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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 131 - Nr. 140 (12. Juni - 22. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0525

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WrtÄetut täglich mit SnSnahmr d«: Somi- u. Feieirage.
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MU Lriignüchu, durch die Post bezogen viertelj. Fll.Mftauco.

Inserate die I-spallige Pctitzeile oder deren Raum 10
Reklame 25 H. Für diesige Geschäfts- und Pnvar»
anzcigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt,
bewilligung. Expedition: Awiugerstraße 7.
1Ä0.'

B

! Verantwort!. Redakteur: F. I. Knappe
m Heidelberg.

Dmck u. Verlag von Kebr. Huber in Heidelberg
fiüher Verleger des Pfälzer Boten.

Aus kr MitSckimW.
lliach der säst wie eine Bitte klingenden Rede des
Reichskanzlers, der in der Sitzung am Montag be-
sonders hervorhob, daß sowohl die neuen Militärfor-
dcrungen, wie auch die Erhöhung der Offiziersgehälter
noch vom Fürsten Bismarck herstammen und die Re-
gierung nur notbgedrnngen sich daraus eingelassen habe,
Kompensationen, wie zweijährige Tienstzait, Aushebung
des Septennats und alljährliche Feststellung des Mi-
litäretats aber jetzt noch nicht gewähren kämst, die-
selben jedoch in Betracht ziehen wolle, stellte, wie wir
gestern bereits mittheilten, der Abg. Richter den
festen Antrag, der Militärvorlage einen neuen Para-
graphen beizufügen, welcher die zweijährige Dienstzeit
für die Fußtruppen vom 1. Oktober Iktstl an ein-
führt.
lieber den weitern Verlaus der Kommifsionssttzuiig
liegt uns folgender Bericht vor:
Abg. v. Bennigsen iuat.-lib.) findet, daß durch
die Rede des Reichskanzlers die Situation geklärt sei.
Aus der notbwendigen Vermehrung der Artillerie folgt
eine Vermehrung der Friedenspräsenzstärke. Prinzi-
piell ist die Vorlage nicht bestritten. Die Regierung
kann Ersparnisse nicht zurückweisen. Wenn Kompen-
sationen kaum zu erreichen sind, so ist auch die An-
nahme ohne Kompensation nothwendig.
Die Einführung der zweijährigen Dienstzeit ist eine
populäre Maßregel, aber sie bedingt jahrelange Er-
wägungen. Die Finanzlage säugt an, ungünstig zu
werden, aber nicht so, daß die Vorlage abgelehnt wer-
den müßte.
Abg. Müller fsreikons.) dankt der Regierung,
daß sie sich nicht auf die filüefe Ebene von Zuge-
ständnissen habe drängen lassen. Kompensation
bedeute Aufwiegelung.
Kriegsminister Berd y duVe r n v i Z meint, daß
Zrrthümer über seine Zukunftspläne nicht entstanden
wären, wenn nicht die Ferien sich deren Vorlage un-
mittelbar angeschlossen Hütten. Frankreich hat äugen
blicklich für den Kriegsfall RXchOOO Mann mehr aus-
gebildete Mannschaften. (?) Ties rechtfertigt schon die
gegenwärtige Vorlage, welche nur lOttgXX) Mann
für alle Jahrgänge der Kriegsdienstpflicht schafft.
Abg. Windthorst (Centr.f findet eine andere
Situation gegeben durch die Rede des Reichskanzlers.
Wenn Fürst Bismarck abtreten sollte, so hätte er nur
einen angesehenen Genera! zum Nachfolger haben
kennen. Er sei Demjenigen Dank schuldig, der Herrn
v. Eaprivi zu Nachfolger gewählt. Tie auswärtigen
Treuer Liebe Lohn.
M) Roman von ll. Rosen
isNachdc. rerb.)
44. Kapitel.
Ereilt!
Nachdem Frau Pump einen so unhöflichen Abschied von
Ormond genommen hatte, war dieser zum Bahnhof ge-
ritten, um dort seine Forschungen nach Giralda fortzusetzen.
Von dem Stationschcf erfuhr er, daß der letzke Zug schon
vor einer Sunde nach London abgeaangen war. Aus
Furcht, seine Beute könnte ihm auf's Neue entschlüpft sein,
blieb ihm das Herz beinahe stehen. Durch geschickte Kreuz-
und Querfragen gewann cr die Beruhigung, daß keine
runge Dame, aus welche die Beschreibung Giralda's paßte,
mit dem Zuge abgereist war.
Vor Befriedigung glühend, galloppirte er in das Städt-
chen zurück, überzeugt, er werde Giralda in dem einzigen
Wirtbshaus des Oertchens finden. Em breites L-child,
aus dem eine goldene Harfe gemalt war, lud zur Einkehr
ein.
Ormond ritt in den gepflasterten Hsf ein. Der Wirth
ein untersetzter Mann mit rothem gutmüthigen Gesicht, be-
grüßte seinen Gast mit tiefer ehrerbietiger Verneigung.
Ormond glitt aus dem Sattel, übergab einem herbeige-
winkten Stallknecht sein Pferd, und begann sofort Erkun-
digungen einzuziehen.
„Wohnt eine junge Dame, die von einem kleinen Knaben
begleitet ist, bei Ihnen, Herr Wirth?" fragte er.
Der Wirth verneinie.
Ormond vermochte ein Gefühl der Enttäuschung nicht
zu verbergen. „Sie kam gestern Abend in Gesellschaft
einer älteren Dienerin hierher," rief er ärgerlich. „Daß
sie den Ort nicht wieder verlassen hat, ist sicher. Giebt es
vielleicht noch ein zweites Wirihshaus hier?"
„Nein gnädiger Herr. Außer einer Fuhrmannskneipe
ist die goldne Harfe das einzige Wirthshaus Daltons,
doch steigen Fremde zuweilen auch in einem Privatquar-
tier ab. —"

Verhältnisse sind sv konsolidirt, daß Deutschland unter
dem jetzigen Reichskanzler mit demselben Respekt be-
handelt wird. „Ich würde die Vorlage ohne Kompen-
sationen bewilligen, wenn sie sich auf die Vermehrung
der Artillerie beschränkte, aber im Süden wächst täg-
lich die Opposition mehr und mehr nach Norden hin-
auf, vielleicht weil man noch nicht genügend weiß,
warum es sich handelt. Wir müßten eine Erklärung
abgeben, daß wir aus dem jetzigen Heeresrahmen nicht
hinaus wollen." Der Antrag Richter auf zweijährige
Dienstzeit werde in Süddentschland gewiß freudig be-
grüßt werden. Wie stehe denn die bayerische Regie-
rung zur der entsprechenden Resolution der bayerischen
Kammer.
Von seinen Freunden werde jedes Entgegenkommen
beabsichtigt. Wenn aber jeder Wunsch einer Kompen-
sation mit solcher Festigkeit abgelehnt wird, so weiß
ich nicht, was werden soll. Damit lvir uns mit un-
serer Fraktion besprechen, bitte ich, die nächste
Kommissionssitzung erst nach dem morgigen Tage
anzusetzen.
Abg. Liebknecht lsoz.j: Die Verhandlungen der
Kommission haben uns von unserer Opposition nicht
abgedrängt -- sondern in derselben, befestigt, tveil wir
erkennen, daß, wenn es so weiter geht, mit Noth-
wendigkeit die Heereseinrichtungen zu einem Miliz-
system hingedrängt werden.
Abg. Richter: Die Erklärungen des Herrn
Reichskanzlers haben die Situation nicht geändert.
Ich habe deshalb auch meinen Antrag auf gesetzliche
Einführung der zweijährigen Dienstzeit vom l. Okt.
18ttl ab nicht mehr znrnckgehalten. Es ist nicht
richtig, daß für Frankreich eine Ueberlegenheit von
800,000 für den Krieg ausgebildeter Manufchafteir-
konstatirt ist. Im Gegentheil, die Darlegungen des
Majors Gäbe in der Sounabendsitznng thun dar, daß
jenes behauptete PlnS schon in den nächsten Fahren
sich vermindert, ohne diese Vorlage, durch die Kon-
sequenz des neuen Wehrgesetzes von 1888. Weiter-
hin hat man in der Rechnung auf französischer Seite
alle Mannschaften eingerechnet, die auch nur 1870
bis 1874 als Mobitgardisten ein Paar Wochen lang
das Gewehr getragen haben, ebenso die nur mit ei-
nigen Monaten Friedensdienstzeit ausgebildete clon-
xiamo Portion. Bei der Aufmachung solcher Rech-
nung stellt unsere Militärverwaltung jeden auch nur
für wenige Wochen ausgebildeten Franzosen als voll-
wichtig hin, während auf unserer Seite jede Verkür-
zung der Dienstzeit, selbst wenn es sich nnr um zwei
jährige Dienstzeit handelt, dargestellt wird als Ver-
„So mag die junge Dame, die ich suche, eine Privat-
wohnung bezogen haben," unterbrach Ormond den Wirth.
„Ich werde sofort Nachfrage halten. Sind meine Diener,
denn ich befahl, mich hier zu erwarten, noch nicht ange-
kommeu, mein Freund?"
„Lord Qrmond's Kammerdiener ist hier," knixte der
Wirth
„So führen Sie mich in mein Zimmer,, und schicken
Sie mir meinen Diener möglichst schnell-"
Der Wirlh, stolz auf die Ebre, einen so vornehmen
Mann zu beherbergen, geleitete den Fremden in das beste
Zmimer des Hauses. Kaum hatte Ormond sich ermüdet
auf das Sopha geworfen, als Wig erschien.
„Ah, Sie sind es, Wig," rief Ormond erstaunt. „Wo
ist Perkins?"
„Ich weiß nicht, gnädiger Herr- Wir waren gestern
Abend, als Sie die junge Dame wieder nnter Ihre Obhut
nehmen wollten, zusammen in der Näbe des Schloßparkes.
Nach ihrer Flucht und Euer Gnaden Unterredung mit dem
Herrn Marquis schickten Sie Perkins in der einen, mich
nach der anderen Richtung, Fräulein Arevalo za suchen,
während Sie einen dritten Weg einschlugen und uns be-
fahlen, Sie, im Falle unsere Anstrengungen fehlschlügen,
hier zu warten und Ihnen Bericht zu erstatten. Wenn
wir die junge Dame fänden, sollten wir sie zu Grethe
Wilms hinauf in's Gebirge bringen und Ihrer dort harren.
Seit wir uns von Ihnen trennten, habe ich Perkins nicht
gesehen."
„Seltsam!" murmelte Ormond. „Wo kann er fein?
Wo die junge Dame geblieben ist, haben Sie natürlich nicht
entdeckt?"
„Nein, gnädiger Herr, Niemand will Sie gesehen haben.
Der Marquis ist jetzt in London, um dort nach ihr zu
suchen, und der junge Lord Grosvenor und seine Leute
schauen nicht minder eifrig nach ihr aus. Frau Pump wird
immer noch vermißt —"
„Sie ist aus dem Heimwege," unterbrach Ormond den
Diener. .Ich begegnete ihr, als ich in die Stadt einritt.
Fräulein Arevalo ist hier in Talton."

Minderung der Kriegstüchtigkeit. Das ist ein Wider-
spruch. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt nicht in
der Abwehr einer größeren Zahl ausznbildender
Mannschaften unsererseits, sondern in der Ablehnung
jeder Verkürzung der Dienstzeit bei Verstärkung des
Rekrutenkontingents von Seiten der Regierung. Man
erfüllt sich bei der Regierung mehr und mehr mit den
Ideen einer allgemeinen Vvlkswehr für den Krieg,
will aber gleichzeitig die bisherige militärische Tra-
dition der langen Dienstzeit aufrecht erhalten. Tas ist
ein Widerspruch, der wirthschaftliche und finanzielle
Konflikte schafft. Niemand sehnt den Fürsten
Bismarck zurück. Eine solche Rückkehr ist auch
unmöglich. Unsere gegenwärtige änßere Lage ist nicht
verschlechtert; im Gegentheil, seit dem Aufhören der
offiziösen Zeitungsartikel in Betrachtungen über das
Ausland hat sich der Zündstoff vermindert. Die
europäische Presse würde in der Beurtheilnng aus-
wärtiger Angelegenheiten eine seit lange nicht gekannte
Ruhe zeigen, wenn nicht die Interviews in Friedrichs
ruh fortgesetzt neuen Stoff zuirügen. Wie aber siebt
es nm die innere Lage? Das ist das schwerste Ver-
mächtniß des Fürsten Bismarck. Der Herr Reichs-
kanzler hat gemeint, man möge ihn nur jetzt ein Jahr
lang in Ruhe lassen, dann werde er mit um so grö-
ßerer Kampsessreudigkeit uns gegenüberstehen. Diese
Aussicht ist für uns nicht gerade verlockend. Heiter-
keit, in welche auch der Reichskanzler mit einstimmtp
Boni Parteistandpunkt aus müßten wir also gerade
gegenwärtig besonders ans den Reichskanzler eindrängen;
das thun wir aber nicht, weil für uns das politische
Leben durchaus nicht in der Bekundung solcher Gegen-
sätze anfgeht. Wir haben geglsinbt, diese Reicbstags-
^sessivn würde ohne jeden lebhaften Kampf verlaufen.
Nun aber erfahren wir in Folge aller solcher Vor-
lagen das Gegentheil. Wenn Fürst Bismarck schon
solche Vorlagen vorbereitete, so hat er sie dock vor
den Wahlen vertagt, weil er die Unzufriedenheit der
Bevölkerung voraussah. Die Unzufriedenheit im
Lande ist eine wachsende. Darum sollte man die
innere Situation nicht durch solche Vorlagen verschärfen.
Die Gewährung der zweijährigen Dienstzeit würde
Eindruck machen, jetzt verwischt die Militärvorlage
den Eindruck des Arbeiterschntzgesetzes. Wir können
keine irgend erhebliche Mehrbelastung des Militäretats
vertragen, nachdem uns Freiherr v. Maltzahn als die
nothwendige Konsequenz die Vermehrung der Steuern
hingestellt hat. Nur die volkswirthschaftliche Erleich-
terung durch die Einführung der zweijährigen Dienst-
zeit konnte eine genügende Kompensation scharfem
Wig drückte sein Erstaunen und feine Befriedigung
aus.
„Sie können sich gleich ausmachen," fuhr Ormond dort,
„und vorsichtig Erkundigungen nach ihr einziehen, aber ehe
Sie sich in den Straßen zeigen, lassen Sie Ihr Gesicht
rafiren und Ihr Haar anders schneiden.
Wig entfernte sich, nachdem er noch einige weitere An-
weisungen von feinem Herrn empfangen hatte, der sich mit
Ecker in das Studium eines Provinzialblättchens vertiefte,
und zwar schien die letzte Seile der Zeitung ihn besonders
zu iMeressiren. Die Frage, wo er Giralda sicher unter-
bringen könnte, wenn er sie wieder in seine Gewalt bekam,
beschäftigte jetzt ausschließlich sein Eemüth. Sin Greibe
Wilms durfte er nicht denken. Sie war zu rechtickaven,
um seine Plane wissentlich zu fördern.
„In eine Erziehungsanstalt oder ein Irrenhaus kann
ich sie nicht stecken," murmelte er. „Und dann ist auch
noch der Knave zu versorgen. An eine Emerkernng bei
den Bitt's ist. ebensowenig zu den denken. Was fange >.ch
nur mit ihr an?"
Wiederholt überflog er die Anzeigespalten, als ob er
in diesen einen Rath zu finden hoffte, und seine Erwartung
täuschte chn nicht. Ein Häuschen in der Nähe von Velten,
einer Station der Südbahulinie, das als sehr abgelegen, und
für Leute, die zu sparen wünschten, sehr passend geschildert
wurde, war zu vermiethen. „Ja, das ist etwas für mich,"
dachte er. „Das Haus ist geschlossen, und Näheres durch
den Agenten in Cardiff zu ermitteln. Der nächste Zug
geht in einer halben stunde dorthin ab, nm drei Uhr
komme ich in dem Nest an, und gegen Abend kann ich
wieder zurück sein."
Aus seinem Weg zum Bahnhof sah er Wig ans einem
Barbierladen treten. Das Gesicht des Dieners schien so
verändert, daß Ormond überzeugt war, Giralda werde ihn
nicht wiedererkennen. Wig gab seinem Herrn eine Strecke
weit das Geleite, dann begab er sich an das Werk, Giral
da's Wohnung auSzuspioniren.
Fortsetzung folgt-
 
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