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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Jolowicz, Julie: Die Farbe des Lebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0941

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DIE FARBE DES LEBENS

der Harlekin im fast zinnoberroten Kleide lebhaft
gestikulierend im Vordergründe, indes auf dem
Gegenstück „Die italienische Komödie“ die Per-
sonen in dunklen Toner! gehalten sind und die
Anteilnahme des Beschauers so gleichmäßig auf
alle verteilt wird. Sonst liebt es Watteau, der
Maler der galanten Feste, seine tändelnden Frauen
in sanft rosenrote Gewänder zu kleiden und ihnen
Partner zu geben, deren Gewänder in lichtem
bräunlichem Goldton schimmern. Und diese
Farbenassoziation ist von einer feinen Weichheit
und einem ungemein selbstverständlichen Reichtum.

Sehr zielbewußt hat auch Goya das leuchtende
Rot verwandt, wenn er seine Stierkämpfer rote
Lappen ganz im Vordergründe schwenken läßt.
Es ist anzunehmen, daß dies nicht allein der
Wirklichkeit zu Liebe geschah und daß die Er-
kenntnis des aufreizenden Elements, das er mit
diesem Farbenwert in das Bild hineintrug, in ihm
wach war.

*

Später, als die lebendige Farbe im Atelierton
untergegangen war, wußte man natürlich mit be-
sonders anspruchsvollen Tönen erst recht nichts
anzufangen. Erst als die Kunstrevolution kam
mit dem frischen Mute der Jungen, als man den
Sonnenstrahlen bei ihrem leuchtenden Werke
aufmerkend nachging, besannen sich manche des
fast verschmähten Schatzes auf ihrer Palette.
Man fing an, das Rot mit theoretischer Berech-
nung zu brauchen, wobei es sich freilich oft ge-
bärdete, wie ein zu neuem Reichtum gekommener7
Parvenü: es saß auf der Bildfläche ohne die
frühere naive Sinnlichkeit und pochte mit allzu-
bewußter Wirkung und unverhüllter Deutlichkeit
auf seinen wichtigen Platz. Es war die Zeit,
wo man mit einem roten Frauengewande, das
unvermittelt aufstrahlte, blenden wollte, wo man
durch einen kapriziösen Farbfleck Pikanterien
schuf. Aber vielleicht waren diese unterstrei-
chenden, gelegentlichen Verwendungen mit die
Ursache, daß später einige Maler das Rot zu
einem Faktor in ihrer Farbenskala erwählten und
so für ihre Bilder nutzten, daß man ihr künst-
lerisches Temperament ohne viel Mühe daraus
erkennen kann.

So nahm es Liebermann wohl oft kühl und
klug, um die Differenz zwischen der Bewegtheit
eines regen Vorganges und eines durch den
Bildvorwurf bedingten monotoneren Kolorits aus-
zugleichen. Etwa, wenn rote Jagdfräcke im
Scharlach aufleuchten, da Pferde und Meute sich
in unruhiger Erwartung des Ausritts gehen lassen
dürfen. Bei den zur Beherrschung verpflichteten
Menschen schafft die Lebhaftigkeit ihrer Kleidung
einen pikanten Kontrast zu der Ruhe ihrer
Haltung, und zugleich ein harmonisches In-
einandergehen von Kolorit und Bildvorgang. Es

kann aber auch geschehen, daß ein paar rote
Färb tupfen, höchst eigensinnig und unvermittelt
einer Landschaft eingefügt, dem Auge Führer
und Ruhepunkt weiden, wie man es oft bei
Alfred Sisley findet, zu dessen Eigenart in der
Technik die sparsame, aber fast ständige Ver-
wendung eines eigentümlichen, ins Bläuliche
schimmernden Karmin gehört. Vielleicht geben
seine Worte die Erklärung: „Auf einem Bilde
gibt es immer ein Eckchen, das man besonders

(Fortsetzung auf Seite 810)

DAME MIT BLUMEN. FARBIGE PORZELLANFIGUR

BILDHAUER EICHLER. MALER HENTSCHEL
Ausführung: Königliche Porzellanmanufaktur Meißen

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