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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 71 - Nr. 80 (28. März - 10. April)
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Druck u. Verlag von Gcbr. Hubrr in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

MWr VolMotc.

Berankvortl. AÄ-kreur: F. 2. Lnappe
in Heidelberg.

Inserate die 1-spaltigc Petitzelle oder deren Raum 10 H
Reklame 25 Für hiesige Geschäfts- und Privat-
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.
1890.

^rfchotnt täglich mit Lusnahm« der Tonn- u. Feiertage.
MHonne«ent»prei» mtt dem «öchrntlicheuUnterhalwngs-
.Der S vnutagSb ot e" sürHeidelberg monatlich SS
^it Lrigerloh«, durch di »Post bezogen viertchj. Xi 1.80 franco.
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^rr heutigen Nummer liegt „Der Lountagsbote" Nr. 13 bei.

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e Jatmsonntag.
Wenn der Frühling mit seinem zarten Grün
wieder in die Lande zieht n. warmer Sonnenschein ein-
kehrt in Flur n. Hain, wenn es sich wieder regt in dem
weiten, erhabenen Tempel der Gottesnatur, dann naht
als frohbegrüßter Herold für das ernsteste, das höchste
Fest im Jahre der Tag, welcher uns an den Einzug
des Heilands in Jerusalem erinnert, woselbst das Volk
ihm, dem Gottessohne, zujubelte und Palmen auf den
Weg streute, der Palmsonntag. Schon im 4. Jahr-
hundert feierten die Christen „kalmurum", den Pal-
!lnentag, und namentlich unter Karl dem Großen, im
8. Jahrhundert, ward diese Feier immer allgemeiner,
durch das ganze Mittelaller einen ebenso festlichen,
wie freudigen und volksthümlichen Charakter tragend.
Strahlend waren die Palmsonntagsfeste im sonnigen
Süden, aber auch in deutschen Ländern bildeten sie
eine freudenreiche Feier, und da des Südens stolze
Palme im rauhen Norden nicht gedeiht, so boten und
bieten hier die Frühlingspalmen der Natur Ersatz
dafür, die an Bäumen und Gesträuch des Lenzes
Auferstehung künden. Mancher alte Volksbrauch,
mancher fromme Glaube knüpft sich an die geweihten
Palmen, trotzdem der Wogenschwall der Zeiten
Manches schon mit fortgespült und weggerissen hat,
was einst lieb und Werth gewesen denen, die es von
einer Generation auf die andere treulich als liebe
Erbschaft übernoHmcn und ausgeübt habcu.
Welche Wichngkeit hat z. B vielfach noch die
bloße Herstellung dieser Palmenwedel, welchen Stolz
setzt man darein, den schönsten zu besitzen. An die
!Dhür des Hauses, der Scheune oder des Stalles,
über Bildern und Betten wird die geweihte Palme
befestigt, bis über's Jahr die neue wiederum die alte
vblöst, die nun verbrannt wird. Oder man pflanzt
den Palmzweig nach dem Kirchgang und der Weihe
>w Garten ein bis zum Osterfeste, um an: Ostersonn-
tag Morgens schon in aller Frühe ihn ins Hans zu
tragen, denn wer so glücklich ist, dies als erster zu
vollbringen, erhält Ostereier als Geschenk zum Lohne.
Dann aber wird die Palme aufbewahrt wie ein Heilig-
tum, und wenn's gewittert, nimmt man ein Zweig-
lein daron und verbrennt es auf den: Herd, — auch
steckt man solche in die Viehställe zu Schutz und
Schirm der für den wackeren, fleißigen Landmann so
Wichtigen und werthvollen Insassen.
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Treuer Liebe Kohn.
^1) Roman von U. Rosen.
(N«chdr. derb.)
„Und wenn er mein eigner Sobn wäre, und seine Ve-
rrasung meinen alten Namen mit Schimpf und Schmach
gedeckte und mich vor Gram tödtete, würde ich darauf be-
stehen, daß er für jein ungeheuerliches Verbrechen bestraft
werde."
„Ist es möglich, daß der Schurke noch lebt, daß die
beweise für feinen Tod, wie Eduard Ormond zuweilen
mrchtete, gefälscht find? Sprich, Mädchen!" donnerte er.
Mer sind Sie? Was wissen Sie von Gottfried Trewor?
Mir kamen Sie mit den Augen dieses Burschen bierher?
pind Sie von ihm zu mir geschickt worden? Sind Sie
Wine Tochter, Mädchen?"
Necker- Er wuchs in seiner Wuth zum Riefen vor Giralda
tikolaus /Ws- Seine Blicke schienen sie verzehren zu wollen. Sein
Kronau '"desbleiches Gesicht war von zwei bleifarbigen Streifen
^kreuzt. In seinem bis zur Raserei gesteigerten Hatz
aen um schien er ihr wie ein racheschnaubender Dämon.
„Sprich, Mädchen!" wiederholte er. „Was bist Du
_ Gottfried Trewor?"
lberg. 16. Kapitel.
77 Ein versprochenes Vergnügen.
Für einen Augenblick war Giralda von dem Sturm,
sie in ihrer Unschuld heraufbeschoren hatte, wie nieder-
Mchmcttert. Das leidenschaftdurchwühlle Gesicht des
5-iarquis flößte ihr Schrecken, seine argwöhnischen Blicke
Unwillen ein-
« Sie erhob sich aus ihrem Sessel und trat kühn vor
^?rd Trewor hin. Jeder Zug ihres lieblichen Gesichtes
Zles seine Verdächtigungen stolz und hochmüthia zurück,
unnahbare Würde thronte auf ihrer Stirn. „Mylord,"
sie kühl, „ich fürchte. Sie haben entweder vergessen,
^vcrsi hE ein Mann find, oder daß Sie einer Dame gegen-
Der Marquis starrte ihr verwirkt in die strahlenden
^»en.
»Und so," fuhr sie fort, .werden Sie mir gestatten.

Wie manche gute alte Sitte, wie mancher frohe,
fromme Brauch verbindet für Alt und Jung fich nicht
mit der schönen Feier der Palmenweihe! Wie hält
man hoch sie und in Ehren, das ganze lange Jahr,
diese gesegneten Zweige und Reiser, sind sie auch noch
so dürr und trocken! Was erwartet man von ihnen
an treuem Schutz für Hof, Mensch und Thier! Mit
welch' heiliger Ehrfurcht trachtet mau sogar an manchen
Orten die geweihten, schlichten Frühlingszw ige, die
frischen Osterpalmen der auferstandenen Natur, nicht
einmal mit bloßen Händen zu berühren, sondern hüllt
die Stiele in ein reines, weißes Tuch, oder trägt
dasselbe wenigstens als Symbol und Rückerinnerung
daneben. Auch in Belgien herrschen eigene, ganz be-
sondere Bräuche, hat man ganz besonderes Vertrauen
zu den Palmzulten — jenen kleinen Buchsbaumzweigen,
dis man am Palmsonntag weihen läßt, um sie als-
dann daheim sorgfältig an's Kruzifix oder den Weih-
wasserkessel zu stecken, oder unters Dach, damit sie
gegen Feuersgefahr schützen, oder aufs Feld gegen
Hagelschlag, und an manchen Orten gebietet fromme
Sitte, die geweihten Palmzulten als Schmuck der
Gräber den verstorbenen Lieben darzubringen.
In Rußland äußert sich der Volksbrauch am
„Weißen-Sonntag" wohl auch feierlich, jedoch gleich-
zeitig auf lustige Weise. Alles läßt Weidenzweige
weihen in der Kirche; ist aber der ernste Festestheil
des Tages vorüber, dann tritt fluggs der heitere in
seine Rechte. Draußen vor der Kirchthüre schon
schwingen die jungen, übermüthigen Burschen ihre
Weidenzweige über Alles, was im Bereich ihres
Armes sich befindet, wobei sie es hauptsächlich auf
das schönere Geschlecht abgesehen haben. „Die Weide
schlägt, nicht ich", ist ihre lachende Entschuldigung;
„in einer Woche ist Ostern". — „Krankheit in den
Wald, Gesundheit in die Gebeine", ist der Wunsch,
den man überall hört und deshalb pflegt man am
Palmsonntage mit Vorliebe als Festgericht zu Brei
gekochte Weidenkätzchen auf den Tisch zu bringen.
Zu Foggia in Italien spielen die Blättchen der
am Palmsonntag geweihten Palmen- und Olivenzweige
eine ganz besonders wichtige Rolle. Dort benützt
man sie nämlich als Orakel, um zu erforschen, wer
von der Familie im Laufe des Jahres leben oder
sterben wird, indem man zu Ostern dke Blättchen auf
glühende Kohlen fallen läßt und bei jedem einen
Namen nennt. Verbrennt das Blättchen ganz, dann
ist dies ein gutes Zeichen, rollt es sich zusammen,
dann gilt es für ein schimmes Omen.
Noch viele ähnlicher Volkssitten ließen sich aus

mich zurückzuziehen" Sie näherte sich einige Schritte der
Thür, aber der Marquis, von ihrer ruhigen Milde be-
schämt, bat sie gänzlich verändertem Tone:
„Bleiben Sie, mein Kind, bleiben Sie, Fräulein Are-
valo, und verzeihen Sie einem alten, schwergeprüften
Manne seine Heftigkeit."
Giralda setzte sich wieder.
„Wer Sie auch sein mögen, ich that Unrecht, einem so
zarten Geschöpf so rauh zu begegnen, aber sagen Sie mir
— was sind Sie Gottfried Trewor?"
„Nichts. Ich hörte seinen Namen gestern Abend zum
ersten Male."
„Und Sie sind nicht seine Tochter?" fragte der Mar-
quis mißtrauisch. „Ihre Augen gleichen auf ein Haar den
seinigen."
„Ich bin nicht Gottfried Trewor's Tochter. Mein
Vater ist ein spanischer Edelmann," erklärte Giralda mit
stolzem Selbstgefühl. „Ich weiß nichts von Gottfried Tre-
wor, als was ich im Dorfwirthshaus und später inner-
halb dieser Mauern hörte."
Der Marquis begann ruhiger zu werden. „Verzeihen
Sie mir," wiederholte er- „aber Sie deuteten an, er könne
noch am Leben sem —"
„Weil Frau Pump in.ihrem Herzen an dem Gedanken
festhält, ihr junger Herr müsse noch leben, und sie mich
beschwor, Ihren Sinn gegen den Unglücklichen milder zu
stimmen, damit er, falls er zurückkehre, keinem racheerfüllten
Empfang begegne."
Auch die letzte Spur des Hasses verschwand aus Lord
Trewor's Gesicht. Er lächelte sogar, als er sich wieder in
seinen Sessel gleiten ließ und den gichtkranken Fuß in
seine Kissen bettete.
«Ja, ja, das ist die alte fixe Idee meiner Haushälterin,"
bemerkte er. „Und dieser Lhorheit der alten Frau und
Ihren schönen blauen Äugen verdanke ich die eben durch-
lebte, atqcheuliche Szene."
„Ich muß Sie angenehm unterhalten haben, Kind-
,O, verzeihen Sie mir, und verlassen Sie mich nicht. Ver-
gessen Sie meine Tollheit, und tragen Sie mir keinen
Gr oll nach. Ach Sie wissen nicht, wie tief die Schlechtig-

verschiedenen Ländern und Orten erzählen; mögen sie,
die im Volkssinn Stätte fanden, indessen immer sein
und lauten und gelautet haben, wie sie wollen — ein
guter alter Brauch ist uns geblieben und wird bleiben,
so lange es Menschen giebt mit Hetzen und ein Jahr
mit Frühling — ob auch die Zeiten wechseln und
Sitten — daß es nämlich jeden Staubgeborenen,
wenn der Tag der Palmen naht, hinauszieht mit ge-
heimnißvollem Triebe, hinaus in das freie grüne
Reich des jugendfrischen Königs Lenz, der draußen
offenen Hofstaat hält für Alle, Vornehin und Gering,
in seinem weiten Prachtsaal der Natur; denn wenn
bei uns zu Lande auch keine eigentliche Sitte herrscht,
die wie auf gut englisch zu London, der stolzen Haupt-
stadt an der Themse kühlem Strande, just vorschreibt,
daß man am Palmsonntag die Osterpalmen der
schlanken Weidenzweige im Triumph wie einen Orden
im Knopfloch — oder eine Frühlingsflagge auf dem
Hute heimwärts trägt, so eilt ja auch bei uns Jeder,
dies Attribut des Frühling als frohe Auferstehungs-
botschaft in sein Haus zu bringen oder wenigstens
zur Augenweide herzlich sich daran von Ferne zu
erfreuen.
Dem freudigen Palmsonntag, dem letzten Sonntag
in der Fastenzeit und vor Ostern, schließt sich die
Woche der Trauer und der Klage, die stille Leidens-,
die Charwoche, an, bis durch düstere Nacht der Auf-
erstehung Morgenroth anbricht, und das Helle Sonnen-
licht einen neuen Tag im Strahlenglanze kündet:
„Mern!"

PM M Mr.
Anläßlich der Arbeiterschutzkonferenz fand, wie wir
gestern bereits unseren Lebern kurz mittheilten, ein
Briefwechsel zwischen dem hl. Vater und dem deutschen
Kaiser statt. Die beiden Briefe sind von so hoher
Bedeutung, daß wir dieselben ihrem vollen Wortlaute
nach hier wörtlich zum Abdruck bringen. Sie lauten :
Berlin, den 8. März 1890.
An Se. Heiligkeit den Papst Leo XIII., Rom.
Erhabenster Pontifex! Die edlen Kundgebungen,
mit denen Eure Heiligkeit stets Ihren Einfluß zu
Gunsten der Armen und Verlassenen der menschlichen
Gesellschaft geltend gemacht hat, geben mir die Hoff-
nung, daß die internationale Konferenz, welche sich
auf meine Einladung am 15. d. M. in Berlin ver-
sammeln wird, das Interesse Eurer Heiligkeit auf sich
ziehen werde, und daß Höchstdieselbe mit Sympathie
dem Gang der Berathungen folgen werde. Unter
diesem Gesichtspunkte halte ich es für meine Pflicht,
keit Gottfried's mir in die Seele schnitt. Und Sie dürfen
mich auch nicht tadeln, wenn mich bei dem Gedanken, der
Verruchte könnte mein Erbe werden, ein Grauen erfaßt.
Was mich in diese wahnsinnige Wuth versetzte, war die
Vorstellung, Gottfried halte sich irgendwo in einer Ver-
kleidung und unter falschem Namen verborgen, um, wenn
ich gestorben bin, mit seinen Ansprüchen hervorzutreten.
Ich glaube wenn das geschähe, würde ich vor Empörung
über das Ungeheuerliche mein Grab sprengen! Ich mag
es nicht dulden, daß er, der mich so tief kränkte, von
meinem Tode Nutzen ziehe, in diesen ehrwürdigen Hallen
Hause und mein Gedächtniß herabwürdige."
„So etwas könnte nie geschehen!" rief Giralda
schaudernd.
„O, wenn er lebte, wäre es nicht unmöglich, Kind.
Doch er ist todt, dessen bin ich gewiß. Aber trotz meiner
Ueberzeugung empfinde ich zuweilen ein Unbehagen. Ich
möchte jenen Detektive sprechen, den Eduard vor Jahren
zur Verfolgung Gottfried's in seine Dienste nahm, mnd
hätte Lust, deswegen nach London zu gehen. Heute ist
Freitag, Montag könnten wir reisen. Die Schmerzen in
meinem Fuß haben nachgelassen."
„Ich habe verschiedene Geschäfte in der Stadt abzu-
wickeln, und werde voraussichtlich eine Woche dort bleiben.
Wollen Sie mich begleiten, Fräulein Arevalo? Sagten
Sie mir nicht, daß Sie noch niemals in der Hauptstadt
waren?"
Giralda zögerte- London, in dem ihre Mutter den
größten Theil ihrer Zeit verlebte, war der Tochter ein
unbekanntes Land. Sie hatte viel von seiner Größe,
seinen prächtigen Baudenkmälern, seinen herrlichen Kunst-
schätzen und seinem nimmer rastenden Leben gelesen, und
diese Stadt der Wunder zu sehen, war einer ihrer Mäd-
chenträume gewesen. „
„Ich weiß nicht, ob es recht ,st, daß :ch hingebe,"
gestand sie offen. „Wenn Mama gewünscht hätte, ich solle
London kennen lernen, würde sie mich einmal selbst mitge-
nommen haben."
Fortsetzung folgt.
 
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