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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 8
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Glaser, Curt: Demokratie und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0155

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
NR. 8 6. DEZEMBER 1918

DEMOKRATIE UND KUNST
VON CURT GLASER
DIE Revolution, die unfer gefamtes Staatswefen auf eine neue Grund-
lage geftellt hat, trägt den Begriff der Freiheit auf ihren Fahnen, Die
Demokratie, die nach der Rückkehr geordneter Verhältnilfe auf den neuen
Grundlagen errichtet werden foll, fchreibt den Grundfatz der Gleichheit auf
ihren Schild. Beide Begriffe, Freiheit wie Gleichheit, find darum berufen, in
dem künftigen Leben eine Bedeutung zu gewinnen, die fie bisher nicht be-
faßen. Sie werden auf allen Gebieten zum Grundfatz erhoben werden,
aber fie werden zugleich erreichte Ideale fein, um die es nicht mehr lohnt
zu ftreiten. Was insbefondere für das Reich der bildenden Kunft fich aus
der Umftellung nach der Seite der Freiheit als vorausfichtliche Folge ergibt,
war kürzlich hier anzudeuten verfocht worden. Es bleibt der Begriff der
Gleichheit in feiner Anwendbarkeit auf die Kunft zu prüfen. Denn es ift
nicht zu bezweifeln, daß der Grundfatz der demokratifchen Staatsordnung
auch in allen Fragen der Kunftpolitik proklamiert werden wird, daß bisher
von der ftaatlichen Kunftpflege ftiefmütterlich behandelte Kreife ihren Anfpruch
auf Gleichberechtigung anmelden werden.
Es ift felbltverftändlich nichts gegen ein folches Verlangen, von wo immer
es ausgehen mag, einzuwenden. Jede ftaatliche Bevormundung, jede Scheidung
nach Richtungen muß mit aller Entfchiedenheit abgelehnt werden. Aber man
follte fich trotzdem hüten, allzu unvorfichtig den demokratifchen Grundfatz
der Gleichberechtigung Aller in das Reich der Kunft zu übertragen. Es läßt
fich verteidigen, daß alle Menfchen gleich feien. Aber es wird niemand im
Ernft behaupten wollen, daß alle Künftler gleich feien. Und wer felbft in
feinem demokratifchen Gefühle fo weit geht, nicht die Gleichheit zu be-
haupten, aber doch die abfolute Gleichberechtigung zu fordern, der fcheitert
fchon an der grundlegenden Vorfrage, wer denn das Recht habe, fich als
Künftler zu bezeichnen. Er müßte zur Staatsprüfung oder zum mittelalter^
liehen Zunftwefen zurückkehren, und er müßte die Freiheit erfchlagen, um
die Gleichheit zu retten.
Nimmt man aber felbft an, es könnte ein Mittel gefunden werden, um
Dilettantismus und kraflefte Unkunft auszufcheiden, fo braucht man fich nur
 
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