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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 41 - Nr. 50 (19. Februar - 1. März)
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Grscherut täglich mst Ausnahme der Sonn-«.Feiertage. r»»r» f'e-'L «y tz s't Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum IO Z
AS»»«eMe»tSl>reiKnnrdemwöchent!icheuUuterhaltungs- IIN' lV Reklame 25 ^S,. Für hiesige (tzeschäfts-und Pnvar-
blatt „Der ScnntagSbote" ssirHeidelberg monatlich 50^ t llIl > llt eklrlIillt " ciltllt, anzeigen, sowie sür Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt»
Lrt Trägerlohn, durch di e Post bezogen Viertels, ^t.1.80 ftanco. bewilligung. Expedition : Zwingerstraße 7.


1890

Dmcku.Verlag vonGcbr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.


N

j Berantwortl. Redakteur: F. I. Knappe
in Heidelberg.




Bestellungen
aus den „Badischen Bolksboten" für den Monat
März nehmen alle Postämter und jeder Briefträger,
sowie unsere Expedition entgegen.
Der „Badische Volksbote", welcher sich in kurzer
Zeit einen großen Leserkreis und viele Freunde er-
worben hat, kostet, sammt der wöchentlichen Beilage
„Der Sonntagsbotc", durch die Post bezogen, mo-
natlich nur «2 Pfennige.

Ter Bei lag des „Badischen Volksboten"


vckr TWlkmkratik lind IlWfckdchtit
erhält die „Köln. Volksztg." folgende Zuschrift:
Der Ausfall der Reichstagswahlen wird Keinem
überraschend gekommen sein, welcher sich eines freien
Blickes und unparteiischen Urtheils erfreut. Auf den
ersten Blick erscheint es fürchterlich, daß im Deutschen
Reiche die Sozialdemokratie so viele Anhänger zählt;
man hat sich eben vielfach daran gewöhnt, die Sozial-
demokraten ohne Ausnahme als Anhänger der Bebel'-
'chen Umsturztheoriecn zu betrachten. Diese Anschau-
ung ist falsch und wird auch von den Parteiführern
'elbst schwerlich getheilt. Neulich ließ der Minister
Herrfurth die Sozialdemokraten ans Arbeitern sich
rekrutiren, welche „nicht arbeiten wollen." Dann
hätten die jetzigen Wahlen den traurigen Beweis ge-
liefert, daß in einem großen Theil des Deutschen
Reiches unter den Arbeitern keine Arbeitslust mehr
vorhanden sei; dieser Beweis kann jedoch durch viele
Industrielle gründlich widerlegt werden. Die Sozial-
demokraten sind durchaus nicht ausschließlich Arbeiter
im Privatbetriebe, ein sehr großer Theil wird ans
den niedern B e a mten klas sen und Arbeitern
im Staatsdienste gestellt; hierzu rechne ich bei-
spielsweise Rottenarbeiter, Gütcrbodenarbeiter, Hülfs-
bremser, Hülfsschaffner, Schreibgehülsen, Wageuputzer,
Bahnwärter, als Hülfskräfte fungirende Postbeamten,
Briefträger u. s. w. Und warum stimmen diese Leute
sozialdemokratisch, auch wenn sie sich durchaus nicht
zu den Sozialdemokraten bekennen? Nicht etwa, weil
sie Anhänger von Umsturzbestrebungen sind, sondern
weil sie mit ihrer Lage vollständig unzufrieden sind,
lvcil sie trotz aller Bemühungen nur in wenigen Fällen
zur Beförderung und damit zu einem bessern Ein-
kommen gelangen, weil sie sehen, daß Jeder, welcher
zwölf Jahre gedient, den Vorzug erhält. Ist es doch
Treuer Kirbe Kohn.
I?) Roman von U. Rosen.
(NaHdr. Lerb.)
„Sind sie nicht schön, Geliebter?" fragte sie mit glück-
lichem Lächeln. „Sie sind so verschieden von einander, aber
olle drei gw, edel —"
Sie hielt inne, da Musik und Tanz Plötzlich aushörten,
Und ein jubelnder Ausruf verkündigte, daß ihre Anwesen-
heit entdeckt worden war-
Im nächsten Augenblick war sie der Mittelpunkt einer
eeschästigen Gruppe. Weiche Arme umschlangen sie, warme
Lippen suchten die ihrigen, und frohe Stimmen Hieheu sie
willkommen.
Giralda, immer zärtlich und fürsorglich, zog die Mutter
'm einen bequemen Lehnsessel, Rupert, zitternd vor Ent-
zücken, kniete zu ihren Füßen nieder, und Egon kletterte
auf ihre Schoob und schmiegte sich liebkosend an ihr
Herz.
„Ich sehe, daß Ihr mich ganz aus Mamas Nähe aus-
fließen wollt," scherzte der Graf. „Mir wird wohl nichts
übrig bleiben, als mich in mein Studierzimmer zu begeben,
und den Abend in stiller Einsamkeit zu verleben."
„O nein, Papa," rief der kleine Egon von seinem
Lieblingspläkchen niedergleitend und den Vater zurück-
-wlend. Unter dem Jubel der Anderen schob er den
Grafen auf einen Sessel neben dem Beatricens, um dann
wieder die Mutter zu umarnmn.
„Wir dachten nicht im Traum daran, Mama, daß
Du heute nach Hause kommen könntest," sagte Giralda,
Beatrice liebkosend- „Horch' nur, wie der Wind heulend
durch die Bäume rauscht."
„Diese abscheuliche Oper," seufzte Rupert. „O, Mama,
>ch kann es nicht ertragen, daß Du so schwer für uns
arbeitest und überdies gezwungen bist, so oft von uns ge-
trennt zu sein. O, dürsten wir Dich doch immer um uns
haben!"
Auch der Gras seufzte und seine Stirn umdüsterte sich.
Giralda die hinter dem Sessel ihrer Mutter stand,
warf Rupert einen warnenden Blick zu, näherte sich dann
dem Vater und flüsterte ihm ihn's Ohr:

eine bekannte. Thatsache, daß die aufgeführten Kate-
gvricen Löhne erhalten, welche denen sehr vieler
Fabrikarbeiter und selbst Handlanger weit nachstehen.
Ta werden Vorschläge zur Verbesserung der Lage der
Arbeiter gemacht, ohne daß der Staat selbst zuerst
für sein eigenes Personal in ausreichender Weise
Sorge trägt. Hier mit Energie vorgegangen, würde
der Unzufriedenheit den Boden entziehen und so die
Leute wiedergewinnen. Ein weiteres Kontingent der
Unzufriedenen stellen die kleineren Handwerker,
denen durch die großartigen Fabrikbetriebe die Nah-
rung entzogen wird. Auch diesen Unzufriedenen könnte
geholfen werden, allerdings weniger vom Staate als
von den Mitbürgern. Hierzu ist namentlich unbedingt
erforderlich, daß das lange Kreditiren bezw. das
Borgen überhaupt fvrtfällt. Diese Klassen sind, Ivie
schon gesagt, keine Anhänger des Umsturzes, sondern
sie würden, sofern ihre berechtigten Ansprüche nur
einigermaßen Abhülfe fänden, sehr schnell ihre An-
schauungen ändern. Der übrige Theil der Sozial-
demokraten, die Arbeiter im Industriebetriebe, huldigt
ebenfalls nicht voll und ganz dem Umstürze, sondern
würde gleichfalls nach Berücksichtigung der berechtigten
Forderungen und Weilerausban der Svzial-Reform
dem jetzigen politischen Glaubensbekenntnis; den Rücken
kehren. Vor allem ist es erforderlich, daß diese Leute
einen derartigen Lohn erhalten, welcher sie in die
Lage versetzt, anständig leben und wohnen zn können.
Selbstredend halte ich tägliches Wirthshausgehen,
Bratencssen, sonntägliche Kneipereien und Spritztouren
sür nicht erforderlich. Als besonders versöhnend er-
achte ich es, wenn das Alters- und Invaliditäts-
Gesetz derart gestaltet wird, daß deni Einzelnen ein
sorgenloser Lebensabend beschiedeu ist.

Deutsches Reich.
—» Berlin, 26. Febr. An Kartellabgeordneten
sind 82 definitiv gewählt. Es befinden sich nach of-
fiziöser Rechnung noch 122 Kartellkandidaten in Stich-
wahlen. Würden diese, was vollständig unmöglich
ist, alle zu Gunsten des -Kartells ausfalleu, so hätte
letzteres 204 Stimmen, d. h. 5 über die Mehrheit
des Reichstages, der bekanntlich 897 Mitglieder hat,
dessen absolute Mehrheit somit 199 Stimmen beträgt.
Die Konservativen haben ihren einzigen Füh-
rer, Herrn von Helldorf, verloren, der in seinem
alten Wahlkreise von dem Freisinnigen Dr. Dohrn
geschlagen worden ist. Das „Deutsche Tageblatt"
verlangt, daß sür Herrn w Helldorf ein Sitz freige-
macht werde. Wer den Mangel an Talenten in der
„Theurer Papa, die Zeit kommt auch, wo Mama stets
bei uns sein wird. Unxsthretwillen sei heiter, ihr zu Liebe
verbanne die Sorqe." Sie küßte den Grafen und verlieb
in Eile das. Zimmer.
„Giralda ist unsere Fee, Mama, bemerkte Egon, der
die Schwester beobachtet batte. „Sie schafft Sonnenschein
für uns Alle, lehrt uns Spiele, liest uns vor und tröstet
uns, wenn Du fort bist."
„Welch eine gute Schwester!" rief Beatrice.
„Ja, das ist sie," stimmte Rupert zu, „aber sie hat
in jüngster Zeit ein Wesen angenommen, das mir nicht
gefällt.
Sie will die Haushaltung lernen, meint sie, da Wir
nicht immer darauf rechnen dürften, Marie Fleck, Deine
Pflegeschwester, um uns zu haben- Jetzt ist Giralva
wieder in der Küche, um den Thee zu besorgen."
Beatrice blickte fragend zu ihrem Gatten auf.
„Ja, Rupert hat recht," erklärte der Graf. „Giralda
beschäftigt sich jetzt viel mit der Haushaltung. Ich finde
das nur sehr vernünftig von ihr. In früheren Zeiten
glaubten die Damen der vornehmsten Familien ihre Er-
ziehung unvollkommen, wenn sie nicht auch praktische Kennt-
nisse in der Wirtschaft erworben hatten."
„Dennoch billige ich Giralda's übergroßen Eifer nach
dieser Richtung hin nicht ganz. Sie hat so schöne weiße
Hände, die ich geschont sehen möchte. Wir wissen nicht,
welche Wandlungen stündlich eintreten können. Unsere
Tochter mag sehr bald zu hohem Rang berufen sein, und
ich wünsche, daß sie sür diesen Fall ihre zarte liebliche Er-
scheinung fehlerlos bewahre."
Die Unterredung wurde durch den Eintritt Giralda's
unterbrochen.
„Das Abendessen ist bereit," kündigte sie an.
Eltern und Geschwister begaben sich in das Speise-
zimmer. Hinter dem für Beatrice bestimmten Sessel stand
eine Frau, das genaue Ebenbild Magda Fleck's, der Die-
nerin im Berril'schen Hause. Magda und Marie waren
Schwestern. Beide schätzten sich geehrt und beglückt, mit
dem Grafen Arevalo das Geheimniß Beatricens zu lheilen,
ein Geheimniß, von dem selbst die Kinder dieser Ehe

konservativen Partei kennt, wird dies Verlangen be-
greiflich finden. Das „Deutsche Tageblatt" übersieht
aber, daß den Konservativen ja ein neuer Führer in
der Person des Herrn v. Puttkamer, Minister a. D.,
erstanden ist. Die Konservativen haben auch ans den
letzten Wahlen die weise Lehre geschöpft, daß es auch
, ohne die Nationalliberalen geht, welche das Kanzler-
blatt übrigens schon sanft bei Seite schiebt, sie als
schwankende Gestalten bezeichnet nnd sich vor dem
Eentrnm verbeugt, indem es schreibt: „Die beiden
großen Parteien, welche sich fest ans den Boden ver-
deutschen Wirthschaftspolitik und Sozialreform gestellt
haben, gehen intakt ans dem Wahlkampfe hervor: die
in diesen Dingen schwankenden nnd mit ihrer Gegner-
schaft zu derselben sich berührenden bürgerlichen Par-
teien müssen ihr Schicksal von den oft recht widersin-
nigen Partei-Grnppirungen abhängig gemacht sehen,
welche bei Stichwahlen für den Erfolg entscheidend
sind. Die beiden großen Parteien sind natürlich
Rechte nnd Eentrnm, vom Kartell ist gar nicht
mehr die Rede. Herrn Miguel kann es, so bemerkt
ironisch die „Fr. Ztg ", wenn er als heruntergekom-
mener Rodensteincr nur mit noch vierzig Knapven
statt mit hundert in die Leipziger Straße cinziebt,
leicht passiren, daß ihm die spöttische Frage entgegen-
schallt: Was kannst Du, armer Teufel, bieten, nnd
wer weiß, ob nicht der Frager gerade darüber, daß
Herr Miguel nicht viel mehr bieten kann, eine Freude
empfindet, die stärker ist, als der Schmerz über das
dritte Dutzend Sozialdemokraten, das vierte des Frei-
sinns nnd die Wiederkehr des demokratischen Sieben-
gestirns. Denn wer nichts bieten kann, wird auch
ans die Rolle des „kommenden Mannes" keinen An-
spruch machen können; in der Anwartschaft ans diele
Nolle aber hat schon Manchen das Schicksal erreicht,
das die „Nordd. Allg. Ztg." als ein günstiges zn
preisen das Amt und den Auftrag hat.
* Berlin, 26. Febr. Der Gesetzentwurf, Herr, die
Verwendung der Sperrgelderfonds, wird, nach
der „Kreuzztg.", in kurzer Zeit dem preuß. Landtage
zngehen. Im Kultusministerium haben bereits Vor-
besprechungen bezüglich definitiver Festsetzung der Ver-
wendungszwecke stattgefunden. Ein namhaftes Mit-
glied des Abgeordnetenhauses ist um sein bezügliches
Gutachten angegangen worden. —DerSozialistJvest
erklärt das Telegramm des Wviff'schen Bureaus, wo-
nach er die Rückgabe von Elsa ß - Loth r in g e n
an Frankreich für nothwendig erklärt und den Fran-
zosen bessere Eigenschaften zngesprocben habe als den
Deutschen, für eine offiziöse Wahllüge. —-'Ans Zan„
nichts abnten- Magda und Marie waren auf den Gütern
des Grafen Berril geboren, standen fast sei! ihrer Kindheit
im Dienste seiner Familie, und waren nach dem Tode der
Gatten, mit welchen sie kaum ein Jahr vermählt gewesen,
wieder zu Beatrice zurückgekehrt. Beide Zwillingsschwestern
würden für das Wohl ihrer gütigen Herrin gestorben
sein.
Beatrice begrüßte ihre treue Dienerin mit warmer
Herzlichkeit. „Magda hat mich beauftragt, Dir viel Liebes
von ihr zu sagen," rief sie. „Sonntag kommt sie hierher,
um Dich zu besuchen"
Beatrice ließ sich vor der Tafel nieder. Der Graf
saß ihr gemn'ibec, Giralda zu seiner Rechten, Rupert zu
seiner Linken, Egon wie gewöhnlich neben der Mutter-
Marie Fleck, die Haushälterin, war die Einzige- die
bei Tisch aufwartete. Äußer ihr wurde im Birkenhain nur
noch eine Dienerin gehalten, eine Deutsche, die kaum einige
Worte Englisch verstand, und der Kutscher, der gleichzeitig
für den Garten zu sorgen hatte, ein treuer und erprobter
Bursche, von dem nichts zu befürchten war.
Beatrice betrachtete beglückt die um sie versammelten
frohen Gesichter. In ihrer stillen Seligkeit übertraf sie
sich selbst in strahlender Lieblichkeit der Rede und der
Haltung. An ihres Vaters Tisch wurde ihr Lachen nie-
mals gehört, hier sprudelte es hervor wie ein munterer
Bergguell.
Die Bewohner des Birkenhains lebten im klebrigen
sehr abgeschlossen, empfingen keine Besuche und verließen
ihr eigenes Gebiet nur zu Spazierfahrten in ihrem Pony-
wagen.
Die Nachbarn wußten zwar, daß ein spanischer Graf
und seine Familie dort wohnten, bemühten sich aber nicht,
die Bekanntschaft der Gräfin zu machen, von der das Ge-
rücht erzählte, sie sei eine Schauspielerin, die ihren Beruf
noch immer unter angenommenem Namen in London aus-
übe. Die Gesellschait auf dem Lande trug kein Verlangen
nach dem Verkehr mit einer Bühnenkünstlerin, und kein
fremder Gast überschrit jemals die Schwelle des Land-
hauses im Birkenhain.
Marie Fleck hatte den Kindern ganz im Vertrauen mitge-
 
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