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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 23
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Literatur
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Maas, Max: [Rezension zu: André Jolles, Wege zu Phidias, Briefe über antike Kunst]
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Grautoff, Otto: [Rezension zu: Hans Graber, Jüngere Schweizer Künstler]
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0489

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479

LITERATUR

Andre Jolles, Wege zu Phidias,
Briefe über antike Kunft. Berlin
1918. Weidmannfche Buchhandlung. 153 S.
4,80 M.
Es ift kein kleiner Weg, den uns Jolles
von den Anfängen der griechifchen Kunft
bis zu dem höchften Problem derfelben,
das in Phidias kulminiert, führt. Aber
diefer Weg ift gefchmückt durch eine Reihe
ganz vortrefflicher Begleiterfcheinungen, vor
allem eine ftets anregende, geift volle Sprache,
die nur zuweilen in das Geiftreichifierende
verfällt. Diefe an eine Dame gerichteten
Briefe, die Jolles aus dem Feld gefchrieben
har, lieft man mit dem größten äfthetifchen
Genuß und in fteter Spannung, und man
behält eine Fülle von anregenden und
beachtenswerten Bemerkungen übrig. Es
ift eine kleine Kunftgefchichte vom Anfang
der griechifchen Kunft bis zu Phidias, die
die 150 Seiten uns geben. Weder die Bio-
graphien und die Werke der Künftler, noch
die Kunftepochen liegen der Einteilung zu-
gründe. Es find mehr die wechfelnden und
fortlchreitenden kunftäfthetifchen Ideen, an
deren Hand wir durch die Jahrhunderte
der Entwicklung der griechifchen Kunft ge-
führt werden. — Nach den Zeiten, wo
die Bewegung der plaftifchen Werke aus
der Naturfuggeftion gefchöpft ift, nach Jener
Bewegung, wie fie unter den Händen des
Töpfers entlieht, nach der Bewegung, die
in baukünftlerifchen Gefetzen ihre Aus-
drucksweife findet, kommt die myronifche
Bewegung, wie man fie bei lebenden Men-
leben und Tieren wahrnimmt. Nachdem
Polygnot malerifche Zyklen gebildet hatte
und einen Kanon aus dem Kunftwerk her-
geleitet, nicht Werke nach einem Kanon
gefchaffen hatte, Ichuf Phidias die epifchen
Götter der mit Vorfatz und Überlegung
undogmatifchen griechifchen Religion. Zi-
tieren wir einen Satz aus dem Abfchnitt
über antike Götter: »Der alte, immer tat-
kräftige und tatendurftige Jehova hat unfer
Urteil über andere Götter beftimmt. —
Unter feinem Einfluß pflegen wir uns die
antiken Götter aktiver vorzuftellen, als fie
wirklich find.« EsifteineTrennung zwifefien
dem Aktiv=Dämonilchen und Paffiv=Erlö-
fenden in der ganzen griechifchen Religion

zu verfolgen, nirgends fo deutlich wie bei
Zeus und Athena. Phidias durfte fich an
das Epos halten, während Pythagoras,
Myron und Polyklet gleichfam die pin-
darifche Lyrik zu illuftrieren hatten. Phi-
dias war kein Bildhauer im engeren Sinne
— er war Erzbaumeifter heiliger Stätten.
Sem Geift erfann das Gemeinwefen, darin
eine ftrenge Vergangenheit und eine fich
nach allen Seiten differenzierende Gegen-
wart nebeneinander Platz finden, Ja lieh,
ohne ihren Charakter einzubüßen, inein-
ander auflöfen konnten. Die architekto-
nifche Verbindung dorifcher und ionifcher
Prinzipien beim Parthenon war das Selbft-
verftändliche und zugleich ein Wagnis, wie
es nur aufkommen konnte in dem Kopfe
eines Meifters, der alle Formelemente voll-
kommen beherrlchte und bereit war, Jede
Schönheit, die das Geftern und das Heute
bot, in feinem Tiegel zu einer lebendigen
Einheit umzulchmelzen. Die antikeÄfthetik
hat die Wirklichkeit zunächft dekorativ
empfunden und verwertet. Um der Wirk-
lichkeitskunft ihren Platz am Tempelgebäude
einräumen zu können, mußte das ftreng
Dorifche durch ionifche Hinzufügungen ge-
lockert, das Monumentale dekorativ ge-
mildert werden. Das Wefen von Phidias'
Kunft erfüllt fich zwifchen den beiden Polen
feiner Arbeit: Enthufiasmus und Akribie.
Jolles hat das Phidiasproblem wahrlich
nicht zu klein erfaßt. Seine Briefe geben
zu denken. Max Maas.
Dr. Hans Graber, Jüngere Schweizer
Künftler. Erfter Band mit 30 Tafeln
und einer Orginallithographie von A. H.
Pellegrini. (Benno Schwabe 4G Co., Bafel
1918.>
Diefes Buch ftellt die erfte Anthologie
Jüngerer Schweizer Maler dar, die durch
dreißig gut gedruckte Abbildungen eine
wünfehenswerte Überficht über die Ab fichten
und Ausdrucksformen der neueren fchweF
zer Kunft bietet. Kurze biographifche
Notizen geben Auffchluß über Herkunft
und Entwicklungsgang der Künftler. Paul
Grabow hat dem Buche eine Einleitung
vorangeftellt, in der vor allem darauf hin-
gewiefen wird, daß die Hodlerfche Schule
 
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