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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 31 - Nr. 40 (7. Februar - 18. Februar)
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Erscheint täglich mit Ausnahme der Soun-u. Feiertage.
Abv«aeme»tSpreiS mit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
glätt „DerSonntagsbote" für Heidelberg monatlich KV
^it Trügerlobn, durch die Post bezogen viertel;, 1.80 franco.

Orgm für Maßrlmt, FMeii L KeM.

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anzeigen. sowie sür Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt¬
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.

--

1890.

Verantwort!. Redakteur: F. I. Knappe
in Heidelberg.
Mbkrs, MW, iki II. Mmr.
Druck u. Verlag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

Gesinnungsgenossen!
Ter Aufruf des Vorstandes der Ceutrumsfraktiou
u» deutschen Reichstage ist Euch bekannt. Derselbe
enthält das Parteiprogramm und richtet an Euch
Alle den eindringlichsten Appell, diesem treu zu bleiben
und am 2V. d. Mts Man« für Man« an der
Arne zn erscheinen.
Im engsten Anschluß an diese Kundgebung der
Eentrumspartei im deutschen Reiche, für deren Inhalt
auch wir rnckhaltslos eintreten, richten wir an unsere
Gesinnungsgenossen im Lande Baden den Mahnruf,
nicht nur am Wahltage selbst, sondern jetzt schon in
der Zwischenzeit alle Kraft aufzubieten, damit möglichst
viele Centrumskandidaten gewählt und das sog. Kar-
tell lahmgelegt werde.
Auch wir erblicken das größte Heil für Deutsch-
land darin, daß christ-gläubige Grundsätze auf allen
Gebieten des Lebens, vorab in Unterricht und Er-
ziehung, gefördert und zur Richtschnur genommen
werden.
Zu diesem Zwecke fordern wir, daß bei bürger-
licher und politischer Gleichberechtigung aller Konfes-
sionen, auch der katholischen Kirche volle Frei-
heit der Bewegung im ganzen deutschen
Reiche gegeben und gewährleistet werde, damit die-
selbe die segensreiche Wirksamkeit aller ihrer Organe
und Genossenschaften unbehindert entfalten könne.
In dieser Beziehung ist es für uns Badener be-
sonders Grwisscuspflicht und zugleich Ehrensache, daß
auch der letzte Wähler von der Waffe des Wahlzettels
gegen das Kartell Gebrauch mache; denn was die
Ordensthätigkeit betrifft, so steht bekanntlich Bade»
in Folge des Verhaltens der Kartellparteien nicht
nur hinter allen andern deutschen, sondern sogar
hinter allen rivilisirtin Staaten der Welt zurück! —
Auch wir treten sür die Macht und Gröhe
des Reiches entschieden ein. Wir »vollen aber auch
an den sür die bürgerliche Freiheit bestehenden
Garantien gegenüber allen Staatsangehörigen — ohne
Ausnahme — sesthalten. —
Wir lassen uns keineswegs beirren durch die un-
erhörte Verdächtigung von Seite des Wahlaufrufs
der badischen Nationalliberalen, wonach in unserem
Programm das Wort „Deutsch" nur „römisch-deutsch"
und das Wort „Freiheit" nur soviel als „Freiheit
sür die Herrschaft Roms" bedeute. Diese Behaup-
tung ist, angesichts der dem ersten Unterzeichner des
Centrumsprogramms, unserm edlen v. Franckenstein
gerade wegen seines Patriotismus gewordenen kaiser¬

lichen Anerkennung, eine beispiellose Anmaßung, auf
welche diese Erbpächter der Freiheit und Duldsamkeit
gegen Andersdenkende hoffentlich von den Wählern die
gebührende Antwort erhallen werden!
Daß die Vortheile der gegenwärtigen Wirt-
schaftspolitik, für welch' letztere wir im klebrigen
cinstehen, nicht nngebürlich ausgenützt werden, viel-
mehr eine Vermehrung von Lasten und Stenern ver-
mieden und bestehende Härten möglichst beseitigt
werden, muß der Gegenstand unserer beständigen
Sorge sein.
Unser Bestreben ist, ein richtiges Verhältniß zwischen
der Besteuerung des Einkommens und derjenigen der
Verbrauchsgegenstände seitens der zuständigen Gesetz-
gebungsfaktoren herbeizuführen.
Landwirthe! Handwerker! Euere Interessen
werden auch ferner beim Centrum eifrigst wahrgenom-
men werden. — Aber auch die Arbeiter mögen sich
vertrauensvoll uns anschließen! Das Centrum ist un-
bestritten diejenige Partei, welche zuerst den Schutz
des Arbeiters durch Gewährung von Sonntagsruhe
und Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit ver-
langt hat und welche in dem Bestreben, das Wohl
des Arbeiterstandes zu fördern, von keiner Seite über-
troffen wird.
Gcfinrnmgsgcuofseit! vereiniget Euch, da wo
die eigene Kraft nicht ausreicht, nm das Kartell zu
schlagen, ohne Rücksicht auf die sonstige Verschieden-
heit der Auffassungen mit derjenigen Partei, auf die
wir bei diesem Wahlkampf in Folge des Kartells an-
gewiesen sind. Denn von dieser Seite können wir
mit Zuversicht Unterstützung vom Standpunkt der
Freiheit und der Toleranz erwarten. —
Drum auf Gesinnungsgenossen! bleibeKeiner zurück!
Die diesmaligen Wahlen gelten durch die Schuld der
Kartellparteien für fünf Jahre! Tretet furchtlos und
treu zur Wahlurne unter dem altbewährten Wahlspruch:
Mit Gott für Wahrheit, Freiheit «nd Recht!
Im Februar 1890.
Das Central-Komitee der Centrumspartei
in Baden.
Deutsches Reich.
Berlin, 9. Febr. Am Freitag fand ein
Ministerrath unter Vorsitz des Fürsten Bismarck
statt. — Der „K. Volksztg." zufolge, verlautet in
parlamentarischen Kreisen, daß der - Gesetz-Entwurf
betreffend Verwendung der Sperrgelder im Kultus-
ministerium ausgearbeitet und vielleicht noch heute
Nachmittag im Ministerrath unter dem Vorsitz des

Fürsten Bismarck berathen werde. Derselbe soll dem
Landtag in den nächsten Tagen zugehen. Im Wider-
spruch zu dieser Mittheilung steht die offiziöse Aus-
lassung, nach welcher sich der alle Theile befriedigenden
Verwendung der Sperrgehder erhebliche Schwierigkeiten
entgegenstellen, und es scheine, daß das schon so oft
angekündigte Gesetz noch im weiten Felde, jedenfalls
aber auch in dieser Session nicht zu erwarten sei.
Offiziöse Aeußerungen lassen vermuthen, daß der Ge
danke, die angesammelten Sperrgelder zn katholischen
Kirchenzwecken, namentlich zu Kirchenbauten zu ver-
wenden, zwar anfgetaucht, aber an irgend einer Stelle
auf Widerstand gestoßen ist, weit man fürchtet, daß
die Verwendung eines so bedeutenden Fonds für ka-
tholische Zwecke wie eine Benachtheiligung der evan-
gelischen Kirchen erscheinen (!!) und bei dieser den
Wunsch nach Gewährung von Staatsmitteln wacki-
rufen werde. Der Sperrgelderfonds beträgt nach der
dem Abgeordnetenhaus soeben zugegangenen lieber-
sicht 15,938,580 Mark. — Der „Nordd.' Allg. Ztg."
zufolge ist der vom Kirchenvorstand der katholischen
Marienkirche in Hannover zur Deckung der fehlenden
Baukosten erbetene Staatsbeitrag bewilligt worden.
Berlin, 9. Febr. Die Einberufung des
^Staatsraths soll dem Vernehmen nach unmittelbar
bevorstehen. — Fürst Bismarck hat, Ivie die national-
liberale Münchener „Allg. Ztg." berichtet, auf dem
Kaiserdiner eine bemerkenswertste Aeußeruug fallen
lassen. „Der Kaiser", sagte der Fürst zn einigen
Abgeordneten scherzhaft, „hat mich recht lieb, aber
imponi reu k ann icb ihm doch nicht". Vielleicht
unterläßt es nun künftighin die offiziöse Presse, Volks-
vertreter, wenn sie sich einmal nicht vom Fürsten
Bismarck imponiren lassen wollen, darum Reichsfeinde
und Landesverräther zu schelten. — Mit Major
Liebert gehen noch zehn Offiziere und dreißig Unter-
offiziere nach Afrika, die Lieutenants Scherner,
Heymons, Zitzewitz, Hogrefe, von Elpons, Schenk,
Podlech, Bürger, Wolfram, von Knesebeck. Außerdem
Assistenzarzt Steuber. Die Abreise erfolgte heute.
Danach scheint wirklich noch eine Vergrößerung der
Wißmann'schen Expedition bevorzustehen. — Der auf
der kaiserlichen Werft in Danzig neuerbaute Kreuzer
wurde gestern Mittag von dem Oberwerftdirektor
Schulze auf kaiserlichen Befehl „Bussard" getauft und
hierauf zn Wasser gelassen.
* München, 8. Febr. Der Dekan Pfarrer
Stempfl, welcher die Artikel „Der rasende See"
im bayerischen „Vaterland" und in einer Broschüre
gegen den Katholikentag und die kirchenpolitische Aktion

2)

Treuer Kiebe Ko n.
Roman von U. Rosen.
<N»tzdr. Verb.)
„Weil er cS nicht wagte," unterbrach Beatrice ihren
Vater mit einem eisigen Lächeln. .Ich liebe Eduard
Ormond nicht, Papa. Er ist trotz seiner jahrelangen
Werbungen um mich falsch und bösen Herzens und kehrte
nur nach England zurück, mich auf's Neue mit seinen
Periodischen Verfolgungen zu quälen- Ich vermuthe, daß
er des ziellosen llmherschwärmens müde ist, und seine
geleerten Koffer einer Füllung bedürfen. Von allen
Meinen Bewerbern ist er mir der Unsympatischste. Ich
muß Dir wiederholen, was ick Dir und ihm schon so
oft gesagt habe: Ich werde niemals heirathen!"
„Und weshalb nicht?" fragte der Graf ungeduldig "
»Vergegenwärtigst Du Dir, daß die Zeit nicht stille steht,
und Du an Jahren zunimmst? Wie lange wird es dauern
Aid Dein Haar färbt sich silberweiß, und jüngere, schönere
Rivalinnen verdunkeln und verdrängen Dich in derGesell-
chast. Ich bin ein alter Mann, dem nur noch eine kurze
Frist beschützen sein kann, und Du wirst allein, die letzte
unseres stolzen Geschlechts, ungeliebt Zurückbleiben, um
0n freudloses Dasein zu vertrauern- Ich sehne mich da-
uoch, meine Tochter als die Herrin eines eigenen Haus-
halts, eine glückliche Gattin und die Mutter lieblicher
Kinder zu sehen. Ist cs möglich, Beatrice, daß Du noch
'Mmer jenen mißleiteten Gottfried Trewor, den unwürdi-
gen, entarteten Sprößling einer edlen Familie, den Dieb,
den Meuchelmörder, beweinst?"
„Halt ein, Papa!" rief Beatrice mit heißem Erröthen.
-Ich trage kein Verlangen darnach, Gottfried Trewor's
Romen nennen zu hören. Man sagt, der Unglückliche sei
tvdt."
„Ja, er ist todt," sagte der Graf nachdenklich „Der
Krme starb vor vielen Jahren in der Fremde! Trotz
«llem, was geschehen ist, kann ich nicht umhin, ein tiefes
Mitleid für ihn zu empfinden. Er war nicht viel mehr
°ls ein Knabe, da sein Geschick eine traurige Wendung
^hm. Der Unglückliche war zu einem edlen rechtschaffenen

Mann, zu ehrenwerthem Charakter angelegt. Strenge und
der Einfluß böser Gesellschaft stürzten ihn in's Verderben.
Hätte sein Onkel ihn weniger gehaßt, oder ihn seines Ver-
brechens wegen weniger rachsüchtig verfolgt, so wäre Gott-
fried vielleicht jetzt noch am Leben, u. glücklich u. geachtet
in unserer Mitte. Ich tadle Dich nicht, meine Tochter,
daß Du ihm eine liebevolle Erinnerung bewahrst, denn
Dir stand er näher als irgend Jemandem, er war Dein
Bräutigam und Du liebtest ibn, aber da er sich Deiner
unwürdig erwies, sollte Dein Kummer sich zu dem Gefühl
des Bedauerns für seine Schwäche und Thorheit herab-
stimmen. Nicht alle jungen Leute sind leichtsinnig wie er.
Du warst fast noch ein Kind, als er verschwand. Gieb endlich
den Kultus mit dem Andenken des Verstorbenen auf,
Beatrice."
„Ich bin nicht romantisch, Papa," bemerkte Beatrice
trocken. „Du sagst, nicht olle junge Leute sind wie Gott-
fried, und meinst dawit, daß Eduard Ormond von den
Fehlern urd Schwächen seines Vetters nichts besitze. Ja,
ich weiß es, Lord Ormond ist nicht schwach, aber es ist
nicht die Stärke allein, die ich an einem Manne liebe und
schätze. Die Wahrheit ist, daß meine Freiheit mir höher
steht als Alles. Ich bin nicht zur Liebe geschaffen, mir ge-
nügt cs, bewundert und verehrt zu werden, denn ich habe
kein Herz zu verschenken."
Sie sprach müde und mit Anstrengung. In ihren
dunklen Augen brütete eine seltsame Traurigkeit.
„Weßhalb mußt Du die langgenährte Hoffnung, Lord
Ormond meinen Sohn nennen zu dürfen, enttäuschen,
Beatrice?" fragte ihr Vater voll Bitterkeit. „Er ist der
beständigste Deiner Freier und ich schätze ihn höher als alle
übrigen. Hast Du gar keine Liebe für mich, keine Rücksicht
sür die Wünsche Deines alten Vaters? Denke an Dich
selbst, mein Kind! Was würde die Gesellschaft von Dir
sagen, wenn wüßte, daß Du dem eigenen Vater ein uner-
gründetcs Geheimniß bist? Ich habe einen seltsamen Arg-
wohn, Beatrice —"
„Einen Argwohn, Papa? Einen Argwohn, der sich
gegen mich richtet?" rief Beatrice erregt. Eine zornige

Röthe färbte ihre Wangen und halb erstaunt, halb er-
schrocken starrte sie dem Grafen in's Gesicht.
„Ich», liebe das Wort Argwohn in Verbindung" mit
dem Namen meiner Tochter nicht," entgegnete der Vater-
verwirrt. „Allein, welches andere Wort würde meine
Meinung so genau ausdrücken? Ick weiß nicht, was ich
von Dir denken soll, Beatrice. Du bist nicht was Du
scheinst. Als Lord Ormond vor fünf Jahren hier war,
sagte er mir, daß Du ein doppeltes Leben führtest. Seine
Andeutungen sind mir hundert Mal durch meine eigene
Beobachtung bestätigt worden. Du bist etwas ganz An-
deres, als wofür Du Dich ausgiebst."
Beatrice fuhr auf. Ihr Blick suchte die tänzelnden
Flammen des Kamins auf, als ob sie fürchtete, ihre Seele
könnte sich durch die Augen verrathen. „Ich verstehe Dich
nicht, Papa," murmelte sie.
„Ich will mich bemühen, mich Dir zu erklären," ent-
gegnete der Graf- „Du stehst an der Spitze meines Haus-
halts, empfängst unsere Gäste, präsidirst unseren Bällen
und Gesellscvaft und erfüllst alle diese Pflichten mit Nn-
muth und Würde, ich selbst aber habe sehr wenig von
Dir. Tag für Tag, Abend für Abend beliebt es Dir, Dich
geheimnißvoll in Deinen Gemächern einzuschließen, zu
Welchen Du Niemandem Zutritt gestattest. Keine Botschaft
dringt dann zu Dir, kein Lebenszeichen von Dir verirrt
sich dann hinaus zu uns. Es ist als ob Deine Wohnung
ein Grabgewölbe wäre. Wie oft habe ich an Deine Thür
geklopft, ohne eine Antwort zu erhalten. Bei meinem
letzten Gichtanfall, ließ ich Dich rufen, mein Zustand war
bedenklich und dennoch kamst Du stundenlang nicht zum
Vorschein, schicktest Du nicht eininal einmal. Dich nach
meinem Befinden zu erkundigen. Wo ist die Lösung dieses
Geheimnisses, Beatrice?"
Die Tochter des Grafen verharrte m regungslosen,
Schweigen wie eine Bildsäule.
„Ich habe versucht mir diese Frage selbst zu beant-
worten," fuhr der Graf fort.
(Fortsetzung folgt)
 
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