Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

DOI Heft:
Nr. 12
DOI Artikel:
Heise, Carl Georg: Hamburger Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0235

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
NR. 12 3. JANUAR 1919

HAMBURGER BRIEF
VON CARL GEORG HEISE
BERICHTE von Ausheilungen pflegen den Lefer zu langweilen, befonders
folche aus fremden Städten, die er nicht nachprüfen kann. Selbft bei der
immer noch fog. »jüngften« Kunft find die billigen kritifchen Formeln be-
kannter als die Werke felbft, deren eindringliche Wirkung auf unverbildete
Betrachter dadurch mehr gehindert als geftützt wird. Auch find es immer die
gleichen gefeierten Namen, die befonders herausgehoben werden, meift fogar
in einer Ichematifierenden Abltufung <mehr von den fchlechten Inftinkten des
Publikums beftimmt als vom Scharfblick des kritifchen Führers!), über die
der fpätere Hiftoriker lächeln wird. Daß Pechfteins Stern jetzt im KuL
minationspunkt fleht, weiß jeder Lefer von Kunftzeitfchriften des letzten
Jahres — ohne daß damit zugleich auch nur annähernd des Künftlers wahre
Rangftufe gültig angedeutet wäre. Ausftellungsberichte find Mode=Barometer.
Wenn alfo von der gegenwärtigen Graphik^Ausftellung des »Frauen-
bunds zur Förderung deutfcher bildender Kunft« in den Räumen der Kunft-
halle nichts weiter ausgefagt werden könnte, als daß fie eine Heerfchau expref-
fioniflilcher Graphiker darftelle, fo bliebe für den Berichterftatter nichts zu tun,
als auf den großen Anregungswert folcher Unternehmungen nachdrücklich
hinzuweifen. Selbft intereflantefte Meinungen über die oft genannten ein-
zelnen Meifter — fie find vertreten von Munch bis Schmidt-Rottluff — müßten
in der erforderten Komprimierung zu ungenießbarem Schlagwort fchrumpfen.
Aber diefe Veranftaltung ift auch durch die Art ihrer Aufmachung beachtlich.
Sie verdient es, Vorbild zu werden. Die Blätter find gewählt aus den Be^
ftänden hamburgifcher Privatfammlungen — ein guter Maßftab für Umfang
und Grenze des Interefles der Stadt an expreffioniftifcher Kunft, Lob und
Anfporn zugleich — und werden vorgeführt in entwiddungsgefthichtlicher Ab-
folge, und zwar fo, daß alle vierzehn Tage die Serie der ausgeftellten Blätter
wechfelt. Das bietet zwei entfcheidende Vorteile: mit pädagogifcher Abficht
kann das Publikum vom leicht Verftändlichen vorwärts geleitet werden zu
Werken, die meift zwar organifch die künftlerifthen Abfichten der Vorläufer
weiterbilden, doch höhere Anforderungen an die Einfühlungskraft des un-
 
Annotationen