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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 91 - Nr. 100 (23. April - 3. Mai)
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K IN.
: Berarrtwortl. diedakreur: F. 2. Knappe
i« Heidelberg.
Wkibng, smfts, ki Z. M
Druck u. Verlag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.
1890.
-
s

Treuer Kiebr Kohn.
Roman von U. Rosen
ltt-chdr. tcrb.j
K. .Wollen Sie nicht lieber mit uns fahren? Ich nehme
'k sehr gern das Stückchen Weges mit."
h, .Nein, ich danke Ihnen," entgegnete das Mädchen,
u laut pochendem Herzen, „Ich ziehe es vor, zu gehen."
tz, In demselben Augenblick sprang einer der Männer
dem Wagen und näherte fick Giralda, die in dem
k,Etonsjül menden sogleich Lord Ormond erkannte. Mit
Schrei des Entsetzens wendete sie sich von ihm ab,
davon,ulausen. Lord Ocmond jagte ihr nach, und in
^lgen Minuten hatte er sie erreicht und am Arm erfaßt,
igj. -Ick sehe. Sie fürchten sich vor mir." bemerkte er, sie
ktz/.kch nach dem Wagen schleppend. „Sie dachten mir zu
dk^AüPfen, find aber nur in eine Schlinge gefallen, aus
r Sie sich nicht mehr befreien können!"
b<u L^°^n Sie mich gehen, o, lassen Sie mich gehen,"
tz- Giralda in wahnsinniger Angst. „O, Mylord, wenn
die Gnade des Himmels hoffen, lassen Sie mich
ss^.Drmond blickte erbarmungslos in das geängstigte Ge-
itv„.dks Mädchens. „WollenSie meine Gattin werden?'
Ne er.
tdirr -Niemals! Niemals!" ries Giralda verzweifelt. „Si e
jg, daß ,ch es nicht kann. Sie haben kein Recht
ist!? °uf diese Weise zurückzuhalten. Ich verlange meine
"deit wieder."
iq. -Perkins," gebot Ormond, „gieb auf die Pferde Acht,
lki.wkrde nach dem Mädchen sehen." Giralda in die Höhe
P», schab xr sie in den Wagen, und sprang ihr nach.
-Dos Mädchen stieß einen lauten Angstruf aus.
l>rvs."S'k ,hüten besser, still zu fein," warnte Ocmond mit
fej^dem Ton, und die ganze teuflische Grausamkeit
Ivla, Natur sprach aus Blick und Geberde. „Noch ein
iir »^.Schrei, und ich werde mich gezwungen sehen. Sie
^belu, mein schönes Fräulein."
dich L^olda war einen Augenblick stumm vor Entrüstung
Grauen.

° In „AckilnfkintU",
M welchem die sozialdemokratischen Führer den 1. Mai
Ampeln wollten, um an demselben große Heerschau
dber ihre Anhänger, die Freunde einer absoluten, ge-
waltsamen Lösung der Arbeiterfrage zu halten, ist in
Heidelberg ruhig und ohne jegliche Störung zu Ende
gegangen. Wie er an anderen Orten, wo die Indu-
strie die Arbeitermassen auf einem engen Raume um
ach versammelt, abgelausen ist, wird der Telegraph
^vhl in der kommenden Nacht und den nächsten Ta-
Hrn berichten, hoffentlich bringt er keine Hiobstposten
Und bestätigt unsere bis jetzt noch festgehaltene Erwar-
tung, daß die ganze in so großartigem Stile geplante
Demonstration an der Uneinigkeit ihrer Veranstalter,
dl Grunde geht oder bereits zu Grunde gegangen ist.
M Deutschland trägt die sozialistische Partei die volle
Verantwortlichkeit für alle Vorgänge des heutigen
Dages und die weitern Folgen desselben. Die Erklä-
rung der Fraktion war eine äußerst zweideutige, denn
fahrend sie in ihrem ersten Theil von der Einstellung
Arbeit abräth, heißt es in ihrem zweiten Theile:
^Vo immer man eine Arbeitsruhe ohne Konflikte er-
wirken kann, da möge es geschehen."
. Wir wissen noch nicht, in welchem Umfange die
Arbeit am heutigen Tage eingestellt worden ist, aber
-hon die Absicht hat eine grundsätzliche Bedeutung,
^eil sie die gesetzlich verbürgte Gleichberechtigung der
Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufheben will und das
^erlangen bethätigt, einseitig das Arbeitsverhältniß
iu bestimmen ohne Rücksicht auf den Willen und die
^stressen des Arbeitgebers und das ist — jeder gc-
^cht urtheilende Mensch wird uns beipflichten — ent-
'hieden zu mißbilligen. Eine Agitation für Verkür-
zung Arbeitszeit ist an sich nichts Sozialistisches,
?ber diese Agitation ist den Sozialdemokraten nur
Mittel zum Zweck. Es hat eine Zeit gegeben, in der
k'u Theil der sozialdemokratischen Führer selbst die
, Station für verkürzte Arbeitszeit verspottete als ein
,Ügerisches Mittel, welches den falschen Glauben er-
??cke, als ob in der bestehenden Gesellschaftsordnung
lUpch vereintes Vorgehen etwas erreicht werden könnte.
leugnen, scharf befragt, auch nicht, daß eine Ver-
Arzung der Arbeitszeit auf 8 Stunden im Wege des
Gesetzes nur dann einen Werth habe, wenn dabei
UUndestens der bisherige für die längere Arbeitszeit
Zahlte Lobn beibehalten und zugleich die Sicherheit
esUkährt wird, daß unter solchen Bedingungen, welche
Arbeit wesentlich vertheuern, sich auch in genü-
^>der Zahl Unternehmer finden, die überhaupt noch

arbeiten lassen. Ist letzteres nicht der Fall, und wir
bezweifeln es, dann ist die ganze Agitation für den
Achtstundentag eine verderbliche, da der Staat doch
keinen Privaten zwingen kann, zu dem von ihm vor-
geschriebenen Bedingungen arbeiten zu lassen. Alsdann
bleibt nur die Aussicht auf Aufhebung aller Privat-
betriebe und die Verstaatlichung der gesummten Arbeit,
d. h. die Verwirklichung des sozialistischen
Staates. Nur als eine Vorstufe zu diesem wird
daher auch die in den Arbeiterversammluugen vom 1.
Mai von der sozialistischen Parteileitung vorgeschrie-
bene Agitation sür den 8stündigen Arbeitstag ange-
sehen.
Auch wenn heute (was wir zur Zeit, in der wir
diese Zeilen schreiben, noch nicht wissen) die äußere
Ordnung überall aufrecht erhalten worden ist, bleiben
die Vorgänge des l.Mai nicht ohne nachtheilige Fol-
gen sür die Arbeiter selbst. Die Arbeitgeber werden
schließlich verdrießlich. In dem Maße, wie die So-
zialisten jetzt eine geräuschvolle Agitation für eine un-
möglich allgemein und gleichartig einzuführende Ver-
kürzung der Arbeitszeit herbeiführen, schädigen sie alle
Bestrebungen auf Arbeitszeitverkürzung überhaupt,
weil in dem Maße, wie solche Manifestationen gelin-
gen, bei den Arbeitgebern die Ueberzcugung Platz grei-
fen muß, daß auch das bereitwilligste Entgegenkommen
in einer möglichen Verkürzung der Arbeitszeit bei
den Arbeitern nicht Zufriedenheit, sondern nur das
Verlangen erweckt, eine Arbeitszeit herbeizuführen, bei
welcher die große Mehrzahl der Unternehmer absolut
nicht bestehen könnte. Tritt letzteres ein, dann haben
die Sozialdemokraten gewonnenes Spiel.
Deutsches Reich.
München, 1. Mai. Das „Münch. Fremdbl."
schreibt an hervorragender Stelle: Gegen die Abhal-
tung des deutschen Katholikentages in Mün-
chen werden, wie wir hören, von Seiten der Regier-
ung und jener Kreise, welche sich mit den Anschau-
ungen der Regierung und des Hofes zu identifiziren
pflegen, zur Zeit alle Hebel in Bewegung gesetzt.
Wenn in einer Privatdepesche der „Frkf. Ztg." der
Hochwst. Herr Erzbischof vorgeschoben und vom ihm
gesagt wird, er halte die Abhaltung eines Katholiken-
tages in München sür „politisch unzeitgemäß," so
weiß man, was davon zu halten ist. Nicht der soeben
erst in München Ungezogene neue Oberhirt, sondern
ganz andere Kreise suchen den Katholikentag um jeden
Preis fernzuhalten. Daß solche Bestrebungen nicht
den Interessen der Katholiken und der kath. Partei
„Perkins," befahl Ormond, „steige ab, und reiche den
Shwal und die Reisetasche der jungen Dame herein,"
Der Diener gehorchte.
„Was bedeutet diese empörende Beleidigung?" fragte
Giralda mit wiedergewonnener Selbstbeherrschung. „Wollen
Sie mich zu Lady Beatrice B.rril bringen, Mylord?"
„Nein, ich beabsichtigte nur. Sie zu meiner Frau zu
machen. Ihre Zurückweisung verfehlt jede Wirkung auf
mich, und ändert nicht das Geringste an meinen Plänen.
Sie sind noch ein halbes Kind und verstehen Ihr eigenes
Herz nickt. Ein wenig Strenge wird sie zur Vernunft
zurückrufen, meine Kleine "
„Keine Strenge in der Welt wird mich dazu vermögen.
Sie zu heirathen," versicherte Giralda mit bebenden
Lippen.
„So werde ich Sie jedenfalls als Geißel zurückbehalten
und ein Lösegeld sür Sie verlangen, daß groß genug ist,
mich unabhängig zu machen," lachte Ormond. „Sie sind
meine Gefangene, und werden es vorläufig bleiben, mein
Schatz."
„Nicht sür lange. Lord Trewor wird meine Lage
entdecken, und mich aus Ihren rucklosen Händen befreien.
Er ist zu klug, um nickt herauszufinden, daß ich eine Ge-
fangene bin."
„Schmeicheln Sie fick nicht mit solchen leeren Hoff-
nungen. Ich bin zu vorsichtig zu Werke gegangen, um
Verdacht zu errgen. Sie selbst waren so gütig, mich darin
zu unterstützen, indem Sie meinen Onkel freundlichst von
ihrer Flucht benachrichtigten. Ich werde sogleich in das
Schloß zurückkehren, um später in einem Wagen des Mar-
quis nach dem Bahnhof zu fahren. Mein Onkel glaubt
mich in diesem Augenblick ruhig aus meinem Zimmer.
Wie sollte er jemals die Wahrheit ahnen?"
Giralda seufzte leise.
„Ich erwartete, daß Sie heute Abend einen Fluchtver-
such machen würden, um Ihren Vater zu warnen," fuhr
Ormond erbarmungslos fort, „bereitete mich darauf vor
und schickte Perkins nach dem Dorfe, diesen Wagen zu
mietben, der seit dem Hereinbrechen der Dämmerung in
der Nähe des Schlosses harrte. Ich bemerkte Sie, als

dienen und dienen wollen, liegt klar auf der Hand
Nur eiue kurzsichtige, weichherzige und vertrauensselige
Politik kann sich darüber täuschen. Wenn es den
treibenden Kräften gelingt, dem Ministerium Lutz diese
vermeintliche neue „Verlegenheit" zu ersparen, so
würde die kath. Sache in Bayern einen empfindlichen
Schlag erlitten haben. Wir sprechen dies offen aus,
weil wir es für unsere Gewissens- und Mannespflicht
halten, die Wahrheit auch dann zu sagen, wenn sie
unangenehm ist. Gewisse Erfahrungen der jüngsten
Zeit haben bewiesen, daß es den Katholiken und ihren
legitimen Vertretern nur peinliche Verlegenheiten be-
reitet, wenn sie sich allzusehr von den Wünschen der-
jenigen leiten lassen, welche schließlich immer nur mit
Enttäuschungen aufwarten

Ausland.
Oesterreich. Das Wiener Landgericht hat am
Mittwoch gegen 55 Personen wegen Theilnahme an
den Excessen des 8. April verhandelt und fast alle
verurtheilt, darunter 16 wegen Plünderung zu 8
Monaten bis zu 3 Jahren schweren Kerkers; die
Mehrzahl sind Handwerker u. jüngeren Alters. — In
Prvßnitz (Mähren) wurden am Mittwoch 7 Arbei-
ter und 3 Arbeiterinnen wegen Auflaufs verhaftet. ---
Ein iu der Lemberger Werkstätte der Karl-Ludwigs-
bahn ausgebrochener Brand beschränkte sich auf die
Wagenremise, Holzbearbeitungsmaschinen und 3 Per-
sonenwagen, und beziffert sich der Schaden auf 100,000
Gulden. Man vermuthet Brandstiftung. — Der
Bauernaufstand in Galizien erinnert an die
gegen die polnischen Gutsbesitzer gerichtete und von
der österreichischen Regierung geschürte Bewegung des
Jahres 1847, welche unzählige Gräuel im Gefolge
hatte. Der Schauplatz der jetzigen Unruhen, das west-
liche Galizien, deutet darauf hiu, daß die Bew gung
nicht nur einen agrarischen Charakter trägt, sondern
auch durch nationale Elemente beeinflußt wird, denn
die dortigen Bauern sind Ruthenen, die Gutsbesitzer
aber fast durchweg Polen. Wie polnischen Blättern
aus Kalomea berichtet wird, soll sich in verschiedenen
Ortschaften der Umgegend seit einigen Tagen unter
dem Bauernvolke eine bedenkliche Erregung bemerkbar
gemacht haben. Es sei an verschiedenen Stellen zu
Gewaltthätigkeiten und blutigen Schlägereien gekommen.
Am Sonnabend rotteten sich Bauern und Feldarbeiter
ivieder in Kulaczkowce zusammen. Der Bezirkhaupt-
mann von Kolomea hat sich nach Gwozdzice begeben
und der Bezirkskommifsar Wajdowicz nach Kulaczkowce.
Die Gendarmerie-Abtheilung wurde daselbst verstärkt.
Sie einen letzten AbschüdsbUck in das Wohnzimmer warfen,
obwohl Sie sich nickt träumen ließen, daß ich Sie belauschte.
Perkins ist mir mit Leib und Seele ergeben. Seine Inte-
ressen und die meinigen si:d identisch. Er kennt einen
hübschen stillen Ort an der Küste, wo Sie sicker Niemand
suchen wirb. Heute Nachmittag war er dort, Vorkehrungen
für Ihren Aufenthalt zu treffen. Er wird Sie deute
Abend in Ihr neues Heim einführen, während ich nach
London reise."
Giralda sah von dem Herrn ans den Diener. Aus
dem unbeweglichen Gesicht dieses Menscken war kein Licht-
strahl der Hoffnung zu gewinnen. Die kleinen Augen
Perkms glitzerten vor Habgier, deren Feuer Ormond ent-
zündet hatte.
„Haben Sie kein Mitleid, kein Erbarmen mit mir?"
fragte das junge Mädchen.
„Nein," entgegnete Ormond mit dämonsickem Lachen.
„Wenn Sie mir versprechen wollen, meine Frau zu werden,
sollen Sie mich nach London begleiten, andernfalls bleiben
Sie hier."
„Besser todt, als eine so schmachvolle Heirath!" rief
sie aus.
„Wie es Ihnen beliebt, mein Fräulein. Ein solcher
Entschluß kann übrigens nicht lange dauern. Sie müssen
mir schon gestatten, mich gegen die Möglichkeit eines neuen
Fluchtversuches zu schützen, meine Gnädige," höhnte Or-
mond, ein Seil hervorziehend, und seine Gefangene an
ihren Sitz sestbindend.
Giralda's letzte Hoffnung auf ein Entrinnen verließ
sie jetzt. Ormond, der eiserne Nerven besaß, schnürte ruhig
ihre Hände zusammen, dann hüllte er das Mädchen sorg-
fältig in den Shwal, um ihre Fesseln zu verbergen.
gSoll ich sie nicht auch noch knebeln, Perkins?" fragte
der Schurke.
„O, nein," bat Giralda. „Ich will ganz still sein und
nicht um Hilfe rufen, Mylord."
„Ick vertraue auf Ihre Ehre," erklärte der Mensch,
der selbst keinen Funken von Ehrgefühl besaß. „Jetzt a.uß
ich in'S Schloß zurück. Dock noch ein Wort, Fräulein
Arevalo. Unmittelbar nach meiner Unterredung mit Ihnen
 
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