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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 2
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Thordeman, Bengt: Strömungen in der Entwicklung der nordischen Kunst im Mittelalter: Gedanken über zwei Ausstellungen in Schweden
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0039

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29

STRÖMUNGEN IN DER ENTWICKLUNG DER NORDISCHEN
KUNST IM MITTELALTER
GEDANKEN ÜBER ZWEI AUSSTELLUNGEN IN SCHWEDEN
VON BENGT THORDEMAN
DIE Unterfuchung der Entftehung der mittelalterlichen Kunft aus klaffifchen,
orientalifchen und germaniTchen Elementen ift ein Problem von größter
Bedeutung für das Verftehen der mittelalterlichen Kunft überhaupt. Diefes
Problem, das jetzt von Itarker Aktualität ift, wird auf verfchiedenen Wegen
zu lö'fen verfucht. Eine Entwicklungslinie geht über den Norden. Und diefe
Linie zu verfolgen empfiehlt fich befonders, weil im Norden der Übergang
zur mittelalterlichen Kunft verhältnismäßig fpät ftattgefunden hat und weil da
fowohl heidnifche wie chriftliche Formenkultur ein befonders nationales Sonder*
gepräge haben.
Die letzte Blüte der vorgefchichtlichen Ornamentik zeigen die Runenfteine.
Es ift von Bedeutung feftzuftellen, daß der größte Runenmeifter, Asmund
Karaßbn, der im 11. Jahrhundert tätig war, ein Chrift, ja fogar ein Milfions*
bifchof gewefen fein muß, und daß er fogar die von altersher überlieferte
Sitte, einen Gedenkftein über Verftorbenen aufzuftellen, als ein Agitations*
mittel für feine Zwecke benutzt hat. — Für die in Stein arbeitenden Künftler
des 12. Jahrhunderts fpielten die Tauffteine diefelbe Rolle, wie früher die
Runenfteine. Sie führen uns in eine ganz neue Gedankenwelt, ja auch
Formenwelt hinein,- aber der katholifche Internationalismus hat das nationale
Gefühl nicht töten können: die Akanthusranken werden zu kriechenden Drachen
und die Zweige und Äfte zu zappelnden Beinen und greifenden Zehen. Ja,
bis weit ins 15. Jahrhundert hinein leben auf den Tauffteinen alte Motive,
die in frühmittelalterlicher Zeit beliebt waren und deren Urfprung vielleicht
in heidnifcher Ornamentik zu fuchen ift.
Eine andere Kunftart von befonders nationaler Haltung — und deshalb
in diefem Zufammenhang wichtig — ift die Schmiedekunft, die auch darin der
Steinhauerkunft ähnlich ift, daß fie —- den Bedingungen des Materials folgend —
einen eigenartig feften und gefunden Stil ausgebildet hat und durch diefe
mit Strömungen in unferer modernen Kunft zufammenfallende Tendenz uns
ein noch weiteres InterelTe bietet. Die Formenwelt diefer Schmiedekunft vom
12. —15. Jahrhundert ift ziemlich reich und lebhaft. Unter den figuralen
Motiven ift von größerem InterelTe eine Jagd und ferner ein Schlangentöter.
Diefer wird vielleicht zu Unrecht mit Sigurd Fafnirsbane identifiziert/ die Vor*
liebe für diefes Motiv ift doch zweifelsohne in der Ähnlichkeit mit einem be*
liebten ikonographifchen Detail aus vorgefchichtlicher Zeit zu fuchen. Die in
einem Tierkopf endenden Blattranken kehren auch in der Schmiedekunft wieder,-

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