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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 111 - Nr. 120 (17. Mai - 29. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0449

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Grscheirrr täglich mit r»r»ak>me der Soun- u. Feiertage.
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lrlatt „DeiSvuutagSbote" für Heidelberg monatlich SV H
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Organ für Maßckeit, Fmllät L Keüit.

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anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutend« Rabatt»
bcwilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.

»I. II»

Berantwortl. Redakteur: F. 2. Knappe
in Heidelberg.

WM«, TmilG, Sei 18. M»i.

Drucku. Verlag von <Kebr. Huber in Heidelberg !
früher Verleger des Pfälzer Boten.

1890

r

er yrrMgra Nummer liegt „Der Konnragsvote' Nr. 20 ort.

° 8iiG KAOsai ssilkili PEMait.
Als in unserer zweiten Kammer kürzlich der Kul-
iusetat berathen wurde und der badische Liberalismus
sich wieder einmal im Strahlenglanze seiner engherzig-
sten Unduldsamkeit zeigte, klang wie der reine Hohn
aus Kiefer's Munde die bombastische Phrase vom
„Badischen Rechtsstaat". Es mag im Großherzogthum
Baden ja recht vieles schön und gut sein, aber das
reicht noch lange nicht hin, um aus ihm einen Rechts-
staat im wahren Sinne des Wortes zu machen, ja
wie die Dinge heute liegen, könnte man sich versucht
fühlen, unserm „Musterstaate" einen das gerade Ge-
gcntheil von einem Rechtsstaate bezeichnenden Namen
veizulegen. Nur im Vorübergehen wollen wir die
konfessionelle Frage streifen, welche allein schon im
Stande ist, die Kiefer'sche Phrase zu widerlegen. In
einem Rechtsstaate müssen die aus dem Wesen der
heutigen Zeit sich ergebenden natürlichen u. selbstver-
ständlichen Volksrechte in ihrem ganzen Umfang durch
die Gesetzgebung gewahrt bleiben und von der Staats-
verwaltung ohne Rückhalt respektirt werden. Ein sol-
ches natürliches Recht aber ist die freie, unver-
kümmerte Re l igi o u s u bung, die den badi-
schen Katholiken, man möge sagen, was man wolle,
eben nicht gewährleistet, ja nicht einmal gestattet ist.
Baden ist gerade wegen der Verkümmerung
der freine Religionsübung kein „Muster- und
Rechtsstaat", und wenn es auch alle Spatzen
im Lande von den Dächern herahpseifen, und alle
liberalen Blätter bis zum Ekel ausrufen — sie zei-
gen eben blos, daß ihnen die Idee des Rechtsstaates
bisher unverständlich blieb, und daß sie innere Un-
wahrheit bewunderten und verherrlichten. So lange
in Baden kath. Priester wegen pflichtgemäßer Ver-
weigerung kirchlicher Gnadenmittel vor Gericht gezerrt
und bestraft werden können, so lange man in Baden
nnen Haupttheil der kirchlichen Organisation, das
kath. Ordenswesen aus dem Lande verbannt, so lange
man mit Unrecht und gewaltsam genommenes katho-
ll'ches Kirchengut der altkatholischen Sekte überläßt,
io lange der Staat überhaupt in kirchlichen Dingen,
sw ihn nichts angehen, ein gewaltsames Reginient
führt, ist cs Hohn, von einem Rechtsstaate Baden zu
sprechen.
In einem Rechtsstaate muß aber auch jeder ein-
zelne Bürger zur Geltung kommen, d. h. er muß
ebenso gut Rechte haben, wie er auch Pflichten hat,

80)

Treuer Liebe Kohn.
Roman von U. Rosen
(Ekachdr. verb.)
„Bon dieser Stunde an ist er mir ein Fremder! Als
Du, Giralda, einwiüigtest, mein Kind, die Freude meiner
Aren Tape zu werden, versprach ich Dir und Deiner
Mutter, Dich vor jeder Gefahr und jeder Sorge des Lebens
»u beschützen. Und wie habe ich mein Wort gelöst? Ich
Vabe jenen Schurken in Deiner Nähe geduldet und unter
weinen Augen durfte er Dich ins Gefängniß schleppen,
vch verdiene also mein Schicksal, Dich wieder zu verlieren
ffnd in meine alte trostlose Vereinsamung zurückzusinken.
Vergieb mir, mein Kind, ehe Du wieder zu den Deinigen
»ehft.«
. „Onkel, willst Du mich nicht mehr an Deiner Seite
Mden, willst Du mich wegschicken?" fragte Giralda er-
schrocken.
„Dich wegschicken, mein Kind?" wiederholte der
Marquis erstaunt. „Niemals, niemals! Aber Du —"
. „O, so werde ich nicht gehen," warf das Mädchen da-
°w>scheu. „Ich werde so lange bei Dir bleiben, mein
wcurer Onkel, bis Du mich fortschickst."
g. ..Der Marquis lächelte ungläubig, in seinem strengen
ANcht aber blitzte es wie ein Freudenfeuer auf, als er
von dem Ernst ihres Entschlusses überzeugte. Er um-
vrinte und küßte das Mädchen wie ein zärtlich liebender,
Kind vergötternder Vater.
. Lord Grosvenor beobachtete die rührende Szene mit
warmer Sympathie.
°"«em ld""r kkhr vorüber und der Wagen wurde
r-. „Herr Marquis," sagte der junge Mann mit auf-
b.wngkm Bedauern, sich von seinem ehrwürdigen Gast so-
„wd trennen zu müssen, „ich bin leider genöthigt, mit dem
sechsten Zuge nach der Stadt zu fahren, und bitte tausend-
Avl um Entschuldigung, daß ich Sie jetzt schon verlasse,
«runde von der höchsten Wichtigkeit vermögen mich
»u, mich in so ungeziemender Eile zu entfernen."
„Wir begleiten Sic, Freund," entgegnete der Marquis.

er muß mitbcstinimeud auf die Geschicke des Staates,
dein er als freies, selbständiges Wesen augehört,
dessen Element er ist, einwirken können, und das ist
nur dann möglich, wenn er nach feiner Ueberzeugung
frei und unbeeinflußt wählt, seine Stimme abgiebt.
Dieses wieder ist nur möglich bei freier direkter
Wahl, ohne welche man sich — das ist unsere feste
Ueberzeugung — einen Rechtsstaat nicht denken kann.
Der „badische Mnsterstaat" hat diese Wahlinstitntion
nicht, er besitzt ein Wahlsystem, das von mehr als
einer Autorität, sogar von einem hervorragenden Trä-
ger der Gewalttheorie, vom Fürsten Bismarck, als
das miserabelste aller Wahlsysteme, als eine direkte
Fälschung des Volkswillens bezeichnet worden ist.
Man denke sich nun das Widersinnige: Ein Rechts-
staat und ein solches den Volkswillen fälschendes
System!
Man hat in der letzten Zeit die Einführung des
direkten Wahlrechtes in unserem Lande wiederholt an-
geregt, aber absolutes Mißbehagen und schroffe Ab-
lehnung von Seiten Jener war die Antwort, welche
in dem badischen Staatsleben eine Mnstereinrichtnng
— einen Rechtsstaat erblicken, weil sie die Betonung
der Nothweudigkeit freier und direkter Wahlen durch
ihre von liberalem Egoismus erblindeten Brillen be-
trachten, und man stolperte über eine natürlich ge-
gebene Rechtsanschauung und fragwürdige Partei-
zwecke wieder in das enge Fahrwasser des absoluten
Polizeistaates hinein, welcher freie Willensäußerungen
des Volkes allerdings nicht vertragen kann. Wir
brauchen das schon so ost Gesagte' nicht zu wieder-
holen, daß in Baden die liberale Partei blos deshalb
gegen die Einführung direkter Wahlen ist, weil sie
instinktiv den Zusammenbruch ihres Einflusses fühlt,
dem sie unrettbar verfallen ist, sobald mit verdeckten
Wahlzetteln ohne Berücksichtigung von sogenannten
Vorrechten an die Urne Jedermann aus dem Volke
treten kann. Aus den eigennützigsten Gründen also
lehnt die liberale Partei die Gewährung eines in
jedem freien Staate selbstverständlichen Bvlksrechtes
ab und dabei hat sie den — Muth, von einem badi-
schen „Rechtsstaate" zu reden. Wir danken ergebenst
für einen Rechtsstaat, in dem der Geldsack bei den
Wahlen mehr zu sagen hat, wie der gewöhnliche Bür-
ger und Landmann, wo nicht der freie Wille, die Ein-
sicht und der Verstand der Einzelnen, sondern dessen
Besitz den Ausschlag giept. Es gehört zu den hervor-
ragendsten Charaktereigenschaften des Polizeistaa-
tes, daß alle politischen Strömungen und Vorkomm-
nisse mit dem Stabe der Paeleiinteressen bemessen
Wollen Sie uns nicht in unserem Wagen Gesellschaft
leisten?"
„O, mit Vergnügen, Herr Marquis"
Lord Grosvenor uns Giralda tauschten einen Blick
hoüer Befriedigung aus. „Vertraue auf mich, Geliebte,"
flüsterte er ihr zu, während sie die Treppe hinabstiegen.
„Ich werde Dir schreiben, sobald ich die Deinigen gesehen
habe. Glaube mir, es wird Alles gut werden."
„Wenn Du sie vor dem Hasse und der Rache Ormond's
zu bewahren vermagst, rettest Du mein Leben zum dritten
Male, Paul."
Aus den Arm des Marquis gestützt, betrat Giralda
Schloß Trewor wieder. Sie hatte für Jeden der sie
Empfangenden ein freundliches Lächeln und einen freund-
lichen Gruß, und wurde von Allen herzlich willkommen
geheißen.
Als Onkel und Nichte wieder in dem traulichen Wohn-
zimmer beisammen saßen, hatte Giralda auf des alten
Mannes Wunsch die Geschichte des vergangenen Tages
noch einmal ausführlich zu erzählen.
„Diese Enthüllung zeigt mir meines Neffen Charakter
in einem ganz neuen Licht," bemerkte der Marquis nach-
denklich. „Mein Kammerdiener Wig stand früher in
Eduard's Dienst. Gestern überraschte ich sie in einer sehr
vertraulichen, geheimnißvollen Unterredung, und nachdem,
was ich von Dir hörte, bin ich zu der Ueberzeugung ge-
langt, daß Wig von meinem theucren Neffen als Spion
benutzt wird. Ich werde ihmnoch heute seinen Abschied geben."
„Wird Paul zur rechten Zeit in Birkenhain eintreffen?"
fragte Giralda sich indessen beklommenen Gemüthcs," oder
wird das Schicksal sein Schlimmstes thun und uns Alle
in's Elend stürzen?"
33. Kapitel.
Trotz.
Mit dem Ungestüm eines Wirbelwindes stürmte Lord
Ormond in das Wohnzimmer zu Birkenhain. Die Thür
hinter sich schließend, schaute er mit den wilden Blicken
eines Tigers um sich. Beatrice und ihr Gatte erhoben
sich von, ihrem Sitz, sie, bleich und zitternd sich zu einem
verzweifelnden Trotz zusammenraffend, er in hoheilsvoller

werden. Daß letzteres in Baden geschehen ist, läßt
sich leicht beweisen; was liberal war, konnte passiven?
da gab es keine Strafen für Ausschreitungen in Ver-
sammlungen und Presse, was aber nach Opposition
fchmeckte, mochte es nun „nltramontan," freisinnig
oder demokratisch sein, erfreute sich der intensivsten
Verfolgung, das wurde mit dem Stabe lib. Partei-
interessen genau gemessen.
In eineni Rechtsstaate kann es auch nicht Vor-
kommen, daß die Presse einer Partei zur amtlichen
Regierungspresse gemacht und auf Kosten aller Steuer-
zahler ohne Ausnahme materiell unterstützt wird, wie
es bei den badischen Amtsverkündigern der Fall ist.
In dieser Hinsicht ist Baden allerdings ein Muster-
staat, aber ein solcher, dessen Beispiel man aus Rechts-
gründen und der Moral wegen nicht befolgen mag.
Auch hier ist Parteiterrorismns und liberale Verge-
waltigung die treibende .Kraft für einen Zustand, den
nur ein Polizeistaat dulden kann; ein Rechtsstaat
braucht keine Reptili nblätter. Daß sich der badische
Liberalismus jemals auf einen erhabeneren, edleren
Standpunkt stellt, ist kaum denkbar, und deshalb
werden wir unter seiner Herrschaft nie zu dem Ideal
gelangen, das mau in der ganzen Welt einen Rechts-
staat nennt.

Deutsches Reich
* Berlin, 16. Mai. Um den Berufsvereinen
Rechtspersönlichkeit zu verschaffen, bat die freisinnige
Partei (Dr. Hirsch n. Gen.) im Reichstage einen
Gesetzentwurf eingebracht, welcher bezweckt, „den Ver-
einigungen von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welch-
die Förderung der Berufsinteressen und gegenwärtige
Förderung ihrer Mitglieder bezwecken", Rechtspersön-
lichkeit zu verschaffen nach dem Muster der einge-
tragenen Genossenschaften. Der Gesetzentwurf scbrelbr
die gerichtliche Eintragung des Statuts und die gericht-
liche Anmeldung der Vorstände dieser Vereine vor,
und trifft für diese Vereine Normativbestimmnngen.
Die Vereine erlangen durch diese Eintragung ohne
weitere Konzessionen Rechtspersönlichkeit, können unter
ihrem Namen Rechte erwerben, Verbindlichkeiten ein-
gehen u. s. w. Für alle Verbindlichkeiten des Vereins
haftet den Vereinsgläubigeru nur das Vermögen des
Vereins. Es soll auch den Berufsvereinen gestattet
sein, zu einein Verbände behufs gemeinsamer Ver-
folgung ihrer Zwecke zusammenzntreten. Durch ein
solches Gesetz würde» insbesondere auch die Gewerk-
vereine und die Fachvereiue Rechtspersönlichkeiten er-
langen und e enso die entsprechenden Vereine der
Ueberraschung und mit fragendem Ernst-
Die beiden Knaben hatten sich zurückgezogen.
Die feindlichen Vettern blickten einander voll in das
Gesicht.
Ormond suchte vergebens in diesen dunklen, ihm
fremden Zügen, nach einem Zeichen des Wiedererkennens,
oder der Furcht. Gottfried Trewor hatte zu lange eine
solche Stunde vorhergesehen, um nicht vorbereitet zu sein.
Er erkannte seinen Vetter sofort, und eine böse Ahn-
ung schlich sich erkältend in sein Herz, aber Staunen und
Zorn über das sonderbare Eindringen in eine fremde
Häuslrchkeit war der einzige Ausdruck, den Ormond in
dem Gesicht des stolzen Mannes entdeckte.
„Was bedeutet diese Belästigung?" fragte Gottfried
in südländischer Betonung.
Ormond sah verwundert und bestürzt von dem Einen
zu der Anderen.
Die Erscheinung, das Wesen und die Sprache des,
Grafen Arevalo waren so verschieden von dem Bilde Gott-
fried Trewor"s, welches er in der Seele trug, daß er an
der Identität dieser beiden Personen zu zweifeln begann-
Beatrice, deren Augen fest auf ihren Gegner gerichtet
waren, bemerkte, was in ihm vorging, und gewann dadurch
ihren Muth und ihre Selbstbeherrschung zurück.
„Du bist ein guter Schauspieler, Gottfried
Trewor," erklärte Ormono mit einem harten bitteren Hohn-
gelächter. „Ich sah noch auf keiner Bühne einen besseren,
mich aber vermagst Du dennoch nicht zu täuschen."
„Haben Sie die Güte, sich etwas verständlicher aus-
zudrücken, mein Herr," antwortete Gottfried in kühler
Haltung. „Besser noch, verlaßen Sie uns. Sie find ver-
rückt — betrunken — oder —"
Ormond wendete sich mit einer Bewegung des Ab-
scheus von ihm ab, und schleuderte seine giftigen Blicke
auf Beatrice. „Sie wenigstens," spottete er, „machen keinen
unnützen Versuch, mich irrezuführen, Beatrice. Ich habe
das Gehcimniß JhresLcbens endlich ergründet, und weiß,
daß Sie die Gattin eines Verbrechers, die Mutter seiner
Kinder sind. Was wird ihr stolzer Vater, was wird die
vornehme Welt zu meiner Entdeckung sagen?" F. f-
 
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