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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 11 - Nr. 20 (15. Januar - 25. Januar)
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k U-

1890.

Blldischcr Lolksbolt.

Inserate die 1-spaltize Petilzeile oder deren Raum 10
Reklame 25 Für hiesige (tzeschästs- und Privat-
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.


^^»i«t täglich mit A»r»abmt der Sonn-u. Feiertage. er ' I" ' t t tst
MM M Makmrn, Fremeü L MM.
Trügerlobn. durch die Post bezogen viertelj. 1.80 ftanco.

Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.
Wklbm
I, ZWjlW, kn N. ZNUNk.
Drucku. Verlag von Gebr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Bote».


Dir bevorstehenden Keichstagsivahlen
^8kn jedem Staatsbürger die Pflicht auf, über die
politischen Verhältnisse gründlich unterrichtet zu sein,
oamit er in der für das Land zweckdienlichsten Weise
!"n Wahlrecht ansüben kann. Deshalb muß auch
jeder eine Zeitnng lesen!
Ter „Badische Bolksbole", welcher sich er-
folgreich bestrebt, seine Leser rasch und gewissenhaft
über alle politischen Strömungen und Ereignisse zu
Herrichten, kann
für die Monate Februar und Wär;
^ki jeder Postanstalt bestellt werden. Neu hinzntretende
Abonnenten erhalten gegen Einsendung der Post-
quittung den „Badischen Balkäboien" bis 1.
Februar unter Kreuzband gratis zugesandt.

Tie Expedition des „Bad. Bolksboten".


An Rr Knhlk des tttrnwMW.
K Das katholische Deutschland und vor allem das
katholische Bayern hat einen seiner besten, seiner edelsten
Sohne verloren: Freiherr von und zu Franckenstein,
Neben Dr. Windthorst stets als der erste Führer der
beutschen Centrumspartei anerkannt und gefeiert, ist
ber tückischen Krankheit, die ihn mitten in der Aus-
übung seiner parlamentarischen Pflicht in Berlin über-
raichtk, zum Opfer gefallen. Ein harter Verlust hat
bie Centrumspartei und das katholische Volk in Bayern
üüe in ganz Deutschland betroffen; seit dem Tode
Malliuckrodt's hatte das Centrum keine schwerere
Heimsuchung zu ertragen. Zwei Tage, nachdem der
Wahlaufruf des Centrums für die kommenden Reichs-
kagswahlen durch die Presse in alle deutschen Lande
Mragen wurde, hat der unerbittliche Tod den Namen
bes Mannes, der an erster Stelle unter diesem wich-
klgen politischen Pronuntiamento steht, aus der Reihe
der Lebenden gestrichen. Die Centrumsfraktion und
ihr die ganze Centrumspartei in Deutschland,
bas katholische deutsche Volk stehen tieferschüttert an
der Bahre ihres hochverdienten, unvergeßlichen Führers,
bsfstn persönliche Eigenschaften selbst dem politischen
Gegner die uneingeschränkte Hochachtung abzwangen.
>in dieser Hinsicht kann cs für den Tobten kaum ein
Elenderes Denkmal geben, als die Ansprache, mit
KöHenkuft.
Bon Lary «raß

lk-chtr. -tri.)
(Fortsetzung.)
Alles ? — Raimondo preßte die Hand aufs Herz, dort
.°ar eine Stelle, da hinein durste keine Auferstehungsluft
Zwgkn! Tief verborgen, von ihr selber unberührt, sollte
iyrx L^de begraben liegen, auf die sie für immer ver-
s Met hatte. — Wohin auch ihr Geschick sie führte, das
k^ "and fest: Alfred durste sie nie mehr sehen, sollte der
,«nrn errungene Friede in ihrem Herzen bleiben, in dem
c?,stht so stille war wie in der sie umgebender Natur.
7-s'le nur drang der Klang der Mittagsglocke aus dem
Kirchlein herüber und stimmte so wohlthuend zu
al« ."üblichen Bilde, daß Raimonda ihn noch zu hören
als er schon verstummt war, dagegen wie leiser
toelhall Schlittengeläute aus dem Walde herausdrang. —
va»^ - chtete ks erst, als dicht hinter ihr ein Schlitten
rü^ckuhr, her Hohe zu, wo von einem einzigen Hügel-
^uen verborgen die obere Thalstufe mit Parpan liegt- —
wandte den Kops erst, als der Schlitten halb
»i»- war und sie nur gerade noch das Profil des ein-
Reisenden sah, der darin saß und — das Herz
fr,k »Ür siill vor Schrecken oder Freude — sie in ihm Al-
erkannte.
de« batte sie nicht bemerkt, ober sie hatte gerade noch
er»-» Anblick erfaßt, um ihn zu sehen und deutlich zu
m^"En Es konnte keine Täuschung sein: sie kannte zu
dre ihr unvergeßlichen Züge. Die Blässe seiner
sUttw.k», her ängstlich unruhige Ausdruck, mit dem er vor
tw7,»bMkblickt. konnten sie nicht irreleiten. Aber was bc-
, b°s? Was um GotteS willen führte ihn hierher?
,7, q.konnte er nicht suchen. Sie hatte keinem derBekannten
di-ihren Aufenthalt genannt. Halt! - war dies nicht
»-XL aße nach Davos? Konnte nicht dort viclleichr
r?raun Irene im Winter-Kurort weilen? Kam er, dort
Üb-Ansuchen, demnach nur auf . rascher Fahrt hier vor-
' Raimonda mußte Gewißheit haben - vielleicht auch
nnmal dir Gestalt des immer noch Geliebten aus

welcher", im deutschen Reichstage der erste Präsident
Herr von Levetzow die Nachricht von dem Ableben
Franckensteins mittheilte: „Mit ihm sei ein echter
deutscher Mann aus dem Leben geschieden, fest, treu
und wahr, ohne Furcht, selbstlos, recht, schlicht, zwar
kurz in Worten, aber von großer Thatkraft, weitem
Blicke und großer Autorität überall, wohin ihn die
Pflicht rief", so pries Freiherr von Leveyoiv den
großen Tobten. Kaum jemals dürfte im deutschen
Reichstage einem verstorbenen Mitgliede eine solche
Summe von Mannestugenden nachgerühmt worden
sein. Und doch ist es derselbe Reichstag, dessen Mehr-
heit nach den Septennatswahlen und wegen der be-
kannten Septennatsbriefe dem Centrnmsführer die bis-
her innegehabte Würde des Virepräsidenten nicht mehr
einzuräumen geneigt war. Die heutige Lobrede des
Präsidenten war wohl die beste Genugthuung für
jenen kränkenden Schritt des Kartellreichstages. Wir
sind fast der Mühe enthoben, die persönlichen Tugen-
den des Dahingeschiedenen nach Gebühr hervorzuheben,
nachdem ihm selbst ans gegnerischem Munde so hohes
Lob gespendet wird. Muß doch auch die Münchener
„Allgemeine Zeitung" offen einräumen, daß in „Frei-
herrn von Franckenstein das engere und weitere
Vaterland einen seiner vornehmsten Bürger verloren
hat, einen Edelmann von vortrefflichen Eigenschaften
des Geistes und Herzens, der durchdrungen war von
tiefer christlicher Gesinnung und von warmer, werk-
thätiger Vaterlandsliebe." Wie sehr Freiherr von
Franckenstein auch in den höchsten Kreisen geehrt
wurde, hat sich kurz vor seinem Hinscheiden gezeigt,
als der deutsche Kaiser sicü in Person nach dem Be-
finden des Todtkranken erkundigte.
Es ist nicht der Zweck dieser Zeilen, ein Lebens-
bild des theuern Entschlafenen zu entwerfen. Die
wichtigsten Momente in seinem Lebensgange wurden
in diesem Blatte bereits mitgetheilt, und es muß einer
kundigeren Feder Vorbehalten werden, in einem er-
schöpfenden Nekrologe den Verdiensten und Tugenden
des Todtes völlig gerecht zu werden. Nur einige
kurze markante Züge namentlich aus der letzten Zeit
seines Lebens, seien hier vorgehoben.
Als Großkanzler des Georgi-Ritter-Ordens brachte
er bei dem 50jähr. Ordens-Jubiläum des bayerischen
Prinz-Regenten am 8. Dezember 0. Js. auf diesen
einen Toast ans, indem er offen und ohne Scheu die
Worte sprach, welche die Richtschnur seines Lebens
waren: „Treu unserem heiligen römisch-katholischen
Glauben, treu dem königlichen Hause, treu dem Gelöb-
nisse: gerecht und dem Rechte dienend und tapfer in
der Ferne erblicken. — Ihr gegenüber ging ein steiler
Pfad, den Jäger oder Holzhauer getreten hatten, aus dem
Rücken des Hügelvorsprunges, um welchen der Fahrweg
sich hinzog. Raimonda hatte ihn erklommen, ehe sie noch
recht wußte, daß sie hinauf wollte. Schon fuhr der Schlitten
zwischen die ersten Häusergruppen Parpans ein; jetzt konnte
sie ihn nicht mehr sehen. Weun er Parpan nur passierte,
so war es vielleicht möglich, ihn am jenseitige» Ende des
Dorfes herauskommen und die Höhe der Lenzer Straße
ansteigen zu sehen, wenn sie sich etwas nach links halten
konnte. Auch hier lief einer der vielen Schlittenpfade, auf
denen die Kurer im Winter das im Sommer auf den
Hochwiescn gefammelte Heu zu Thal fahren, auf dem Hü-
gelrücken weiter, der, einem Damme gleich dos obere Thal
von dem unteren abspcrrte. Auf ihm eilte Raimonda
flüchtigen Fußes entlang, in einer Richtung, die im Bogen
das Thal umgeht, ohne sich Rechenschaft zu geben, wozu
ihre Eile führen sollte. — Sie wollte nicht in das Dors
hinein, ehe sie nicht sicher war, daß Alfred es wieder ver-
lassen batte, und das konnte ja nicht lange währen.
Endlich erreichte sie auch die Stelle, wo der Blick frei
war auf die Straße am jenseitigen Dorfende. Trotz ihres
scharfen Gesichtes konnte sie keine Bewegung auf derselben
erkennen. Wurde um gespannt oder rasteten die Pferde?
Wenn das geschah, wenn Alfred sein Mittagsmahl im
Gasthause nahm, wie leicht konnte ihm da die geschwätzige
Wirthin von ihr, dem einzigen Gaste erzählen, zumal sie
mit «nein an Neugierde grenzenden Interesse das junge
Mädchen beobachtete. Ihr Name allein, der der Wirthin
so gefiel, den sie gern wiederholte, würde hinreichen, Alfred
auf sie ausmerksam zu machen. Und was bann? Würde
er forteilen, in der Tochter der Bettlerin, die hier aus
Barmherzigkeit beherbergt worden war, nicht die einstige
Pflegeschwester begrüßen zu müssen? Würde er bleiben,
um ihr nahe zu treten, wie er es in Pans versucht hatte ?
Eins wie das andere war entsetzlich für des Mädchens
Gefühl. Gejagt von der Unruhe, oie sich ihrer Seele be-
mächtigte, eilte sie vorwärts auf dem unebenen, beschwer-
lichen Pfade, auf dem sie sich vom Orte entfernte, ohne ihn
aus den Augen verlieren zu müssen.
Ein Schlittengetön kam wieder an ihr Ohr: es zog

Vertheidigung jeden Rechtes, wollen wir bis an unser
Lebensende bleiben."
Welch' hervorragende Stellung Freiherr von Francken-
stein in der Centruinsfraktion des Reichstages und
auch in der katholischen Partei Bayerns einnahm, ist
allgemein bekannt. Wenn er auch als Redner nur
höchst selten hervortrat, so waren die Fälle, in denen
er im Rainen seiner Fraktion vor dem Reichstage
Erklärungen abgab, um so bedeutungsvoller. Ein
geschichtlicher Moment darf es genannt werden, als
Freiherr von Franckenstein beispielsweise im vorigen
Jahre anläßlich des Besuches des Königs Humbert
von Italien im Reichstage die feierliche Erklärung
abgab, daß seine Partei sich der Kundgebung zu Ehren
Italiens und seines Königs nur anschließen könne
unbeschadet seiner Stellung zur römischen Frage.
An dem vielgeschmähteu bayerischen Katholiken-
tage hat Freiherr von Franckenstein persönlich theil-
genommen, was ihm eine Fluth von Verunglimpfungen
seitens der liberalen Presse eintrug. Heute noch, am
offenen Sarge, macht ein liberales Blatt es ihm zum
Vorwurf, daß er der „hervorragendste Unterzeichner"
des Aufrufes zum Katholikentage gewesen sei. In
den Augen des katholischen Volkes gilt dies als eine
seiner besten Thaten, und wir dürfen heute sagen,
daß Franckenstein für den Katholikentag noch mehr
gethan hat, als daß er seinen Namenszug zur Ver-
fügung stellte und an der großen Morgenversammlung
theilnahm. Der Aufruf selbst ist unter seiner Mit-
wirkung und Mitredaktiou zu Stande gekommen, und
auch an der Abfassung der Resolutionen des Katho-
likentages nahm er hervorragenden Antheil.
Durch das Vertrauen' der bayerischen Krone war
der Verewigte zu den höchsten Würden berufen. Nicht
nur als Großkanzler des Georgi-Ritter-Ordens, son-
dern auch als Präsident der Reichsrathskammer war
er eine der hervorragendsten Persönlichkeiten in Bayern
und auf ihn richtete sich stets der Blick, wenn von
der Möglichkeit eines Systemwechsels, der Bildung
eines neuen Ministeriums die Rede war. Die höchste
Ehre aber, die dem edlen Todten zu Theil wurde,
empfing e,r aus den Händen des katholischen deutschen
Volkes, welches ihn neben Windthorst zu seinem ersten
und bedeutendsten Führer erkor und seinen Namen
stets mit Begeisterung und Verehrung als einen der
vornehmsten in der Reihe der katholischen Korvphäen
hochhielt. Nun ist die irdische Hülle gesunken, die
edle Seele zn ihrem Schöpfer zurückgekehrt, der dem
um die katholische Sache so hochverdienten Mann
gewiß reichlich lohnen wird für Alles, was er im
ein Schlitten das Thal herab. Kurwalden zu. Sie konnte
ihn nicht mehr sehen, nicht unterscheiven, ob es wirklich
derselbe war, der Alfred gebracht hatte; ob er wieder zu-
rückfuhr Das war unwahrscheinlich: er hätte denn ihr
entgegenfahren wollen, wcnn er erfahren hatte, sie sei in
Kurwalden.
Raimondas Unruhe mehrte sich: sie steigerte sich zur
Angst. Ein Plan mußte gefaßt werden. Zurückgebeu und
nach Kurwalden enteilen, war nun nicht mehr thnnlich,
ebensowenig wie nach Parpan hineinzugehen, solange sie
nicht gewiß war, ob Alfred sich entfernt hatte.
Blieb sie auf dem Hohen Pfade, so konnte sie. aller-
dings wieder nur im weiten Bogen, auf einen Berghang
gelangen, der in nickt allzugroßer Entfernung fick hinter
Parpan emporhob. Von dort war es möglich, das Kur-
haus zu überwachen, wenigstens ein Stück der Straße zu
sehen, die zu ihm hinführte, sowie jene, über die sie Alfreds
Schlitten sich gegen Lenz hin sortziehen zu sehen hoffte.
Ueber der Stelle, der sic zustrcbte, erhob sich ein
Tannendickicht; vielleicht konnte sie sich in demselben ver-
bergen, wenn Alfred sich nicht bald entfernte; vielleicht in
die Hütten fliehen, die über jenen Tannen in pfadloser
Wildniß standen, die Nacht dort erwarten und dann fliehen
— fliehen oder untergehen in den Schrecken des Hochge-
birges. Alles war besser, als das eine, was sie fürchtete.
Und nun mußte sie vorwärts. Kein Zufluchtsort war auf
ihrem Wege, und es duldete sie auch nicht zu ruhen, ehe
sie nickt die Stelle erreichte, die ihr Gelegenheit zu freier
Beobachtung bot und zugleich allenfallsigen Schutz ge-
währen konnte. Bisweilen versuchte sie sich auch einzu-
reden, daß Alfred ohne anzuhalten, früher noch als sie
den Lenzer Weg erblicken konnte, dort hinaus enteilt sei,
aber es wollte ihr nicht gelingen, daran zu glauben. Ge-
ängstigt, erschöpft, von Müdigkeit überwältigt langte das
junge Mädchen endlich am unteren Rande des Tannen-
dickichts an, das seit einer Stunde sein Ziel war -, halb
ohnmächtig brach cs am Fuße eines der alten Riesen zu-
sammen, das Auge aber doch unablässig hinüber gerichtet
nach Parpan, das, von dort gesehen, wie ein Hündchen
am Nutze des gewaltigen StätzerhornS hingeschmiegt erscheint.
Fortsetzung folgt.
 
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