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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 21 - Nr. 30 (26. Januar - 6. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0101

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Wrschrlnt tiiglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
N-,»»e»entSpreiSrnit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
blatt „DcrSonntagsbote" für Heidelberg monatlich SV H
Mit Trägerlvhn, durch di c Post bezogen viertelj. >t1.80 franco.

Organ, für MalüMt, Freilrert k KcM.

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raumil) H
Rellame 25 V- Für kiesige Geschäfts- und Pntat--
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rak-Ltt*
dewilligung. Expedition: Zwiugerstratze 7.

H. N.

Berantwortl. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

WcktT dt« 's. ZtMlir.

Druck u. Verlag von Gebr. Hu brr in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

1890.

Die bevorstehenden Reichstagswahlen
legen jedem Staatsbürger die Pflicht auf, über die
Politischen Verhältnisse gründlich unterrichtet zu sein,
damit er in der für das Land zweckdienlichsten Weise
sein Wahlrecht ausüben kann. Deshalb muß auch
jeder eine Zeitung lesen!
Der „Badische Bolksbole", welcher sich er-
folgreich bestrebt, seine Leser rasch und gewissenhaft
über alle politischen Strömungen und Ereignisse zu
unterrichten, kann
für die Monate Februar und März
bei jeder Postanstalt bestellt werden.
Die Expedition des „Bad. Bolksboteu".

Im MM Km; m WiMs.
Wiederum hat der unerbittliche Tod einen
Mann weggerafft, auf den die Katholiken Bayerns,
Deutschlands und weit darüber hinaus stolz waren
und stolz zu sein allen Grund hatten. Franz von
Hettinger war unbestritten einer der hervorragendsten
katholischen Theologen der Gegenwart. Erst vor
Jahresfrist feierte er in voller Körper- und Geistes-
frische sein 70. Geburtsfest, und nun hat ein Schlag-
anfall, der ihn vor einigen Tagen betroffen, seinem
Leben und Schaffen ein rasches Ende gemacht. Es
muß einer kundigeren Feder und einer längeren Arbeit
Vorbehalten bleiben, den ganzen Lebensgang und das
ganze weittragende Wirken dieses wahrhaft großen
Theologen eingehend und vollentsprechend zu schildern.
Hier soll nur, nachdem die wichtigsten Daten seines
äußeren Lebensganges schon kurz mitgetheilt sind,
eine kurze Charakteristik desselben und seiner hervor-
ragendsten Geistesprodukte gegeben werden.
Hettinger bildete mit Denzinger und Hergenrother
jenes wissenschaftliche Dreigestirn der Würzburger theo-
logischen Fakultät, welches an Glanz des Wissens
wie an Trefflichkeit des Lehrens weithin strahlte. Er
leuchtete hervor als Dogmatiker, Apologetiker und
Homiletiker. Seine philosophischen und theologischen
Studien auf dem Kollegium Germanieum in Rom
verliehen ihm jene Gründlichkeit und Tiefe der dog-
matischen, überhaupt der theologischen Kenntnisse, zu-
gleich aber auch jene Leichtigkeit in vollendet klassischer

lateinischer Ausdrucksweise, welche seine Zuhörer be-
wunderten und welche nicht allzu häufig sich findet.
Hievon zengen auch alle seine Schriften, wenn er auch
weniger das dogmatische Gebiet im engern Sinne be-
arbeitete. Berühmt, weit über Deutschlands Grenzen
hinaus, ward Hettinger durch seine sünfbändige Apo-
logie des Christenthums, die in zahlreichen Auflagen
erschienen ist und sicher unermeßlichen Segen gestiftet
hat. Der Beweis des Christenthums und die wissen-
schaftliche Rechtfertigung der Dogmen des Christen-
thums sind in ihr gegeben mit einer fast unermeßlichen
Fülle von Beweismaterial aus alten und neuen,
heidnischen und christlichen, gläubigen und ungläubigen
Autoren, mit einer gewaltigen Ueberlegenheit des
wissenschaftlichen Denkens und Schließens über alle
Gegner, zugleich aber in einer so vollendeten äußeren
Form, daß die Apologie ein Meisterwerk der Dar-
stellungsgabe genannt werden muß. Vielfach dieselben
Fragen wie in der Apologie behandelte Hettinger, in
dem 1879 zuerst erschienenen, seitdem zum zweiten Male
aufgelegten Lehrbuch der Fundamentaltheologie oder
Apologetik, mit derselben Gründlichkeit und Belesen-
heit. Von andern hier einschlägigen Schriften seien
blos genannt: „David Fr. Strauß, Ein Lebensbild",
und: „Die Krisis des Christenthums" gegen die
gleichnamige Schrift Hartmann's.
Als Homiletiker gab Hettinger verschiedene Reden
geistlichen Inhalts heraus; seine langjährigen Er-
fahrungen als praktischer Homilete wie als Lehrer
der Homiletik faßte er zusammen in den „Aphorismen
über Predigt und Prediger", die ihn auch nach dieser
Seite hin ebenso als talentvollen Geist, wie insbe-
sondere als der Kirche treu ergebenen, für sie glühenden,
in ihrem Geiste und Wesen ganz und gar lebenden
Priester bekunden.
Von der anderweitigen reichen literarischen Wirk-
samkeit Hettingers sei hier außer zahlreichen Abhand-
lungen und Recensionen in Zeitschriften, kleinen Bro-
schüren u. s. w., besonders noch verwiesen auf die
zweibändige Schrift: „Aus Welt und Kirche", worin
er in zwangloser Form, aber in klassischer Sprache,
durch drei Länder: Italien, Deutschland, Frankreich
und durch ein großes Stück Geschichte des 19. Jahr-
hunderts und Roms insbesondere uns führt. Ferner
muß noch genannt werden die vor Kurzem in 2. Auf-
lage erschienene: „Göttliche Komödie des Dante
Alighieri". In dieser und mehreren anderen Schriften
über Dante und sein Hauptwerk zeigt sich Hettinger
als einer der berühmtesten Danteforscher und Dante-
kenner der Gegenwart, wie er denn auch einer der

ersten Kenner der mittelalterlichen Geschichte Italiens
war. — Die Vorzüge der Schriften Hettingers hatten
auch seine Vorlesungen an sich. Tiefe Gelehrsamkeit,
erhabene Gedanken, glänzende Diktion, oratorifche
Darstellung kamen auch den letzteren zu. Seiner
ganzen Individualität lag allerdings ferne eine ge-
wisse dialektische Schärfe in der Behandlung subtiler
Streitfragen. Dagegen waren seine Vorlesungen über
Apologetik getragen von feuriger Begeisterung für die
Wahrheit des Christenthums und der Kirche, und
rollten seine dogmatischen Vorlesungen die ganze Trag-
weite der einzelnen katholischen Lehren auf. Was er
als Lehrer der Homiletik war, kann daraus einiger-
maßen ermessen werden, daß viele berühmte Kanzel-
redner der Gegenwart zu seinen Füßen gesessen sind.
In seinen: Privatleben war Hettinger die Einfach-
heit selbst, legte aber im Umgänge wie im Gespräche
stets eine seiner ganzen äußern Erscheinung entsprechende
edle Vornehmheit des Charakters und ein berechtigtes
Selbstgefühl an den Tag. Weite Reisen, besonders
in den Süden, verschafften ihm einen weiten Blick
und überall ein sicheres Auftreten. Von Bedeutung
für ihn wie für andere Kreise war seine Romreise
1868, um an den Vorbereitungen zum Vatikanischen
Konzil Theil zu nehmen. Auch vor wenigen Jahren
noch reiste er in ganz speziellem Auftrage des heil.
Vaters nach Rom. Heller den Zweck dieser Reise
wird vielleicht noch Näheres an die Oeffentlichkeit
kommen. — Wenn wir Eingangs Hettinger einen
wahrhaft großen Theologen nannten, so hatten wir
hierbei nicht bloß seine große Gelehrsamkeit, sein
reiches philosophisches und theologisches Wissen, seine
staunenswerthe Belesenheit in der älteren und neueren
Literatur, auch nicht bloß seine Meisterschaft in der
Diktion und die Klassizität seines Stils im Auge,
sondern vor Allem auch seine tiefe Frömmigkeit, seine
kindliche Ergebenheit und unerschütterliche Treue gegen
die katholische Kirche und ihre sichtbares Oberhaupt,
wie sie aus allen seinen Werken (speziell aus der
Schrift über die kirchliche Vollgewalt des Apostolischen
Stuhles 1873) so glänzend hervortreten, und ohne
welche es einfach einen katholischen Theologen in Wahr-
heit nicht geben kann.
Dem Verdienste Hettingers zollten Kirche und
Staat die verdiente Anerkennung und Auszeichnung.
Seine Heiligkeit der Papst ernannte ihn zum Haus-
prälaten, Seine Majestät König Ludwig II. verlieh
ihm den Michaelsorden I. Klasse und den Verdienst-
orden der bayerischen Krone. Die zahlreichen
Schüler des Verlebten aber, sowie seine zahlreichen

(K-chdc. Verb.)

101) (Fortsetzung.)
Auch dieser Tag sollte nach unzähligen Schwankungen
endlich kommen. Die srommen Gebete hatten Erhörung
gefunden, die treue Liebe sollte Belohnung finden. Als der
Arzt erklärte, daß des jungen Mannes Natur das Uebel
überwinden werde, daß die Wunden in seiner Lunge ohne
weitere Folgen heilen würden, da war es Pater Maurtius,
der eilig an Gräfin Lucie berichtete: Alfred selbst wünsche
nuu eine liebende Verwandte, die seiner treuen Pflegerin
ermöglichte, selbst sich zu erholen.
Diese Nachricht brachte den ersten Trost in die ge-
ängstigten Herzen der beiden Frauen in Elbwitz, die in
.unablässiger Scelenangft das letzte Reinigungsseuer für
ihren Stolz erlitten hatten.
„Heute noch reise ich zu Alfred und Raimonda!" rief
Lucie ihrer Cousine zu, die mit von Freudenthränen ver-
dunkelten Augen immer wieder die fröhliche Botschaft las;
ne lächelte glücklich, als Irene sagte:
„Bringe mir nur bald die beiden vereint. Ich wußte
es längst, daß Alfred nur durch mein trautes Töchterlein
dem Leben erhalten werden konnte!"
x. Als Gräfin Lucie in Kur die Eisenbahn verließ, staunte
ne nicht wenig, dort Erwin auf dem Perron neben einem
hvchgewachsenen Mönche stehen zu sehen, der zum minde-
ren ebenso imposant und energisch aussah, wie der junge
Offizier.
. . „Ich bin Dir zuvorgekommen, Tantchen!" rief Erwin
heiter- „Niemand durste vor mir den Alfred Wiedersehen,
>wchdem er uns wiedergegeben ist und so Gott will, so
Mter und glücklich, wie ehedem Unser braver geistlicher
5?th hier wird Dir unterwegs zu ihm noch manches Merk-
würdige erzählen '
. Die beiden Männer sahen bald, daß ihre Sorge. Lucie
nicht so ganz liebevoll gegen Raimonda gestimmt
"ui, wie es Alfreds Zartgefühl verlangte, überflüssig ge¬

wesen war- Es bedurfte nicht erst der Erzählungen des
Paters, um sie mit Alfreds Verlobung zu versöhnen.
Die Sorge um Alfreds Leben hatte zusehr alle anderen
Wünsche Luciens hinter die seiner Erhaltung zurückgedrängt;
auch sie konnte fassen, daß eine Liebe, die alle Prüfungen,
besteht, über die gerechtesten Weltschranken triumphieren
darf. Dennoch hörte sie m t großer Befriedigung des Paters
gedrängte Mittheilung von Margarethas Schicksahund blickte
staunend auf dee Dokumente, mit denen er die Wahrheit
der Aussagen bezeugen konnte.
„Aber dann ist cs ja Wahnsinn!" rief sie. „daß Alfred
auf seine Rechte, auf Rang und Namen verzichten will!
Der Taufschein Raimondas kann genügen, ihre edle Her-
kunft zu bezeugen, und jedermann muß anerkennen, daß sie
berechtigt ist, in unsere Kreise einzutreten."
..Ich fürchte, sie wird unempfindlich dafür sein!" sagte
der Pater trocken; „überdies bindet mich, wie sie selbst,
das Gelöbniß, nie von einem dieser Papiere Gebrauch zu
machen. Daß ich sie Ihnen zeigen durfte, war die einzige
Konzession, welche die verstorbene Mutter mir machte, weil
ihr von Gott begnadeter Blick noch für ihr Kind voraus-
sah, was jetzt geschieht. Diese Dokumente besitze ich, um sie
zu vernichten."
Er schob sie ein, trotz der lebhaften Proteste Luciens,
denen auch Ei Win sich anschloß. Die Majestät der Haus-
gesetze, der Verlust an Rang und Glücksgütern machten
auf den greisen Sohn des heil. Franziskus keinen Eindruck,
trotz der Mühe, die Lucie sich gab, ihm alle Folgen dieser
Grille vorzustellen.
„Ein Schwur ist keine Grille!" sagte er ernst. „Mar-
garetha hat an diesem ihrem Schwure festgehalten trotz
anderer Verluste, als die Sie schildern. Mein Versprechen
werde ich ihr halten, ihre Tochter ist damit ebenso einver-
standen wie der junge Graf."
„Ein Gnadenakt unseres Monarchen kann die Papiere
entbehrlich machen u. die Hausgesetze umgehen," sagte Er-
win. „Wenn Sie nur einwilligen, Raimondas rechten
Namen zu nennen, damit Alfred seiner einflußreichen
Stellung erhalten bleibe, dem Staate zum Nutzen."
„All dies dürfe bei der Schonung seiner Gesundheit,

die ihm fortan Pflicht ist, nicht seine Aufgabe sein Er selbst
wird es Ihnen sagen; ich kenne darüber seine Ansicht-
Er gehört einmal zu denen, die den Welttand, auch
wenn er zu der Sorte gehört, die selbst ernsthafte Leute
hochhalten, zu entbehren weiß. Wußte er ja bis vor kurzem
nicht, was ich Ihnen erzählte, und war doch entschlossen
die Tochter Posserinis zu Gattin zu machen. Er eilte in
dieser Absicht hierher, sobald der Gaukler vor seinem Tode
bekannt hatte, wo er seine Frau gelassen hatte."
„Vor seinem Tode? riefen Lucie und Erwin wie aus
einem Munde.
Pater Mauritius erzählte nun, den letzten Theil ihrer
Fahrt kürzend, was er von Alfred über Posserinis Tode
erfahren hatte.
Posserini war bei seinem tollkühnen Sprunge aus dem
Elsenbatznwagen auf einen Steindamm gestürzt und mit
zerschmetterten Beinen am.Fuße desselben gesunden worden.
Noch lebte er und wurde ins Spiial der nächsten Stadt
gebracht, wo auch Alfred blieb, theils der gerichtlichen
Verhandlungen wegen, theils weil er ohne ein Geständniß
Posserinis Raimonda nicht auffinden konnte.
Doch dieser war unter schrecklichen Leiden hartnäckig
und erbost, fluchte und lästerte oder war in bewußtlosem
Zustande, bis eines Tages Alfred beim Besuche des Spitals
einen Priester am Lager Posserinis fand und dieser selbst
ganz verändert, zerknirscht und voll Sehnsucht nach der
Barmherzigkeit Gottes sah.
„Margaretha muß für mich drüben wirksamer als hier
gebetet haben," sagte er. „Ich bin überzeugt, sie hat ihren
Platz im Himmel eingenommen und schickte mir die Ge-
danken, die von dorther wie Feuer und Licht mir ins Herz
fielen. — Verzeihen Sie mir auch. Ich büße mein Ver-
brechen mit dem Leben. Der geistliche Herr wird Ihne»
sagen, was ich ihm anvcrtraut über Raimonda, und wen»
er cs gut findet, erfahren Sie, wohin sie gereist ist"
Dabei war es geblieben.
Fortsetzung folgt.
 
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