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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Januar - 14. Januar)
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Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn-u. Feiertage,
«dorinementspreisrnil dem wöchentlichen Untcrhaltungs-
„Der Sonntag § bot e" für Heidelberg monatlich SV H
nt Trtigerlohn, durch die Post bezogen viertelj >t. 1.80 franco.

GrgM für Kalirsikil, Freiheit L Keisst.


Inserate die 1-spaltize Petitzeile oder deren Raum 10
Reklame 25 L. Für hiesige Geschäfts- und Pnvat-
anzeigen, sowie für Jahres-Anzciqen bedeutende Radau-
bcwilliguug. Expedition: Zwingerstratze 7.

K I.

Berantwortl. Redakteur: F. 2. Knappe
in Heidelberg.

HkWtt!!, WM, ilil l. jlm«.

Drucku.Verlag vvnGebr.HuberinHeidelberg -
früher Verleger des Pfälzer Boten. !


ß ülkysfi.
„Glück zum Neujahr! Lang' zu leben, selig zu
sterben!" — sagt ein altes, als Nenjahrswunsch üb-
liches Voltssprüchlein. „Glück zum Neujahr!" -
wie ost und in Ivie viel verschiedenen Tonarten und
Färbungen, mit wie unzähligen Veränderungen der
äußeren Form wird es gewünscht von Mnnb zu Mund,
von Hand zu Hand, von Land zu Land, — und doch
ist ja der eigentliche Inhalt im Grunde stets derselbe!
Ob der ausgesprochene Wunsch lautet wie in Eng-
land: „ein srohes, neues Jahr!" — „ein glücklich
Neujahr!" — oder wie in Vlämisch-Belgien: „ein
selig Neujahr", — „glückseliges Neujahr!" — oder-
gar in Versen, wie ini Schwarzwald:
„Langes Leben, langes Leben,
Ued all' weine Lieb daneben!"
ein Wunsch, der auch die nvthige Abwechslung zuläßt,
durch Verwandlung der zweiten Reihe in: „und einen
Beutel voll Geld daneben! — oder allenfalls auch,
Ledigen gegenüber, die noch auf ihre bessere Hälfte
darren: „ein schönes Weib — oder: einen schonen
Mann — daneben! — oder Ivie immer das gereimte
oder ungereimte Gewand beschaffen ist, in welches die
große, nie austlingende Wunsch-Skala des menschlichen
Geschlechts sich beim Scheiden eines alten Jahres und
Erscheinen eines neuen stets auf's Neue kleidet. Am
meisten und gewissenhaftesten aber wird wohl auf
Erden Glück gewünscht zum neuen Jahr auf jenem
kleinen, abgeschlossenen Felsen-Eiland, umrauscht vom
ewigen Meer nut seinen ewigen, alten-neuen Liedern:
Helgoland! Ter eigenartige, wetterharte Menschen-
schlag, der dort Jahr aus Jahr ein dem wilden Ele-
ment sein Dasein abringt, ist Meister in der Kunst
des Glückwunsches zu diesem Feste, das, als sein leb
haftestes und und frohestes, am meisten gefeiert wird,
vom frühen Morgen bis zum späten Abend, tagelang,
bis Jeder den Andern nach der Reihe besucht, be-
glückwünscht und bewirthet hat. „Gesundheit, Glück
und Segen!" beginnen, nachdem der „Grußabend" —
Sylvester — still und feierlich im engen Familienkreis,
nur verherrlicht durch den muntern Lärm von zer-
worfenen Töpfen und Tellern, begangen worden, —
die Eröffnung des großen Reigens der Nenjahrswnnsche:
— dann erst kommen die speziellen an die Reihe, wie
z. B.: „eine junge Frau", „ein junger Freier", „viel
Schellfische", „viel Verdienst und kein Verlust!" und
dergleichen Nützliches und Angenehmes mehr, worauf
stets die Antwort und Erwiederung zu folgen hat:
„Das gebe Gott wiederum so!" Schließlich jedoch
darf niemals der bedeutungsvollste, atterwichtigste

KöHenkuft.
Von Cary Kroß.
(Nachdr. verb.)
77) (Fortsetzung.)
Aber außer den zuerst gehegten Bedenken gab es noch
etwas, was ihr den Entschluß erschwerte, ein Künstlerleben
zu beginnen. Daß dieses etwas mit ihrer Liebe zu Alfred
zusammenhing, wollte sich Raimonda nicht einmal selbst ge-
stehen War es denn nicht gleichgiltig, ob die Kluft, welche
sie trennte, noch weiters riß, da sie doch unausfüllbar
war? Dennoch fürchtete Raimonda den Schritt, der sie er-
weiterte.
Eben weil ihre Liebe unsterblich war, so entstieg ihr
in den unergründlichen Tiefen des Herzens auch immer
wieder Hoffnung auf irgendein fernes Wiederfi den. Wenn
sie nur gewußt hätte, was Alfred ihr rathen würde, dann
schien der Weg leichter zu finden.
In dieses Sinnen war Raimonda versunken, als Ar-
mandine mit dem Briese, den ihr Erwin gegeben, zu ihr
trat und ihn in ihre Hände legte.
„Ich löse hiermit ein wichtiges Versprechen," sagte
Armaudine in scherzender Feierlichkeit. „Aber was ist
Ihnen? Sie färben sich? Kennen Sie die Handschrift, die
Tie so erschreckt betrachten? Hat Gras Stahrberg doch ge-
logen, als er sagte, der Brief sein von einer Dame und be-
treffe Theater-Angelegenheiten
Raimonda wurde noch blässer bei diesen Worten, Ihre
Lippen bebten und mit erstickter Stimme sagte sie:
„Graf Stahrberg? Sie kennen ihn?"
„Freilich kenne ich ihn. Er war einer meiner wärmsten
Verehrer in Nizza und ist mir sogar hierher nachgereist.
Der Tom und ich ziehen ihn an. Für wen von uns beiden
das eine Schmeichelei ist? Noch vor einigen Minuten war
der Graf hier und verließ mich erst, als er mir diesen
Brief anbefohlen hatte. Ist er wirklich von einer Dame ?"
... „Ja," hauchte Raimonda, „ich kenne die Hand und
furchte, sie wird mir Leid bringen "
Sie rang nach Fassung, denn sie fühlte Armandinens
treugrerige Blicke auf ihr haften.

Glückwunsch auf Helgoland — und eigentlich auch
anderswo! — vergessen oder unterlassen werden:
„Ein ruhiges Herz!" — Wer auf der ganzen weiten
Erde könnte — er sei wo und wer immer wohl
diesen Wunsch nicht brauchen?
Zu den vielen, vielen guten und gutgemeinten
Worten u. Wünschen, die — als gern empfangene Pas-
sagiere u. Touristen — am Neujahrsfest durch die Welt
kursiren, mündlich und per Feder, gesellt sich - außer
einer unbeschreiblich reichen Fülle von allerlei heiteren
und ernstru Bräuchen — auch eine noch sehr gern
gesehene Beigabe in manchen Gegenden des In- und
Auslandes: die Geschenke nämlich! Abgesehen von
der Sitte, die in Frankreich und Belgien üblich: Neu-
jahr statt Weihnachten als hochwillkommene Zeit des
allgemeinen Schenkens zu begehen, eine Sitte, die
schon aus alter Römerzeit herstammt — wird es auch
vielfach anderswo als eine Art von Epilog zum Christ-
fest angesehen — was die Gaben und das Geben an-
belangt. — Wohl sind in England allerdings die
schönen Zeiten längst tonipi p-wMt.i, als noch die
Präsente, die König dort und Edelleute mitsammen
austanschen, wahre Kapitalien repräsentirten, die
im l i>. Jahrhundert es der Königin Elisabeth ermöglichten,
ihre berühmt-glänzende Garderobe, inklusive Schmuck,
zum großen Theil durch diese so freigebig empfangenen
Neujahrsgejchenke zu beschaffen, und ihr Nachfolger-
Jakob Stuart 1. hatte im Anfang des folgenden Jahr-
hunderts einst einer Geschenks-Liste für Erhaltenes
und Gegebenes sich zn erfreuen, die nicht weniger
als zehn Fuß Länge besessen haben sott! Ebensn
waren Handschuh- oder Nadelgelder einst zn Neujahr
unter Solchen Sitte, welche damals solchen Luxus
sich gestatten konnten, denn besonders Nadeln standen
ehedem sehr hoch im Werth als ein sehr seltener
Artikel, bis dann schließlich nur der Ausdruck „Handschuh-
oder Nadelgeld" noch davon übrig blieb, die Sache
selber aber, nebst den sonstigen Neujahrs-Geschenken
von Einst fast gänzlich abkam bis auf einen beschei-
denen kleinen Rest in läudlischen Gegenden, und bis
auf die Neujahrs-Gabe, welche Königin Viktoria all-
jährlich zn Windsor in Viktualien und Brenn-Material
an Bedürftige vertheilen läßt, als fchöner, nachahmens-
wert her Beginn des neuen Jahres.
In der Schweiz und in deutschen Landen fing und
fängt gar Mancher das neue Jahr gleichfalls mit dem
angenehmen Omen von Geschenken an, wenn auch
meist in Form kleiner Aufmerksamkeiten, Süßigkeiten
oder irgend eines eigenes dafür bestimmten Gebäcks,
besonders zum Zweck von Pathengeschenken, zu deren
„Sagte — sagte Graf Stahrberg, daß erLmich kenne ?
Wußte er, daß ich hier weile?"
„Freilich wußte er's- Er sah Sie sogar, oder hörte
Sie doch, bewunderte natürlich auch Ihren Sirenengesang
so gut wie alle. Denn wer schwärmte nicht für Sie?
Dennoch wollte er Ihnen nicht voraestellt sein, ich bot es
ihm an. Vermuthlich glaubte er Sie allzusehr umlagert
und die Deutschen sind schüchtern oder stolz. Vielleicht
wollte er sich nur verstellen? Aber was haben Sie, Nai-
monda? Sie zittern wie Espenlaub. Liegt Ihnen etwas
am Entgang einer Huldigung? Einer mehr oder weniger,
was liegt daran ? Uebrigens kann ich Ihnen beweisen, daß
auch aus der Ferne Graf Stahrberg Ihnen huldigte. Er
hat es veranlaßt, daß man Sie bat, der Mignon Lied zu
singen, das Sie so herrlich vortragen, und ich hörte ihn
zu Ferrari sagen: „Auf Ehre, superb! Sie wird Furore
machen-"
Vor Raimondas Augen dunkelte es! Alfred war ihr
so nahe gewesen. Alfred hatte es vermocht, mit fremden
Menschen gleichgiltig von ihr zu sprechen! Er hatte die
Grausamkeit gehabt, ein Lied zu verlange», das sie ungern
sang, weck es gar viele der theueren Erinnerungen, die sie
gemeinsam hatten, wachrief. O, diese Erinnerungen, die
sie fast tödteten, die waren ihm nichts mehr, als ein ange-
nehmer Scherz? — Wenn das so war, wie konnte sie da
noch die Kluft betrauern, die das Leben zwischen sie riß?
War nicht furchtbarer diejenige, welche ihr Herz von dem
seinigen trennte?
In dieser Stimmung las Raimonda den Brief der
Gräfin, mit welchem Armandine sie endlich allein ließ. Es
war wie bitterer Hohn auf ihr heißes Gefühl, daß nur
vorsichtig bemessene Worte darin standen. Tagelang hatte
Irene an dem Schreiben gearbeitet, auf daß es ja nicht
zuviel von ihren Gesinnungen verrathe, und sie hatte es
dahin gebracht, daß es gar nichts verricth und auch gar
keinen Eindruck machte.
Was konnte Raimonda noch an der Bet heuerung liegen,
daß ihre eigene Mutter das Theater verpönt habe, da
diese Mittheilung gemacht wurde, nachdem der Stolz der
ehrenhaften Leute sie aus einer Sphäre getrieben, in der

Einheimsung die Betreffenden oft selbst als Revanche
„das neue Jahr bringen", und bei dieser Gelegenheit
ihren Neujahrs-Tribut eigenhändig in Empfang nehmen.
— Einstmals in der guten alten Zeit, wanderten
manchen Ortes sogar zuweilen die Herren Schulmeister
und Organisten und andere Respekt-Personen umher,
und zwar von Haus zn Haus, in Begleitung jugend-
licher Säuger, die mit ihren frischen Knabenstimmen
ein Nenjahrslied zum Besten gaben, worauf „gesammelt"
wurde. Dieses Sammeln und Umherziehen zu und
nach Neujahr freilich ist bis auf den heutigen Tag
bestehen geblieben, nur mit dem Unterschiede, daß
dies in unserer Zeit von oder für Hvuorationen
nicht mehr zu geschehen Pflegt, sondern den unmün-
digen Kindleiu, sowie Solchen überlassen bleibt, die
„ein gutes neues Jahr" wünschen, um als dankende
Anerkennung einen gewissen gewichtigen, inhaltreichen
Händedruck zn empfangen, — eine GratulativnS-Zine,
zn welcher dort, Ivo sie hss zur Unsitte geht, sich
Mancher gratuliren kann.
Zu den iverthvottsten Geschenken, die gegenwärtig
noch zum neuen Jahr, altherkömmlichem Brauch ent-
sprechend sich erhalten haben, gehört unstreitig wohl
die alljährliche Neujahrsgabe der Stadt Würzburg, die
dem jeweiligen Könige von Bayern zu Neujahr 10t)
Goldgulden alten Gepräges übersendet. Eine origi-
nelle Gabe dagegen erhalten als übliches Neujahrs -
gescheut die preußischen Herrscher von den „Halloren",
der Salzwirker Bruderschaft im Thale in Halle an
der Saale, die jedes Jahr am Neujahrstage der könig
lich-kaiserlichen Familie persönliche Glückwünsche durch
eine Deputation in Galatracht darbriugt, welche die
mitgebrachten Geschenke: Hatte'sche Schlagwnrft, Sool-
eier nnd Salz, als Exrra-Gang der Neujabrstafel
nebst einem gedruckten, wohlgesetzten Glückwunsch selbst
servieren dars — ein altes Vorrecht, das pünktlich
ausgeübt wird.
Was die Neujahrsfeier der verschiedenen Völker-
schaften anbetrifft, so ist dieselbe so verschieden, wie
ihre Eigenart, ihre Sitten und Gebräuche! — Ernste
Kirchenfeier, fromme Andacht, mancher stille, heilig
gehaltene Brauch neben der lautesten, weltlichen Lust-
barkeit und den lärmendsten und rauschendsten Ver-
gnügungen! — Sehr eigenthümlich wird das Neujahrs-
fest bei einem asiatischen Kulturvolle gefeiert, das —
trotz aller räumlichen Entfernung —- uns längst schon
nahe gerückt ist: in Japan nämlich!" — Dort schmückt
man die Häuser, die Wohnungen mit verschiedenen
Baumzweigen, besonders mit Orangen-, Bambus-,
Fichten- und Pflaumenzweigen, wegen der symbolischen
für das Seiltänzerkino kein Platz war? Wollte man sie
nun auch hindern, sich einen ehrenvollen außerhalb der-
selben zu erkämpfen?
Sic sollte wohl in Dunkelheit versinken, damit ja nie
ihr Name mehr in der Gräfin Stahrberg Ohren klinge,
nie ihre Erinnerung mehr den Frieden der vornehmen
Familie störe!
O Raimonda wollte diesen nie stören, ihnen allen
nie in den Weg treten, aber auch unbehindert ihren ei-
genen gehen
Sie schwor sich's zu, selbst zu hindern, daß dieser mit
einem der Stahrbergs je sich kreuze- Nie sollte Alfred fick
ihr mehr nahen dürfen ! Doch beweisen wollte sie ihm und
allen, daß sie allein sich Ehre und Ansehen erkämpfen könne,
daß sie in der Kunst den Stern finde, der sie aus der
Llldcnsnacht führe!
Zornig zerknitterte Raimondas Hand den Brief dec
Gräfin und ihre Lippen preßten sich entschlossen zusammen.
Armandine, die sie von ferne beobachtete, sagte zu sich:
„Ein Geheimniß steckt doch hinter dem Briefe! Das muß
mir der schlaue Briefträger bekennen." Sie suchte in dem
Salon nach Erwin, hoffend, daß er doch noch verweilt habe:
aber Erwin war wirklich verschwunden. Ueberzeugt, seiner
Mutter Brief sicher in Raimondas Hand gespielt zu haben,
dachte er im Ernst nur noch ein klein wenig an den Dom
und dann an die Rückkehr nach Nizza, da sein Doppelzweck
erreicht war-
Madame Monetti erspähte nun ihrerseits Raimonda
in der stillen Ecke und eilte auf sie zu-
„Haben Sie sich hierher geflüchtet, die Pariser Anträge
zu überlegen, LsIIn mia! Hoffentlich stimmen Sie zu?
Madame Vallier wünscht cs gleich mir und wartet »ur-
auf Ihre Zusage, um Sie mit einer Einladung zu über-
raschen. Sagen See Ja? Ich verspreche Ihnen dann,
selbst nach Paris zu kommen, um Sie bei meinen zahl-
reichen Freunden einzuführen. Bedenken Sie, welch' be-
neidenswerlhes Los Ihnen lächelt, wie Sie zur Vervoll-
kommnung unserer Zeit beitragen. Darf ich schreiben, daß
Sie zusagen?"
Fortsetzung folgt.
 
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