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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 15
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Hübner, Friedrich Markus: Der Sechzigjährige Jan Toorop
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0311

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Der fechzigjährige Jan Toorop

301

Die Schwenkung in der Malerei Toorops ward mitbedingt von feiner
Anteilnahme als Maler bei der Schmückung von Gebäuden und Innenräumen.
Schon nach der Naturanlage ein vergehender Unternehmer auf verfchiedenerlei
Ausdrucksgebieten, mußten ihm Aufgaben, welche ihm durch den Architekten
Berlage 1902 gehellt wurden <Neue Börfe zu Amfterdam>, doppelt will-
kommen fein,- das Arbeiten auf dem Papier und auf der Leinwand tritt von
da ab allmählich zurück vor den zwecknäheren, in dem finnlichen Stoffe des
Glasfenlters, des Emails, der Tonerde fich aus wirkenden Aufgaben des Aus-
fchmückens von bedeutfamen Profanbauten. Von hier aus war nur ein Schritt
zur Kirchenmalerei. Eine ganze Menge holländifcher katholifcher Land= und
Klofterkirchen <Aloyfiuskapelle zu Haarlem, St. Jofefskirche zu Nymwegen>
find von Jan Toorop in diefer feiner katholifchen Lebensfpanne mit Einzel-
bildern und umfaßenden Innendekorationen verfehen worden. Das Archiv
tekturale als Grundfatz der Bildkompofition, der Farbenwahl und der Linien-
führung ift fchließlich bei ihm das beherrfchende Beltreben überhaupt geworden,
derart, daß er heute feinen früheren Zielen und Stilmitteln nur voller Vor-
behalte zuhimmt.
Die vorletzte Tooropausltellung fand 1915 zu Amfterdam hart. Zwifchen
damals und heute hat Toorop außerordentlich hart gearbeitet und mit einer
Reihe von vierzehn Paffionsbildern feiner katholifchen Überzeugung die Krone
aufgefetzt. Diefe vierzehn Tafeln find für den Kreuzweg der holländifchen
Gemeinde Oofterbeck beftimmt und von Toorop im Auftrage einer frommen
Stifterin auf Holz angefertigt. Die Haager Ausheilung bringt fie zum erben
Male vor die große Öffentlichkeit, ehe fie in der holländifchen Dorfverfchollen-
heit ihren endgültigen Unterbringungsort finden füllen. Sie find alle gleich-
mäßig im Umfang,- das Maß beträgt etwa 100 X 80. Die Darftellung bewegt
fich auf diefen verhältnismäßig kleinen Flächen in unendlich vereinfachter,
ftreng ftilifierter Erhabenheit. Die~ Linien der faltigen Gewänder, der fal-
tend emporgehaltenen Hände, der überfchneidenden Kreuzbalken des von
Chriftus gefchleppten Marterholzes bilden die Struktur, welche gleichzeitig
kahl, abftrakt, geometrifch klingt und Ausgangspunkt wird für eine merke-
würdig harke, auf den Befchauer aushrömende Andachtskraft. Die farbige
Füllung der Figuren beforgen Walferfarben ohne verwickelte Abfchattung(
Es find die einfachen Töne des Violett, Grün, Gelb, Rot, welche mit ihren
kirchlichefymbolifchen Bedeutungsinhalten eine kirchlich-eindringliche Sprache
reden. Einen bildmäßigen Hintergrund, Landfchahliches, Tiefe und dergleichen
gibt es nicht; das nackte, bräunlich zarte Zedernholz der Tafel blieb in feiner
Naturgehalt erhalten und feine Maferung fpricht felblt dort mit, wo das
Holz in den Figuren von Farbe bedeckt ift,- fo dünn trug der Maler feine
Farben auf.
 
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