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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0163

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153

NOTIZEN

NEKROLOGE
Alexander Schnütgen, dem hoch*
verehrten, wird im nächften Hefte der
Kunftchronik Paul Clemen einen einläß*
liehen Nachruf widmen.
Die Kunltwilfenfchaft hat diefer Tage
noch einen fchmerzlichen Verluft erlitten:
Paul JohannesRee in Nürnberg ift nach
kurzer Krankheit aus feinem arbeitsreichen
Leben gefchieden,- auch ihm wird ein Ge-
denkwort von einem naheftehenden Fach*
genoffen gewidmet werden.
Am 11, November ftarb in Berlin neun*
zigjährig der Kupferftecher ProfelTor Louis
Jacoby, Mit ihm ilt der letzte Reprä*
fentant des einft fo hochgefeierten Linien*
Richs dahingegangen. Es wird uns heute
nicht ganz leicht, in der Technik des re*
produzierenden Grabftichels, in der vielfach
Vernunft defpotifch über jede Freiheit
triumphierte, den Trieb eines künftlerifchen
Schaffens zu finden. Das Syftem fchulmäßig
gezogener Liniennetze, die kalte Rhe*
torik eines klügelnden Virtuofentums, des
Linienftidhs des 19. Jahrhunderts, mußte
fich einftellen, wo diefe künftlerifche Gattung
nicht mehr wie im 17, und 18. Jahrhundert
in unmittelbarer Beziehung zu einer großen
und führenden Malerfchule Hand. Was
einft Hauptaufgabe war, den farbigen Ak*
kord zu überfetzen, trat ganz in den
Hintergrund, und an die Stelle trat eine
geiftige Interpretation, in der auch Jacoby
fein Beftes geleiftet hat. Geboren am
7. Juni 1828 zu Havelberg, trat er 1844
in das Atelier Mandls, des Führers der
Berliner Schule und des bedeutenden Inter*
preten, der an die Stelle des müden Um*
rißftiches vom Anfang des 19, Jahrhunderts
eine freibewegte Chromatik fetzte. Von
ihm behielt Jacoby eine Stichelführung frei
von jeder Manier bei, Jacobys erfter Stich
nach dem Johannes dem Täufer vonTiarini
hat noch das metallifche Licht, das die
draftifche Kontrahierung von Oberflächen*
gegenfätzen einer malerifchen Gefamthal*
tung vorzieht. 1852 wurde er dann von
Kaulbach auserfehen, die Fresken desTrep*

penhaufes des Neuen Mufeums in Berlin zu
ftechen, von denen der Kartonftich nach
der Hunnenfchlacht <1859> das wertvollfte
Fresko diefer Reihe fo interpretierte, daß
durch den Verzicht auf allen malerifchen De*
kor,denKaulbach der cornelianifchen Linien*
kunft aufzutrumpfen glaubte, im Stich die
bedeutende Erfindung und der Linien*
fchwung der Kompofition klarer und ein*
dringlicher fich darlegen. Seine Überfetzung
ift einfach und breit. Nach einem Parifer
Aufenthalt, der ihn in anregende Bezieh*
ungen zu Henriquel undDesnoyers brachte,
ging er von 1857—'60 nach Rom, wo er
Raffaels Schule von Athen kopierte. Im
Auftrag der Gefellfchaft für vervielfältigende
Künfte in Wien vollendete er diefes Haupt*
werk des Reproduktionsltiches des letzten
Drittels des 19. Jahrhunderts im Jahre 1882.
Zehn Jahre lang dauerte die Arbeit an der
großen Platte <65X90 cm>,- eine Arbeit,
die nicht müde wurde, die geiftige Seite
diefes Werkes in feinen Köpfen, in feinem
Gruppenbau fo zu interpretieren, daß jede
mechanifche Reproduktion dahinter weit
Zurückbleiben muß. Nur Köpping nach
ihm hat, zwar mit feinen ganz anderen
Mitteln, feinem Vorbild Rembrandt ähn*
liehe Nachdichtungen gewidmet. Die klaf*
fifche Form und die gefammelte Ruhe alles
Geiftigen in diefem Werke Raffaels hatten
in der fachlich dienenden Technik Jacobys
eine Überfetzung erfahren, die den Effekt
unter die Wahrheit ftellt. In feiner letzten
großen Arbeit, der »Vermählung Alexan*
ders und der Roxane« nach Sodoma, ift
fchon die Einwirkung der reproduzierenden
Radiertechnik zu fpüren. Weiches Licht
und breite Mittellagen mit warmen Schatten
werden hier ohne die Künfte der Radier*
nadel und des Ätzwaffers rein mit einer
letzten Subtilität des Linienftichs bewirkt.
Als Lehrer und großer Anreger hat er
falt zwanzig Jahre in Wien, wohin er 1863
als Akademieprofeflbr berufen war, ge*
wirkt, der Graphik neues Leben gegeben
und eine reiche Schule gegründet. Hier ent*
ftanden auch eine Reihe feiner heften Por*
trätftiche, die auf jeden modilchen Appa*
rat verzichtend eine einfache Charakteriftik
anftrebten. Seine organifatorifche Tätig*
 
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