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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 9
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Schadow, G.: Ein Kunstaufruf aus dem Jahre 1848
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0188

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178

EIN KUNSTAUFRUF AUS DEM JAHRE 1848
DIE Plenarverfammlung der ordentlichen Mitglieder der Berliner Akademie
der Künfte hat am 29. Mai 1848 eine Vorftellung an das Preußifche
Staatsminilterium eingereicht, die wir in der »Voffifchen Zeitung« vom 9. Juni
1848 lefen: »Die großen Ereigniße der Gegenwart haben, wie alle Gebiete
des Lebens, fo auch das der Kunft mächtig berührt und neue Ziele des
Strebens aufgefteckt. Die unterzeichnete Akademie der Künfte erkennt es
als ihre Aufgabe, die gefamten Interelfen der einheimifchen Kunft zu ver-
treten und fühlt fich demgemäß bei den gegenwärtigen Bewegungen gedrungen,
in diefer Angelegenheit einige vorläufige Andeutungen vorzulegen. Die Aka-
demie geht von dem Grundfatze aus, daß die Kunft zu einer fehr ernften
und erhabenen, das ganze Volksleben durchdringenden Wirkfam-
keit beftimmt fei. Die Akademie hält es für unwürdig, wenn die
Kunft als zufälliger müßiger Schmuck, als eine Dienerin des Luxus
aufgefaßt wird, fie ift vielmehr der Überzeugung, daß die Kunft
den Beruf habe: durch die unmittelbare Gewalt des Schönen zur
wahrhaft fittlichen Kräftigung des Volkslebens beizutragen. Die
Akademie hält die Kunft mindeftens für ebenbürtig mit der Wiffen-
fchaft und glaubt daher, daß der Kunft mindeftens gleiche Anerkennung wie
der letzteren zuteil werden müße. Die Fürforge, welche die Staatsregierung
bis jetzt der Kunft hat angedeihen lallen, erftreckt lieh vorzugsweife auf eine
Vorbereitung künftiger und auf die Erhaltung vorübergegangener Leiftungen,
auf die Kunftbildungsanftalten und die Sammlungen älterer Kunft. Beide
Zwecke find zum Teil in anfehnlichem Maße, durch fortlaufend bewilligte
öffentliche Mittel gefördert worden. Ein anderes ift es mit derjenigen Auf-
gabe, welche zwifchen diefen beiden Zwecken in der Mitte fteht und das bei
weitem wefentlidiere Bedürfnis ausmacht: Mit der Veranlaffung der Aus-
führung von Kunftwerken im allgemeinen volkstümlichen Intereffe
für die Gegenwart und durch die künftlerifchen Kräfte der Gegen-
wart. Die Akademie erkennt in vollftem Maße an, was in loldier Beziehung
feither durch die perfönliche Gnade der Könige des preußifchen Staates ge-
fchehen ift,- bei den gegenwärtig veränderten Verhältnilfen aber glaubt fie,
daß die Bewilligung zu folchem Behuf erforderlichen Mittel jedenfalls allge-
meine Staatsfache werden und daß eine gefetzliche Leitung in der Verwendung
der letzteren eintreten müße. Die Akademie hat ihren Beruf an fich als die
eigene Stellung innerhalb der großen Zeitbewegungen wohl erkannt und wird
nichts verfäumen, was zur gründlichen Vorbereitung aller im Kreife ihres
Berufs wünfehenswerten Neugeftaltungen erforderlich ift.
gez, Dr. G. Schadow.«
 
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