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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 12
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Mayer, August Liebmann: Velaquez und die niederländischen Küchenstücke
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Literatur
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[Rezension von: Max Dvořák, Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei]
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0247

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Velazquez und die niederländifchen Küchenftücke 237
bildern«* 1), die alle heute nicht mehr nachweisbar find. Daß Velazquez etwa
ein Solches Bild gefehen hat wie die, welche bei Jacques Walraven und bei
dem Maler Cornelis Cornelisz hingen, Icheint nicht gerade fehr wahrfcheinlich.
Dagegen ilt es fehr wohl möglich, daß er Maethams Stich zu Gefleht bekommen
und durch ihn die Anregung zur Kompofition des Londoner Marthabildes
erhalten hat.

LITERATUR

In feinem Buche »Idealismus und
Naturalismus in der gotifchen
Skulptur und Malerei« (Verlag R.
Oldenbourg) unterfucht Max Dvorak
den Zufammenhang der mittelalterlichen
Weltauffalfung mit der damaligen Kunlt.
Nadi dem veralteten Verfuche Sdinaafes,
die mittelalterliche Kultur, als Ganzes zu
begreifen, und nach der willkürlichen Kon»
Itruktion Worringers ilt hier aus der Ver»
einigung reicher hiltorilcher Kenntnis der
künltlerilchen Dokumente und religiös»
dogmatifcher Theorien die Möglichkeit er»
wadifen, eine fihärfere Präzifierung wirk»
lieh vorhandener allgemein geiftiger Ten»
denzen und zugleich ihre Parallelilierung
mit der künftlerifchen Entwicklung zu be-
ginnen, fo daß das Verltändnis der zwifchen
beiden Linien beliebenden engen Zufam»
menhänge in anregendfter Weife gefördert
wird. Nicht alfo das unmittelbare intuitive
Gefühl bildet den Wurzelpunkt der Über»
legung, fondern die aus den Schriften der
großen mittelalterlichen Denker gewonnene
Einficht in die Struktur der allgemeinsten
geiltigen Grundlagen der mittelalterlichen
Kultur. Diefe im Vergleich zu Worringer
etwas kühl wirkende denkerifche Haltung
gibt andererfeits den Vorzug der Sicher»
heit. — Die Schrift unterfucht in drei Ab»
fchnitten die idealiftiSchen Grundlagen, das
neue Verhältnis zur Natur und dann zur
Kunlt. Das Leitmotiv ilt hierin überall
die Diskuffion des mittelalterlichen Ver»
hältnifles des Menlchen zu transzendenten,
religiöfen Ideen und zu den realen Tat»
fachen und Gütern der Natur, — und
des Ausdruckes der dadurch bedingten
Lebenshaltung in den Werken der Kunlt.

Der mittelalterliche Idealismus beruhte
auf der Herrfchaft des Geiltes über die
Materie und gewährleistete im Gefolge
der fpiritualiftiSchen Weltanfchauung ab»
Itrakt ideeller Bedeutfamkeit ihren Sieg
über formale, äußere Vollendung. Im
frühen Mittelalter und in der romanifchen
Epoche zeigt die Kunlt folche Vorherr-
fchaft der reinen Geiltigkeit am klarften.
Später erlt, in der Gotik, komplizierte Sich
das Verhältnis zwifchen dem Sinnlich»
Wahrnehmbaren und Überfinnlichen,- denn
die fpätmittelalterliche Kultur verlieh immer
mehr dem Leben und der Natur einen
neuen Eigenwert und Richte in der Kunlt
den fundamentalen Ausgleich zwifchen
einer überfinnlichen Lebens=Erklärung und
einer bedingten Lebens=Anerkennung her»
zuftellen. Das urfprüngliche Verhältnis be»
Itand in der Unterordnung aller Sinnlichen
Werte unter überfinnliche Bedeutfamkeiten
oder in der Allgewalt einer jenfeits allen
materiellen Erlebens liegenden geiltigen
Konfiruktion. Es entfprang daraus jene
plaftiSche Figurendarlteflung, die fich mit
der Tendenz verbindet, dem Belchauer
durch abfirakt»gefetzmäßige Formen die
Subltanz des Göttlichen vor Augen zu
führen. Bewußt fich abwendend von der
Naturtreue verwandelt fie fich gleichfam
zur Bilderfchrift und konzentriert ihre
Mittel auf die Verltändlichmachung des
Übernatürlichen.
Noch in der Gotik kommt dies Ver»
hältnis zum Ausdruck. Denn ihre Figuren
liehen in Reihen, die rhythmifch gegliedert
find infolge des geiltigen Zuges, der das
ganze Bauwerk durchwaltet und das Ge»
fühl der transzendenten Einheit erzwingen

1) Van Mander, Das Leben der deutfdien und niederländifchen Maler, ed. Floercke
I, S. 335.
 
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