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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Breuer, Robert: Ein modernes Krankenhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0059

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REINHOLD RIEHL

BLICK AUF DAS RIXDORFER KRANKENHAUS VON DER KÖNIOSWUSTERHAUSENER CHAUSSEE R. KIEHL

weißgetünchte Mauern, ganz abgesondert, ganz
für sich da zu sein scheint.

Wie bei den meisten der letzten Neubauten
von Krankenhäusern kam auch in Rixdorf das
Pavillonsystem zur Anwendung. Der ganze
Betrieb wurde in einzelne Häuser aufgeteilt; die
für die Praxis wichtigsten Räume wurden auf
das gleiche Niveau disponiert, nur an wenigen
Stellen gibt es mehr als zwei Geschosse. Es
lag nahe, die Häuser, soweit sie Krankensäle
enthalten, mit Liegehallen zu umgeben; nun
können während der warmen Jahreszeit die
Patienten durch Tag und Nacht im Freien
bleiben. Man gewinnt sofort den Eindruck,
daß hier jeder Einzelne zu seinem Recht kommt;
er verschwindet nicht im Chaos, er wird keine
Zahl. Die separierten Häuser, die selbstver-
ständlich für die Abwicklung alles notwendigen
Verkehrs unter einander hinlänglich verbunden
wurden, sichern ein gewisses Erinnern an die
Familie. Keiner der einzelnen Krankensäle wird
durch seine Abmessungen unübersehbar; jedem
wird die Wohltat, die Mauern zu vergeben
haben: die Wohltat des Räumlichen. Die Zu-
gänge liegen an den Schmalseiten; beide Längs-
seiten sind reichlich von Fenstern durchbrochen:

das Licht, die große Medizin, herrscht unbe-
hindert. Und draußen, vor den Fenstern blühen
die Gärten und senden Freude und Hoffnung
denen, die heute noch ein wenig still liegen
müssen.

Der Grundplan dieser Stadt der Kranken
wurde durch die medizinischen Kategorien der
Chirurgie und der inneren Krankheiten bestimmt;
jede Abteilung bekam ihren Flügel, deren jeder
wiederum nach dem Schema der Einlieferung,
der Behandlung und der Auslieferung organisiert
wurde. Es gibt kein Hin und Her; überall
waltet das Gesetz der Ökonomie. Es gibt keine
unerwünschten Begegnungen; von der Garten-
seite wird das Essen und die reine Wäsche in
die Häuser getragen, hier geschieht nichts, was
die spazierenden Kranken beunruhigen könnte.
Gegen die große Mauer, nach der Straße zu,
vollzieht sich der Transport des Unangenehmen
und des Unvermeidlichen. Auch die Toten
gehen diesen Weg.

Will man das Spezifikum solch einer Anlage
auf die Formel bringen, so wird man feststellen,
daß sie nichts anderes ist, als eine Materialisation
der modernen Hygiene, die in der Ordnung,
in der Sauberkeit, im Licht und in der Luft

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