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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 12
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Hübner, Friedrich Markus: Belgische Kunst und flämische: eine Abgrenzung
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0238

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228

BELGISCHE KUNST UND FLÄMISCHE
EINE ABGRENZUNG
VON FRIEDRICH MARKUS HUEBNER

Eine ße [gifeße Bifdung gißt es eßenfowenig,
wie eine feßwedifeße oder feßweizerifeße.
A. Strindßerg.
DIE durch den Krieg herbeigeführte nähere Bekanntfchaft mit Belgien
fchlug vor uns Deutfchen die für viele ganz neue und überrafchende
Tatfache auf, daß neben den weithin gerühmten Künltlern des belgilchen
Schrifttums, neben Maeterlinck, Verhaeren und Lemonnier andere Dichter
und Schriftlteller diefes Land bewohnen, in ihm Werke fchaffen und An-
hängerfchaft befitzen, die nur der ftaatlichen Zugehörigkeit wegen den Namen
von »Belgiern« führen, aber fchon durch äußeres Merkmal, durch die Sprache,
eine Grenze geiftiger Art zwifchen ihre Ausdrucks weife, zwifchen ihr Fühlen
und Beanlagtfein und dem anderen, dem »belgifchen«, legen, das find die flämi-
fchen Schriftlteller und Liedfänger des Landes an der Schelde: ein Guido
Gezelle, Karel van de Woestijne, Herman Teirlinck, Guftav Vermeylen ufw.
Selbige find nicht »belgifch« und aberkennen diefer Gebürtigkeitsbenennung
in künftlerifchen Dingen grundfätzlich den Wert einer zureichenden Stilfelt-
ftellung, Belgifcher Stil, was bedeutet das? Gibt es das?
Da das Königreich begründet wurde, beltand künltlerifche Regfamkeit
und die Möglichkeit einer allgemeineren nationalen Wiedererweckung ein-
gefchlafener Kunftkräfte lediglich bei den niederländifch fprechenden Landes^
einwohnern, denen die vorausgegangene, etwa 15 Jahre währende Herrfchaft
der Holländer manchen Gewinit auf dem Gebiete des Unterrichts, der
Publiziftik und des Wilfenfchaftsbetriebes gebracht hatte. Eine Strömung
war im Anwachfen begriffen, welche, ganz ähnlich wie die der deutfchen
Romantik, hervorquoll aus rückwärts gewendeter Liebe zu den alten, wieder-
gefundenen, wieder herausgegebenen Schriftdenkmälern der Vorväterzeit,
welche diefes Erbe in Wortkatalogen, Märchen und Sprichwörterfammlungen,
mythologifchen und fittenkundlichen Forfchungen zu verbreiten und zu reftau-
rieren trachtete und welche, infofern eigene, neue Dichtungen entftanden, den
Anfchluß fuchte und fand an die einftige Größe der flämifchen Erfindungs^
und Bildungskraft. Für diefe fehr germanifch gerichtete, unpolitifche, nicht
ftaatlich fondern nur völkifch nationale Kunltbetätigung und ihre Vertreter
konnte in jenem neuen Königreiche Belgien die führende’ Rolle nicht aufbe-
wahrt bleiben, weil diefes Königreich mit den Antrieben, aus denen es über
Nacht emporgefchoffen war, von Anfang an und für immer zum lateinifchen
Welten lieh zugehörig fühlte. Die flämifche Literatur diefes romantifchen
 
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