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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 101 - Nr. 110 (4. Mai - 15. Mai)
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IN.

vlch«i«t täglich mit LaSnahme der Sonn- u. Feiertage.
^«uue»eutsprri8 mit dem wöchentlichen Uaterbaltungs-
^Der SovntagSbote" für Heidelberg monatlich 8V^,
-^rägertohn, durch di e Post bezogen virrtüj. >t I.8O franco.

l'" Vtxr «r 's l> st , Inserate die 1-spaltize Petitzelle ot-er deren Raum 10
Organ für Manrnm, Frernm L «em. KÄL^SLS
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.
1890f"


Berantwortl. Nümkeur: F. L. Knappe
m Heidelberg.
Wklbtiß,
ÄMsg, ki 10. W.
Druck u. Verlag vonGrbr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

Jes PiWi« its NMsliUs
in der von uns vorhergesagten Weise gebildet wor-
A Die Wahl ging bei einer Präsenzziffcr des
Mscs vor sich, wie sie in den Annalen des Reichs-
tes nur selten und nur bei den bedeutsamsten Ent-
weihungen zu verzeichnen ist. Von 397 Abgeordne-
fehlten nur etwa 40; 353 betheiligten sich an der
Utimmung, davon 336 zu Gunsten des konservativen
^geordneten von Levetzow, der die Wahl dankend
p^ahm. Sollten die 17 fehlenden Stimmen von
Menden Nationalliberalen abgegeben worden sein, so
^ke das ein erbauliches Finale des Kartells.
r Ten ersten Vizepräsidenten stellte das Centrum,
zweiten der Freisinn. Es war bisher feststehende
jsigcl, den ersten Vizepräsidenten aus den Reihen der
^deutschen Abgeordneten zu nehmen. Der Tod
e^nckensteins, der viele Jahre das Amt versehen
^te, machte es für unsere Partei nothwendig, in die
^sonenfrage einzutreten, die in diesem Falle nicht
^«uglos ist, da der erste Vizepräsident sehr häufig
- die Lage kommt, die Verhandlungen leiten zumüs-
j,"> wozu denn doch, wie die Nationalliberalen mit
Herrn Buhl erfahren haben, etwas mehr gehört,
Pe persönliche Liebenswürdigkeit und gutes Organ.
Wahl eines katholischen Abgeordneten aus Süd-
^tschland muß auf Schwierigkeiten gestoßen sein,
M die Centrnmspartci entnahm ihrem preußischen Be-
?^d den Abg. Grasen B allestrc m, der 304 Stim-
erhielt. Nationalliberale und Freikonservative
Mnstrirten diesmal zusammen; zu ihnen gesellte sich
Ader Wahl des 2. Vizepräsidenten, aus der mit
Stimmen Her Feisinniqe Baumbach hervorging,
Theil der Konservativen.
h.Es dürfte, da die Persönlichkeit Levetzows allge-
bekannt ist, nur von Interesse für die Leser sein,
die beiden Vizepräsidenten einiges Biographische
erfahren.
'-Graf Ballestrem stammt aus Schlesien und ist 56
Me alt. Nachdem er ausländische Bildungsanstal-
A besucht hatte, trat er 1855 in den Militärdienst,
lMte 1866 als Premier-Lieutenant den Feldzug in
Abinen, 1870/71 als Rittmeister und Adjutant der
iü Kavallerie-Division den französischen Krieg mit.
h ' Sturz vom Pferde machte ihn zum Invaliden,
Erhielt den Abschied und lebt seitdem in Breslau
auf seinen Gütern in Oberschlesien. Seit 1872
lr er als Abgeordneter für Oppeln dem Reichs-
und da dem Ceutrum an. Im Kulturkampf war
Affler der heftigsten Gegner der Regierung; aus
- Lreuer Klebe Kohn.
Roman von U. Rosen
(Nkchdr. verb.)
«l. - Von den Leuten im Dorfe hörte ich, daß er ein sehr
lkijs'vndertes Leben führe und «schriftsteller sei, während
r«rau an einem Theater Londons als Sängerin werke."
lh, diese Sängerin nennt sich im gewöhnlichen Leben
,we Berril," lochte Ormond bitter.
fiiek, Unbegreiflich, gnädiger Herr- In keinem der Kirchen-
A^kr des Westend sand ich die Hniraih der Tochter des
Mw', veimertt- Sie wird, wie ich durch den Diener
M,' kine Woche von London abwesend sein. Wenn cs
n beliebt, können Sie die Dame in aller Bcqucmlick
Hjj<Mer dem Dache des Verbannten Spaniers überraschen.
«vA/chcn Sie, Mylord, daß ich in der Sache noch weiter
l/' ^der ist meine Aufgabe vollendet?"
^h',«'nstweilen ja, mein Lieber, aber es ist nicht un-
Urnn > nbch, dah ich Sie noch einmal mit dieser Ange-
t betraue," erwiderte Ormond nachdenklich. Die
Mte. die er Born überreichte, war beträchtlich genug,
^'ann zu befriedigen.
Nkr^"n Verlause des Tages besuchte Ormond den Grafen
Ry,"' drückte ihm sein Bedauern über die Abwesenheit
b's aus und begleitete seinen alten Gönner in den
Am Abend fuhr er von dem Biktoriabahnhos
"h Damion. Ten Wea nach dem Birkenhain halte er
""«au beschreiben lassen.
z>k,s»viunächst werde ich einen Blick durch die Fenster
Ltz murmelte er, das Schloh am Gartcnthor mit
?«h>N.Born empfangenen Schlüssel öffnend „Ich will
brn?M haben, ehe ich einen entscheidenden Schritt
^>>5, wb. Wenn dieser spanische Graf mein Vetter
K bann webe ihm!"
^.«k sws schlich er durch das Gebüsch nach dem Hause,
lieberwaren erleuchtet und unverhüllt. Er stahl sich
^Ute ' näher, hob sich auf den Zehen in die Höhe und
w das Wohnzimmer.
29. Kapitel.
Was Lord Or m ond sah.
'ä vor Sonnenuntergang war Beatrice in Bnkcn-

seinem Mund ertönte, als 1874 Fürst Bismarck dem
Centrum den Attentäter Kullmanu an die Rockschöße
hing, jenes „Pfui!", deni eine Szene sv stürmischer
Art folgte, wie sie bis dahin der Reichstag noch nicht
erlebt hatte. Mit Schimpfworlen und erhobenen Fäu-
sten stürmte eine Anzahl nat.-lib. Abgeordneter damals
auf den Rufer zu, der aber gelassen dem Sturme
Stand hielt. In neuerer Zeit wird Graf Ballestrem
den mit der Regierung etwas Fühlung suchenden Ele-
menten des Ceutrnms zugezählt.
Baumbach ist seit 10 Jahren Mitglied des Reichs-
tages, früher vertrat er Meiningen, seit 1887 hat er
das Mandat des V. Berliner Wahlkreises, das er
diesmal unter Ablehnung der in Meiningen auf ihn
gefallenen Wahl beibehielt. Er steht im 56. Jahre
und ist — vara avm auf der Linken — Landrath,
aber natürlich nicht in Preußen, sondern in seiner
Heimath Meiningen. Dem Fürsten Bismarck gefiel
das nicht, und als gar 1881 Baumbach seinen Freund
Lasker im Kreise, dessen Laudrath er war, auf Wahl-
reisen begleitet hatte, erging ein Appell an die Re-
gierung in Meiningen, mit dem Laudrath „preußisch"
zu verfahren. Es geschah aber nicht, und Fürst Bis-
marck mußte die Erfahrung machen, daß er wie in
Lippe-Bückeburg auch in Meiningen „uix tv seggen"
habe. Baumbach blieb persona Avala bei dem Herzog
und Laudrath, er ist es auch jetzt noch. Parlamen-
tarisch trat er namentlich bei der Behandlung der Ar-
beiterfragen hervor, er war einer der ersten Freisin-
nigen, die in der Sozialpolitik mit dem Manchester-
thum brachen ; wie erfolgreich er im vorigen Jahre bei
dem großen Bergarbeiterstreike mit seinem Kollegen
Schmidt-Elberfeld eingegriffen hat, ist Wohl noch in
levcndiger Erinnerung. Die Leserinnen dürfte es
vielleicht interessiren, zu erfahren, daß Baumbach der
ältere Bruder ihres geliebten „Butzenscheibenpoeten",
des fahrenden Spielmauns ist.
Deutsches Reich»
-l-s- Berlin, 8. Mai. Die Präsidentenwahl im
Reichstage soll, wie uns mitgetheilt wird, im
Schoße der CentrumSpartei zu lebhaften Erörterungen
geführt haben, weil ein Theil der kath. Abgeordneten
nicht einsehen konnte, warum das Ceutrum durchaus
zu Gunsten der Konservativen auf die erste Präsideuten-
stelle verzichten sollte. - - Ju Bezug auf die Ab-
t h e i l u u g s v v r st ä nd e des Reichstags hat der
Seuivrenkonvent sich über folgende Besetzung geeinigt:
Zu Vorsitzenden werden bestellt die Abgg. Lieber,
Windthorst, v. Bennigsen, Rickert, Bamberger, Acker¬
hain, wo sie schon ungeduldig erwartet wurde, eingetrofsin-
Seil der Ballnacht im House ihres Vaters hatte sie aus
Furcht vor Ormoud's Wacksamkrit die Ihrigen nickt
wieder besucht. Tas rclunvmrankle Landhaus war hell
erleuchtet, und strahlend vor Freude, begrüßte der Graf
seine Gattin, Rupert und Egon ihre Mutter.
„Eine ganze Woche seligen Beisammenseins," rief der
Graf, Beatrice neben sich auf dos Copha ziehend, und
ihr Mantel und Hut abnehmend. „Eene ganze Woche!
Ich kann cs kaum fassen."
„O, wenn nur auch Giralda hier wäre," sagte Rupert
ernst, „dann dürsten wir uns eines vollkommenen Glückes
rühmen."
Das Herz der Mutter wiederholte die Worte ihres
ältesten Sohnes- Der Knabe halte sich in der jüngsten
Zeit sehr verändert. Er war größer geworden, aber die
lachende Heiterkeit war seinen Augen verschwunden- Der
Schatten eines liefen Kustimers breitete sich über seine
Züge. Die Sorgen der Eltern halte auch in seine Seele
Eingang gesunden.
«Was ist Dir, Rupert?" fragte die Mutter ängstlich.
„Was bat Dick sv seltsam verwandelt, mein Sohn?"
Des Knaben Lippen bebten. „Wir vermissen Giralda
so sehr," erwiderte er. „Es ist, als ob mit ehr alles Lickt
und oller Sonnenschein verschwunden wäre."
„Aber sic wird in Kurzem zu uns zurückkehrcn, Rupert.
Wir werden sie nicht für immer entbehren."
' „Tas ist es nickt allein, Mama, was mich betrübt.
Giralda ist ein zartes Mädchen, und nicht geeignet, unter
Fremden ihr Brod zu verdienen. Nicht ihr, mir kommt
es zu, für Euch zu arbeiten, und vermag ich wirklich nicht
länger dieses müßige, nutzlose Leben zu ertragen, während
meine Schwester sich sür uns admüht"
„Sei geduldig, Rupert," bat die Mutter, ihre Hand
zärtlich auf die scinipe legend. „Giralda ist in sicherer
Obhut, und bei einer Person, von der sie innig geliebt
wird. Noch kann ich Dir nicht erklären, wo sie ist, noch
was sie thut, aber sie lebt in glänzender Umgebung, von
der Fürsorge eines Verwandten behütet —"
„Eines Verwandten?" unterbrach Rupert seine Mutter

mann, Fürst Radziwill, zu Stellvertretern die Abg.
Frhr. v. Buvl-Berenberg, Frhr. v. Wendt,
Schrader, Leemann, Graf Holstein, v. Frege, Graf
Behr. — Die Freisinnigen bringen außer den bereits
gemeldeten Anträgen und Interpellationen auch wieder
eine Resolution behufs Einrichtung eines Gerichts-
hofes zur Entscheidung von Zollstreitigkeiten ein.
Auch der Antrag auf Ents ch äd i g ung uns chuldig
Verurtheilter wird vou ihnen wiederholt werden.
— Der Centrumsabgeordnete Nintelen hat im
Reichstag wieder den Antrag eingebracht, die Vor-
schriften der Cioi lpr oz eßo rd n ung und des Ge-
richtskoftengesetzes dahin abznändern: 1) daß die
Zustellungen von Amtswegen erfolgen; 2) daß bei
Zustellungen von Amtswegen die Form der Zustel-
lung vereinfacht wird. — Am Freitag wird im Reichs-
tage der Gesetzentwurf über die Gewerbegerichte
zur Berathuug kvmmeu. Heute und Samstag finden
keine Sitzungen statt, dafür aber werden in der
nächsten Woche schon die ersten Berathnngeu des Ar-
beiterschuhgesetzes, des Nachlragsetats <Kolonialpolitik)
und späterhin der Militärvorlage beginnen.
" Berlin, 8. Mai. Ju der Sperrgelder-
frage veröffentlicht jetzt die „Köln. Völksztg." die
Eingabe der Fuldaer Bischofskonferenz vom 22. August
1889. Es heißt in derselben, „daß die Hoffnungen
und Erwartungen im Klerus wie im Volke keine
andere Richtung haben, als die einfache Rückgabe der
angesammelten Fonds an die von dem vorgenannten
Gesetz betroffenen Personen und Institute. Diese
Regelung allein ist im Stande, alle Betheiligten zu
befriedigen, und entspricht um so mehr der Gerechtig-
keit, als dieselben nur ihrer religiösen Ueberzengung,
nicht einer staatsfeindlichen Opposition ihre staatlichen
Bezüge znm Opfer gebracht haben." — Die geplanten
Erleichterungen im Paß zwang des Elsaß sind,
wie Berliner Blätter melden, nur unerheblicher Natur.
Sie sollen zunächst nur darin bestehen, daß die deutsche
Gesandtschaft in Paris die Pässe nicht mehr zu visiren
braucht. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, in drin-
genden Fällen, z. B bei plötzlichen Familienereig-
nissen, den Grcnzübergang augenblicklich zu erreichen.
Eine Entscheidung darüber, ob die betreffende Person
sich dann längere Zeit in Elsaß-Lothringen aufhalten
darf, soll in die Hände der Lokalbehörden, d. h. der
Krrisdirektoren gelegt werden. Bisher mußte diese
Frage vor Ertheilung des Visums erledigt werden.
Aufenthaltserlaubniß zu Luftkuren oder zu Jagden soll
auch iu Zukunft grundsätzlich nicht ertheilt werden. —
Kilwa, dessen Eroberung wir gestern mittheilten, ist
in höchster Uebcrraschung. „Ich hörte weder Dick noch
Papa jemals von Verwandien sprechen."
„So vernehmt meine Gründe dafür," sagte der Graf
mit trauervollem Ernst. „Ihr seid jetzt alt genug, meine
Kinder, das Geheimniß zu verstehen und zu bewahren,
das ich Euch anvertrauen will. Viele Jahre ehe Ihr ge-
boren wurdet, noch ehe ich verheirathet war, hatte ich das
Unglück, meinen Vormund, den ich warm und aufrichtig
liebte, sehr schwer zu kränken. Die Kränkung war .unbe-
absichtigt Durch eine Verkettung von Umständen erschien
ich eines Verbrechens schuldig, an das ich nie gedacht habe.
Mein Onkel verstieß mich. Eure Mama, damals meine
Braut, war die Einzige in der Welt, die an meine Un-
schuld glaubte. Trotz all' der überzeugenden Beweise, die
gegen mich sprachen, wurde sie meine Gattin, und machte
mein Leben, das andernfalls öde und freudlos geworden
wäre, zu emem namenlos glücklichen."
Die Kinder umschlangen ihre Mutter und küßten ihr
leidenschafilick Mund und Hände.
„Dieser Onkel," fuhr der Graf fort, „so grausam er
gegen mich war, so sehr er mich hassen gelernt, war die
Ehrenhaftigkeit und Gerechtigkeit selber. In seinem hohen
durch jenes Ereigniß verbitterten Alter, lebt er einsam
und allein. Giralda, in dem Drange uns nützlich zu sein,
war von dem Zufall in sein Haus geführt worden Sie
gefiel dem Greife, und willigte ein, sie als seine Vorleserin
bei sich zu behalte«, ohne daß Beide ahnten, wie nahe
verwandt sie mit einander sind. Mein Onkel gewann sie
so lieb, daß er sie zu adoptiren wünschte.
„Und Giralda erwidert seine Steigung," erzählte
Beatrice weiter, als ihr Gatte inuehielt. „Ich habe sie
wiedergesehen seit sie uns verließ, und sie mit der Ge-
schichte Eures Vaters bekannt gemacht. Sie widmet sich
jetzt der Ausgabe, des allen Mannes Herz gegen Papa
milder zu stimmen, und ick hoffe, daß ihre Mühe von Er-
folg gekrönt sein wird. Wenn es ihr glückt, werden wir
unsere Dunkelheit verlassen, und unsere rechtmäßige
Stellung in der Welt einnehmen dürfen."
«Fortsetzung folgt)
 
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