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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 41 - Nr. 50 (19. Februar - 1. März)
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Erscheint tiiglich mit AnSnabmrder Sonn-».Feiertage.
Ebo«»emcntsdreisrnit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
blatt „DerSonntagsbvte" sür Heidelberg monatlich SV H
srü Trägerlobri, durch di e Post bezogen viertelj. X3.80 sranco.

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bewilligung Expedition: Zwingerstratze 7.

k. lli.

Berantwvrll. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

Wklbkks, AaKii, st« N. gkk«k.

Drucku.Berlag von Kebr. Huber inHeidelberg
früher Berleger des Pfälzer Boten.

1890

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am 20. Februar.
Bis Sonntag früh waren 348 Mahlresultnte be-
kannt, davon 83 Ccntrum, 44 Konservative, 12
Reichspartei, 14 Nationalliberale, 10 Freisinn, 17
Sozialisten, 13 Polen, 1 Wilder, 12 Elsässer, 3 De-
mokraten und 1 Däne. 127 Stichwahlen haben
stattzufinden.
Tie weiter einlanfenden Nachrichten bestätigen
durchaus unsere schon am Freitag geäußerte Ansicht,
daß das Cent rum seinen Besitzstand vollständig ge-
wahrt habe, denn sind auch an einigen Orten Stich-
wahlen zwischen Ccntrum und andern Parteien noth-
tvendig geworden, so haben wir auf der andern Seite
den Kartellparteicn verschiedene Mandate schon im
ersten Wahlgange entrissen, und die Stichwahlen wer-
den wahrscheinlich selbst unsere besten Erwartungen
noch übertreffen. Neuerdings hat es sich wieder be-
wiesen, wie fest und sicher der auf religiöser Grund-
lage errichtete Thurm des Centrums steht. Nächst
den Sozialdemokraten, deren Stimmenzahl diesmal
weit über 1 Million beträgt, haben die Freisinni-
gen die meisten Aussichten; sie dürften nach einer
Berechnung, welche Eugen Richter in seiner „Freis.
Ztg." anstellt, etwa 50 Abgeordnete in den neuen
Reichstag senden. Die konservativen Parteien werden
nur geringe Verluste zu beklagen haben, dagegen aber
sind die Nationalliberalen in der empfindlichsten Weise
geschlagen worden. Der Sozialismus hat hauptsäch-
lich ihren Besitzstand bedroht und seine bisherigen
Wahlsiege fast ausschließlich auf kartefiistischem Ge-
biete erfochten, während er in den kath. Kreisen nm-
wenige Erfolge zu verzeichnen hat. Einer der weni-
gen Orte ist Köln, der Sitz der „Köln. Ztg.".
Dieses Organ der anständigen Liberalen hat die Kar-
tcllparteien in der alten Metropole am Rhein soweit
heruntergebracht, daß sie nicht einmal mehr in die
Stichwahl gelangen.
Es darf Niemand Wunder nehmen, wenn in der
nat.-lib. Presse eine förmliche Panik zum Ausdruck
gelangt, denn die himmelhohen Erwartungen, welche
sich an die bekannte kaiserl. Kundgebung im Reichs-
anzeiger zu Gunsten des Kartells knüpften, sind schmäh-
lich zu Schanden geworden, die Nationalliberalen sind
zusammengeschrumpft zu einem kleinen Häuslein; es
zeigt sich eben wieder einmal die Wahrheit des be-
währten Sprichwortes von dem Hochmuth, der vor
dem Fall kömmt. Die „Natioualztg.", das Haupt-
-:: .--«!»!!_-i_. ' i__
Treuer Diebe Koh».
14) Roman von U. Rosen.

(k-chdr. rerb.)
Beatrice war im Begriff in das Studirzimmer einzu-
beten, als in der Vorhalle draußen Schrille hörbar wurden
und ein Mann ungestüm in das Zimmer stürmte und sich
°us dos Sopha warf. Er war zweifellos lener spanische
Gras. von dem der Kutscher gesprochen Halle.
Bon daher stattlicher Gestalt, dunkler Gesichtsfarbe
und rabenschwarzem Haar Halle seine ganze Erscheinung
kttros Gebieterisches.
In sellscmem Gegensatz zu seinem Haar und seiner
südländischen Gesichtsfarbe schimmerten seine Augen in
"ein reinsten tiefsten Blau. Sein Wesen schien zum Hoch-
wuih geneigt, den eine schmerzliche Melancholie milderte
vrck zuweilen ganz verdrängte. Sein Blick war trübe,
wmmeivell und sehnsüchtig, wie der eines aus der Hei-
waih nnd dem Valerlarcke Vertriebenen, der vergebens
*wch der Freiheit und seinem guten Reckte sckmacktet.
Ter Mann war in der Nackbarsckaft als Graf Arc-
nvlo bekannt, haue den Birkenhain, wie die schöne adg»
!k«ene Besitzung hieß, vor vielen Jahren gekauft, und
Is'ther eine stille Eirsidler-vder Gelehrtenexistevz in seinem
^andbous geführt, und weder Bekanntschaften angeknüpst,
^vch Besuche bei sich empfangen-
Während ihr Auge den 'panischen Grafen betrachtete,
ubergoh heiße Röthe ihre Wangen.
„Wie einsam cs deute Abend hier ist. Schon eine
«onzk Wrcke ,st sie nicht hier gewesen/ murmelte der
/ras, die Augen müde schließend, ohne die leeseste Ahnung
von der Nähe des geliebten Weibes.
,. .Beatrice stahl sich aus ihrem Versteck hervor, glitt ge-
Uwsckivs über den Fußboden, schlick hinter die ruhende
Astalt und legte ihre Hände auf die Augen des erstaunten
Mannes. „Errathen Sie, wer ich bin, Herr Graf?" rief
"c lachend.
Ter Graf sprang aus und schloß sie in seine Arme-
s. -oeatrice, lheucre, geliebte Gattin," jubelte er. „Du kommst
solcher Nacht zu uns. Du Einzige."

vrgan der Nationalliberalen malt das rothe Gespenst
an die Wand und ruft ihre eigenen bisher von ihr
so heftig nnd rücksichtslos bekämpften Gegner gegen
die Sozialdemokratie zu Hilfe. Richtig bemerkt die
„Köln. Volksztg.": Nachdem die Nationalliberalen in
den Snmpf gerathen sind, sollen die übrigen antisozi-
alistischen Parteien sie herausziehen; das Blatt bean-
sprucht dabei sogar die Hülfe des Centrums, ist indeß
so gütig, dafür auch dem Centrum die Unterstützung
der Nativnalliberalen bei den Stichwahlen zu verspre-
chen. Ter Vorschlag, daß bei den zahlreichen bevor-
stehenden Stichwahlen alle bürgerlichen Parteien gegen
die Sozial-Demokratie zusammenstehen sollen, ist ja
an und für sich ganz vernünftig, aber unter den ge-
genwärtigen Umständen bedeutet er praktisch nichts
anderes, als die Zumuthung, den Nationalliberalen den
größten Theil ihrer gefährdeten Mandate zu retten ;
denn die Nativnalliberalen kommen an bei weitem
mehr Orten mit den Sozial-Demokraten in die Stich-
wahl als alle andern Parteien zusammengenommcn.
Die offiziösen Blätter fangen Angesichts des Wahl-
ausfalles bereits an, mit der Abschaffung des all-
gemeinen Wahlrechts zu drohen. Die „Hamb.
Nachrichten," welche bekanntlich dem Reichskanzler sehr-
nahe stehen und oft die „Nordd. Allg. Ztg." ersetzen
müssen, polemischen gegen das allgemeine Wahlrecht,
welches der Stimme des Straßenkehrers dieselbe Ent-
scheidung gebe Ivie der Stimme des Fürsten Bismarck.
Das offiziöse Blatt droht alsdann wie folgt: Das
allgemeine gleiche Wahlrecht abzuschafsen oder zn ver-
ändern, ist fast unmöglich, falls nicht, was uns er-
spart bleiben möge, das Anschwellen der Sozialdemo-
kratie, die Dreistigkeit ihrer Provokation über kurz
oder lang zu einer Revofte, und die Niederschlagung
dieser zu einer Reaktion führt, bei der es dann aller-
dings leicht zu einer neuen Wahlgesetzgebung kommen
könnte." — Herr Wo ermann, der bekannte nat.-
lib.. Abgeordnete von Hamburg, ist durch seine Wahl-
niederlage (er hat seinen Wahlkreis an einen Sozial-
demokraten verloren) bekehrt worden; als er den für
ihn so ungünstigen Ausfall der Wahl erfuhr, sagte er
in einer öffentlichen Versammlung wörtlich Folgendes:
„Es ist eine eigenthümliche Macht, die uns besiegt
hat, und es ist mir der Gedanke gekommen, ob es
wirklich richtig ist, daß wir erst nach fünf und
nicht nach drei Jahren znrWahl un s wie-
der z u sa mm en f ind en." Dasselbe wird sich
heute noch so mancher aus dem Abgeordnetensessel ge-
worfene Nationalliberale sagen. — Wie die Unzufrieden-
heit der Arbeiter geradezu künstlich erzeugt und die

„Ja. mein Gemahl," awwortcte Beatrice mit strahlen-
dem Blick. „Glaubst Du, der Sturm vermöchte mich Dir
fern zu halten? Je finsterer und düsterer cs draußen ist,
je wüthender es um mick her tobt und stürmt, desto mehr
bedarf ich sür mein Gemüth des Lichtes und der Freude".
Wieder und wieder schloß der Graf Beatrice an sein
Herz, ehre Lippen mit heißen Küssen bedeckend, und sie
immer und immer wieder sein geliebtes Weib nennend.
Das also war das Geheimniß Beatrice Bcrril's, das
Räthsel ihrer Abwesenheit aus dem Vaterhause, welches
den alten Grafen in so tiefe Bestürzung und großen
Kummer versetzt, Lord Ormond mit fieberhafter Neugier
ersüllt hatte, und die Ursache ihres abweisenden Hochmrr-
Ihcs der Sckaar ihrer Bewerber gegenüber-
Die Tochter des Grasen Berril führte in der That
ein doppeltes Leben. In der einen Existenz war sie die
kalte unnahbare Königin der Gesellschaft, in der anderen
war sie das zärtlich liebende Weib, der Abgott ihres Gatten,
der Sonnenschein seines Hauses.
„Setze Dich neben mich, Geliebte," rief der Graf mit
einer Inbrunst, die bewies, wie tief aus dem Herzen seine
Zärtlichkeit kam. „Du bist doch nicht zu Fuß vom Bahn-
hof hierher gewandert- Wenn ick an die Möglichkeit
Deiner Ankunft gedockt hätte, würde ich Dir den Ponh-
wagen cntgegengeschickt haben. Aber trotz aller der wun-
derbaren Beweise Deiner Thatkraft, Deines Muthes und
Deiner Opserfreudigkeit, verstehst Tu es dennoch, mich
stets wieder durch neue Proben derselben zu überraschen,'
während ich heute wie allezeit als der Beschenkte, der Em-
pfangende vor Dir stehe."
„Mache Dir keine grundlosen Vorwürfe, Theuerster,"
sagte Beatrice' sich an den Gatten lehnend- „Ich fuhr in
einem Miethwagen bis zur Gartenthür, schloß mir das
Psöltchen auf und gedachte ganz unerwartet in Eure Mitte
zu treten und —"
„Deine Ankunft bat auch beute Niemand von uns ge-
ahnt. Ich zog mich jetzt eben hierher zurück, um van Dir
zu träumen. Wie werde ich Deine Hingebung jemals
vergelten können. Beatrice?" Er ergriff ihre schlanken
weißen Hände, auf welchen nur ein einziger goldner Reif

Leute der Sozialdemokratie in die Arme getrieben
werden, beweisen die Vorgänge bei der Rerchstags-
wahl in Hörd e. Die „Tremonia" berichtet darüber:
„Die Wahltyranneien sind in Hörde (Westfalem scham-
loser denn je gewesen. Au den Wahllokalen waren in
Hellen Haufen postirt Obermeister und Meister der
Hörder Hütte. Gegen die frühem Jahre war eine
Aeuderung diesmal in so fern eingetreten, als man
den Arbeitern nicht mehr auf dem Werke die Zettel
einhändigte, sondern erst vor der Thüre resp. im Flur
vor dem Wahllokal. Dort erhielt also der Arbeiter
seinen Zettel, mußte durch die Spalier bildende Kette
der Beamten und wurde auch in den Wahllokalen von
ungefähr einem Dutzend Beamten der Hörder Hütte
so scharf beobachtet, daß ein Umtausch des Zettels nickt
möglich war. Und was waren das für Zettel? Bis
gegen Nachmittag 3 Uhr wurden große Zettel in läng-
licher Faltnng nnd von hellweißem durchsichtigem Pro-
patri-Papier ausgegeben. Der Name war so scharf
gedruckt nnd der Zettel so gefallen, daß man deutlich
den Namen des nat.-lib. Kandidaten Tbeodor Möller
aus Kupferhammer bei Brackwede dnrchlesen konnte,
ohne den Zettel Zn entfalten. Das war um so mehr
der Fall, wenn das betr. Mitglied des Wahl-Vor-
standes, welches den Zettel annahm, denselben in „ge-
schickter" Weise gegen das Licht zu wenden wußte.
Als von Seiten der Centruinspartei ähnliche Zettel
nachgemacht und inwendig überklebt wurden mir dem
Namen unseres Kandidaten Wulfs, erscholl gegen 3
Uhr das Kommando: Zettel wechseln, von den
langen Zetteln nichts mehr ausgeben. Nun ging's
an das Vertheilen der neuen Zettel. Dieselben waren
in großer quadratischer Form aus gelbem Papier,
aber wiederum so künstlich durchgedrnckt und gefallen,
daß man den Namen des Hrn. Möller deutlich lesen
konnte, ohne den Zettel zu öffnen. Kein Arbeiter
konnte also anders als diesen Zettel abgeben, wenn er
seine eigene politische Ueberzeugnug nicht verrathen
wollte. Alle Gegenmittel erwiesen sich Lei diesen nat.-
lib. Wahlmittelchen wirkungslos. Wir haben kathol.
Arbeiter gesprochen, die gewiß unser» Kandidaten ge-
wählt hätten, die uns aber zähneknirschend sagten, daß
sie um des lieben Brodes willen diesen schändlichen
Wahltyrauneien znm Opfer gefallen seien. Was wir
hier schreiben, beruht auf eigenen Wahrnehmungen und
Feststellungen, es ist nicht allein nicht übertrieben,
sondern wurde durch die Wirklichkeit weit überboten.
Eine Kollektion dieser Hörder Zettel ist in unserm
Besitz und wird au der richtigen Stelle schon zur
Berwerthnng kommen. Man muß es hören, welche
sichtbar wer, Vereinfache Trauring, den sie angesteckt batte,
als sie ihre gegenwärtige Kleidung anlegte.
„Wie großmüthig Du nun wieder meine bescheidenen
Verdienste übertreibst," entgegnete Beatrice mit einem
leichten sorglosen Luchen. „Ich dachte vorzugsweise an
mich selbst, als ich hierhereilte. Ach es war so düster und
beengend in unserem Palast, und ich selbst war verstimmt,
in trüber ungeselliger Laune, und so machte ich mich auf
den Weg zu Euch, um mich aufheitern zu lassen, Du
Guter."
„Du in trüber ungeselliger Laune, Beatrice?" fragte
der Graf ungläubig „Du, mein Sonnenlicht. Du. der
Schutzengel meines Hauses, mit dem immer strahlenden,
frohen Gesicht! -
„Auch die Sonne hat ihren Schatten, wie DuMeißt,"
„Das ist wahr, Beatrice, und auch Du mußt Stunden
düsterer Schwermulh haben, wie ich, doch bin ich nur zu
geneigt, das zu vergessen, weil Du bei mir stets wie dee-
belebende Früblinashauch, wie das Glück selbst erscheinst,
das Segen und Gedeihen um sich her verbreitet. Ich bin
so sehr daran gewöhnt, mich aus Dich zu verlassen, mich
auf Deine Kraft ruck Deine Weisheit zu stützen, daß ich
in meiner Selbstsucht gar nicht mehr daran dachte, auch
Dich könnte zuweilen eine Schwäche anwandeln."
„Mein Herz ist niemals schwach," fiel ihm Beatrice
ernst, doch mit unaussprechlicher Zärtlichkeit in s Wort.
„Daß Du Dich auf mich stützest, ist die Ouelle meenes
Muthes und meiner Kraft, aber ick wollte, wer dürften
unsere Heirath eingestehen. Um Deinetwillen wünschte
ich es."
„Ich bin zufrieden, wie es ist, Beatrrce. Zu wissen,
daß Du mir gehörst, ist mir Seligkeit. Wie oft lese ich
in den Zeitungsberichten über die Vorgänge in der vor-
nehmen Welt, von der hochmüthigen unnahbaren Gräfin
Beatrice Beril, ihrem unbegreiflichen Eigensinn, unver-
mählt zu bleiben, und mein Herz bebt vor Entzücken,
daß diese stolze Dame mein süßes Weib, die Mutter meiner
Kinder ist."
Mit überströmendem Gefühl drückte der Graf seiner
Gattin einen Kuß auf die Stirn. (F, f.)
 
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