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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 23
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Tietze, Hans: Die Italiener in der Wiener Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0477

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467

DIE ITALIENER IN DER WIENER HOFBIBLIOTHEK
DIE Art/ wie die italienifche Waffenftillftandsmiffion in der Wiener Hof-
bibliothek gehäuft hat, belegt den nachdenklichen Satz des alten Friedrich
Chriftoph Schleifer, daß die Macht an fich böfe fei, vielleicht noch eindring-
licher als ihr Vorgehen in den Gemäldegalerien / die dabei mitwirkenden
Sachverftändigen, die ihre Fachkenntnilfe zu diefem Bütteldienft entwürdigen,
werden fich ihrer Teilnahme an diefer Siegesorgie eines Tages mit tiefer Be-
fchämung erinnern. Sie haben für die militärifchen Gewalthaber allerhand
Defideratenliften verfertigt, die fie mit dem phantaftifchen Titel »Rechts-
anfprüche der italienifthen Nation« überfchrieben/ gleich die erfte, die der
Hofbibliothek präfentiert wurde, verrät die Leichtfertigkeit des ganzen Vor-
gehens auf das fchlagendfte. Diefe Lifte umfaßt von den Handfchriften und
Inkunabeln, die die Franzofen 1797 aus Venedig fortgeführt haben, fünf-
zehn Stücke, die bei der Rückftellung im Jahre 1815 nicht zurückgenommen
find und die nach Meinung der Italiener in Wien blieben. Nun haben aber
die Franzofen gerade bei den aus Venedig flammenden Objekten mit der
Begründung befondere Schwierigkeiten gemacht, daß diefelben vor dem Frieden
von Campoformio fortgebracht wurden, alfo überhaupt nicht zurückzuftellen
feien. Diefe Frage werden die Italiener jetzt ohne Zweifel mit ihren Bundes-
genolfen leicht regeln/ denn die wertvollen Werke befinden fich nicht in der
Wiener Hofbibliothek, fondern in der Bibliotheque nationale in Paris. In
Paris ift auch die Vertaufchung koftbarer Werke der Marciana mit minderen
Exemplaren erfolgt, die die italienifche Lifte auf Valentinelle fußend —
den öfterreichifchen Behörden, genauer dem die venezianifchen Werke in Paris
reklamierenden Kommiffär Ottenfels zum Vorwurf macht. Nach van Praets
»Katalog der auf Pergament gedruckten Werke der königlichen Bibliothek in
Paris« befinden fich allerdings in Wien zwei jener venezianifchen Werke, die
ftatt auf Pergament auf Papier gedruckt zurückgeftellt wurden/ aber das eine
ftammt aus der Bibliothek des Prinzen Eugen, ift alfo ein viel früherer Be-
ftand, das andere wurde im Taufchweg in Paris erworben. Dort wird
zweifellos diefe Vertaufchung ftattgefunden haben, denn auch die aus Wiener
Bibliotheken nach Paris entführten Werke haben — wie wir aus den Be*
richten des öfterreichifchen Kommilfärs Kopitar wiffen — dort ähnliche Min-
derungen erfahren.
In einer zweiten Lifte wurde die fofortige Auslieferung von Stücken
kurzweg gefordert, welche fich einerfeits (nach Angabe der Lifte felbft !> in
der Brera in Mailand, anderfeits in unbekannten Archiven befinden.
Eine weitere Forderung betraf eine Anzahl von Autographen, welche
vom Bibliothekar von S. Marco, Abbate Bettio, am 30. Oktober 1829 an
 
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