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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 22
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Mayer, August Liebmann: Münchner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0459

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER • WIENER RED AKTION: HANS TIETZE
NR. 22 14. MÄRZ 1919

MÜNCHNER BRIEF
VON AUGUST L. MAyER
MIT dem Rücktritt des Akademiedirektors Ferdinand von Miller ift eine
der dringenden Forderungen der fortfchrittlichen Münchener Künftler^
fchaft prompt erfüllt worden. Es ift der Auftakt zur Reorganifation des
Kunftfchulwefens, von deren dringender Notwendigkeit Herr von Miller
kaum zu überzeugen gewefen wäre, wenn man überhaupt den Verfuch ge-
macht hätte, diefem als Künftler mittelmäßig begabten, als Lehrer und Aka-
demiedirektor ganz in veralteten Anfchauungen wurzelnden Mann etwas von
den neuen Ideen beizubringen. Die Stelle des Akademiedirektors bleibt vor-
läufig unbefetzt, Heinrich von Zügel übernimmt interimiftifch die Leitung der
Akademie. Bei diefer Gelegenheit fei ganz offen ausgefprochen, daß wir es
für eine große Gefahr betrachten, wenn vermiedene jüngere Künftler, deren
Schaffen man mit größtem Refpekt und gefpannter Aufmerkfamkeit verfolgt,
zu Lehrern an der reformierten Akademie gemacht würden. Gerade unter
den talentierteften unferer Jüngeren find Leute, deren Kunft doch noch nicht
fo gereift ilt, daß fie, befonders bei dem geplanten engeren Verhältnis zwifchen
Lehrer und Schüler, fchon jetzt wirklich nutzbringend als Lehrer einer neuen
Künftlergeneration dienen können.
Bei Goltz fah man in letzter Zeit eine Ausftellung von Werken
L. Feiningers, deren ausgeklügelte, rein verftandesmäßige Art, die jeglichen
frifchen Impulfes entbehrte, einen ernüchternden Eindruck machte. Neue
Aquarelle von G. Groß dokumentieren eine wenig beglückende vorzeitige
Manieriertheit diefes befchränkten Talentes. Die Kraft Langefcher Holz-
fchnitte macht fich neben den zu feh’r auf Virtuofität geftellten Blättern WachL
mayers und den ungleichen, nicht feiten im Aufbau einen feften Halt ver-
miffen lallenden Lithographien von Eberz befonders ftark bemerkbar, Fritz
Schäfler zeigt, namentlich in feinen Holzfchnitten, daß er auf gutem Wege
ift, aber das Gefleht feiner Kunft hat fich noch nicht in völliger Klarheit ent-
hüllt. Ift es, daß der Künftler nur zögernd mit dem, was er will, heraus*
rückt, oder hat er nicht die Kraft, uns feine künftlerifchen Abfichten voll-
kommen auszudrücken? Von den verunglückten Verfuchen verfchiedener

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