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MÜNCHENER BRIEF
DIE Ältere Pinakothek erhält nun nach zweijährigem Interim allmählich*
wieder ihr friedliches Ausfehen. Die jetzt fidh vollziehende Aufhellung^
die fich im großen und ganzen an die letzte vor der Deponierung der Haupt-
werke hält, ift aber infofern ein Proviforium, als durch die Überführung der
Altniederländer ins Erdgefchoß, die noch im Lauf des Jahres 1919 erfolgen
dürfte, die bereits beendeten Einbauten im Seicentofaal und die UmgeftaL
tung der beiden weltlichen Eckfäle eine Neugruppierung und Erweiterung des
Bildermaterials fich von felbft ergibt. Auch die Kabinette werden vor der end-
gültigen Aufhellung eine — ihnen fehr notwendige — Herrichtung erfahren.
Die Sammlung der neueren Gemälde und Plahik <Kunh feit etwa 1870>, im
Kunhaushellungsgebäude am Königsplatz wird wohl bis 15. Februar der Öffent-
lichkeit übergeben werden können, die umgehaltete Galerie in der Neuen Pina-
kothek hoffentlich bis Oftern.
Die größte Anziehungskraft in der Älteren Pinakothek bilden gegenwärtig"
begreiflicherweife die in den »Altniederländer-Sälen« ausgehellten altdeutfchen
Bilder aus Colmar, in erher Linie Grünewalds Ifenheimer Altar und Schongauers
Maria im Rofenhaag. Die Frage, wie lange der Ifenheimer Altar noch in der
Pinakothek ausgehellt bleibt, ift nicht ganz behimmt zu beantworten. Dem Ver-
trage nach, den feinerzeit die Stadt Colmar mit der Direktion der Bayerifchen
Staatsgemäldefammlungen gefchlolfen hat, würde die Galerieleitung das Recht
befitzen, jetzt noch fünf Monate den Altar in der Pinakothek zeigen zu dürfen.
Da ja von der bayerifchen Regierung den Colmarern ihr gutes Recht an den
Bildern nicht behritten wird und die feinerzeitige Rückgabe Pflicht ift, fo hat
die Münchener Galerieleitung alles Recht, von den Colmarern die Einhaltung'
des Vertrages zu verlangen, fo daß wenigftens ein halbes Jahr eine große
Schar von Künftlern und Kunflfreunden diefe Hauptwerke deutfcher Malerei
ftudieren und genießen kann. Wer möchte nicht in verzweifelte Klagen aus-
brechen, daß der Ifenheimer Altar, diefe grandiofefte Leiftung deutfcher Mal-
kunh, daß Schongauers Maria im Rofenhaag, diefe Perle deutfchefter Spätgotik,
allem Anfchein nach wieder unter franzöfifche Herrfchaft kommen. Gar mancher
fragt, ob diefe Werke, die zum höchlten geiftigen und künftlerifchen Befitz
des deutfchen Volkes gehören, nicht doch noch für Deutfchland, für die Pinako-
thek, dauernd zu fiebern find. Dem muß geantwortet werden, daß wie gefagt
die Schongauer-Madonna bekanntlich Befitz der Kirchenverwaltung von
St. Martin ift und der Ifenheimer Altar, ebenfo wie die anderen altdeutfchen
Bilder, Eigentum der Stadt Colmar. Die Colmarer wißen fehr wohl, was
fie an diefen Bildern haben. Selbft wenn die Colmarer geneigt wären, die
Bilder herzugeben, fo befäßen wir kein Äquivalent, das man ihnen bieten
MÜNCHENER BRIEF
DIE Ältere Pinakothek erhält nun nach zweijährigem Interim allmählich*
wieder ihr friedliches Ausfehen. Die jetzt fidh vollziehende Aufhellung^
die fich im großen und ganzen an die letzte vor der Deponierung der Haupt-
werke hält, ift aber infofern ein Proviforium, als durch die Überführung der
Altniederländer ins Erdgefchoß, die noch im Lauf des Jahres 1919 erfolgen
dürfte, die bereits beendeten Einbauten im Seicentofaal und die UmgeftaL
tung der beiden weltlichen Eckfäle eine Neugruppierung und Erweiterung des
Bildermaterials fich von felbft ergibt. Auch die Kabinette werden vor der end-
gültigen Aufhellung eine — ihnen fehr notwendige — Herrichtung erfahren.
Die Sammlung der neueren Gemälde und Plahik <Kunh feit etwa 1870>, im
Kunhaushellungsgebäude am Königsplatz wird wohl bis 15. Februar der Öffent-
lichkeit übergeben werden können, die umgehaltete Galerie in der Neuen Pina-
kothek hoffentlich bis Oftern.
Die größte Anziehungskraft in der Älteren Pinakothek bilden gegenwärtig"
begreiflicherweife die in den »Altniederländer-Sälen« ausgehellten altdeutfchen
Bilder aus Colmar, in erher Linie Grünewalds Ifenheimer Altar und Schongauers
Maria im Rofenhaag. Die Frage, wie lange der Ifenheimer Altar noch in der
Pinakothek ausgehellt bleibt, ift nicht ganz behimmt zu beantworten. Dem Ver-
trage nach, den feinerzeit die Stadt Colmar mit der Direktion der Bayerifchen
Staatsgemäldefammlungen gefchlolfen hat, würde die Galerieleitung das Recht
befitzen, jetzt noch fünf Monate den Altar in der Pinakothek zeigen zu dürfen.
Da ja von der bayerifchen Regierung den Colmarern ihr gutes Recht an den
Bildern nicht behritten wird und die feinerzeitige Rückgabe Pflicht ift, fo hat
die Münchener Galerieleitung alles Recht, von den Colmarern die Einhaltung'
des Vertrages zu verlangen, fo daß wenigftens ein halbes Jahr eine große
Schar von Künftlern und Kunflfreunden diefe Hauptwerke deutfcher Malerei
ftudieren und genießen kann. Wer möchte nicht in verzweifelte Klagen aus-
brechen, daß der Ifenheimer Altar, diefe grandiofefte Leiftung deutfcher Mal-
kunh, daß Schongauers Maria im Rofenhaag, diefe Perle deutfchefter Spätgotik,
allem Anfchein nach wieder unter franzöfifche Herrfchaft kommen. Gar mancher
fragt, ob diefe Werke, die zum höchlten geiftigen und künftlerifchen Befitz
des deutfchen Volkes gehören, nicht doch noch für Deutfchland, für die Pinako-
thek, dauernd zu fiebern find. Dem muß geantwortet werden, daß wie gefagt
die Schongauer-Madonna bekanntlich Befitz der Kirchenverwaltung von
St. Martin ift und der Ifenheimer Altar, ebenfo wie die anderen altdeutfchen
Bilder, Eigentum der Stadt Colmar. Die Colmarer wißen fehr wohl, was
fie an diefen Bildern haben. Selbft wenn die Colmarer geneigt wären, die
Bilder herzugeben, fo befäßen wir kein Äquivalent, das man ihnen bieten