftdarfteller
der modernen Kunft, der in greller, bunt auseinandergelegter Lackmalerei
die Eingeweide der Dinge, des Malmittels, aber auch des Malenden felbft,
an die Oberfläche zieht. Weiter folgen diejenigen, bei denen der Raum zum
lebendigen Wefen wird, jene Romantiker der Mathematik, denen ein Drei-
eck, ein Kegel, eine Ellipfe den fchönften Frauenarm verdunkelt und wefenlos
macht. Recht begabte unter ihnen — ich traue dem Kredit meiner Unbe-
ftochenheit genug zu, um neben dem bereits in den Bahlfenfchen Wandbildern
zur Klärung kommenden Willy Jaeckel auch den zart-ftraffen Gotiker Ewald
Dülberg zu nennen — ahnen nicht immer, wie fehr ihrem Streben, dem
 
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