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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 111 - Nr. 120 (17. Mai - 29. Mai)
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Verantwort!. Redakteur: F. 2. Knappe
m Heidelberg.

kl. II?.
-

^vfchrint tLOlich mit LuSuabm« der Sou»- u. Fnertage.
^d»uueme«tbprerd mit dem wöchentlichen UuterhaltungS-
„DerSountagSbotr" fitzHrivelderg monatlich SS
^dk krägerlohu, durch die Post bezöge» viertüj. ^t l.80 ftauco.

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bewilligung. Expedition: Awingerstraße 7.
1890'

Drucku.Verlag von Gebt. Huber inHeidelberg
früher Berlcger des Pfälzer Boten. !

klislühschk bei im Mik»
Pismck.
n
Dem bereits erwähnten ersten Berichte des Herrn
Jewgeni Lwow, des Korrespondenten der „Nowoje
Dremja" über seinen Besuch beim Fürsten Bismarck
Friedrichsruh entnehmen wir noch Folgendes. Er
ichreibt:
„Was den Kopf des Fürsten Bismarck betrifft, so
nappirt er, in der Nähe besehen, durch die slavische
Form des Schädels, und mir wurde jetzt erst klar und
^reiflich, warum Viele eine io große Aehnlichkeit
wischen Caprivi nnd Bismarck finden. (Ein Vor-
iahre Bismarck s war ja in russischen Diensten und
eine seiner Großmütter slavischer Herkunft.) Die
Sehnlichkeit beschränkt sich übrigens nur aus den Bau
bes Kopfes, ist aber wirklich eine frappante." Außer
ber Familie des Fürsten nahmen am Speisetisch Baron
^nd Baronin Ohlen, der deutsche Botschafter am
Madrider Hofe, Maron Stumm, Dr. Chryfander, Herr
^>vow und zwei russische Damen Platz. Von diesen
bemerkt der Korrespondent: „Da bei der Vorstellung
iftir mein Name den Damen genannt wurde, nicht
aber auch umgekehrt, so bin ich leider nicht im Stande,
anzugeben, wie sie heißen. Aber ich bin überzeugt
davon, daß sie aus den baltischen Provinzen stammen
Und nicht russisch sprechen." Weiter schildert er dann
den Speisesaal, in dem das große Portrait Kaiser
Wilhelms II. hängt, das reiche Tafelgedeck, die beiden
großen Doggen, die hinter dem Stuhle Bismarck s
ihren Platz haben. Die musterhafte Bedienung, die
Reichhaltigkeit des Menus an Speisen und Geträn-
brn u. s. w.
, Der Korrespondent aß und trank weüig, da fragte
llfti der Fürst, der Herrn Lwow überhaupt sehr lie-
benswürdig behandelte, mit „gutmüthiger" Ironie:
»Fasten Sie heute? und fügte auf russisch hinzu —
»ffusekiuite — nitsclwvo" (Essen Sie — es thut
nichts).
„Diese listige Bemerkung machte mich so verwirrt,
daß ich ohne Unterschied Alles zu trinken begann,
^as immerfort in die Gläser-Batterien gefüllt wurde,
-bster und Rheinwein und Champagner und Burgunder
Und Portwein. Der Fürst selbst aß und trank wie
^>>1 starker, ganz gesunder und frischer Mensch. Augen-
scheinlich war er bei guter Laune und im Gegensatz
allen Erzählungen und Gerüchten verriethen weder
ikin Ausdruck noch seine Worte irgend etwas, was an
schmollen oder Frondiren erinnert hätte. Es war

ein Grandseigneur, liebenswürdig bis zur größten
Einfachheit und einfach bis zur Gutmüthigkeit, der da
ruhigen Gemüthes und klaren Geistes ausruht im
Kreise der Seinigen von. den Staatsgeschäften, aber
unter der Unthätigkeit keineswegs leidet, nicht den
Muth sinken läßt und die Ruhe zu genießen versteht,
gewissermaßen Kräfte zu neuer Thätigkeit sammelnd.
Die Persönlichkeit des Fürsten ist eine hochgradig be-
zaubernde: als während meiner langen Unterredung
mit dem Fürsten nach Tisch der vermuthlich im Kriege
verwundete Baron Ohlen auf uns zuhinkte und sich
ehrfurchtsvoll verabschiedete, küßte er ihm die Hand,
was der Fürst als etwas ganz Gewöhnliches, ja Selbst-
verständliches aufnahm, und ich wunderte mich darüber
gar nicht, sondern begriff es, und es rührte mich. Als
der prachtvoe Leres gereicht wurde und allgemeine
Aufmerksamkeit erregte, bemerkte der Fürst, sich auf
den deutschen Botschafter am spanischen Hofe berufend,
daß der Feres bei ihm auf dem Gut fabrizirt werde.
Hierzu werde das Waffer aus dem Flusse Au genom-
men, mit dem Wasser einiger anderer örtlichen Quel-
len vermischt, mit allen möglichen Kräutern und
Säften versetzt nnd abgezogen und schließlich in Fla-
schen verkorkt, um dann nach der pyrenäischen Halb-
insel zu gehen, und von dort als „Leres de la Fron-
tera" nach der ganzen Welt versandt zu werden. Der
Fürst trug diesen Scherz so humoristisch vor, daß wir
uns Alle, die Seinigen, die Gäste und sogar die
Dienerschaft vor Lachen halten mußten. Der Fürst
redete mich zwei, drei Mal in russischer Sprache an und
äußerte dabei sein Bedauern, daß er das Russische
wie das Englische fast vergessen habe, daß er aber
noch beide Sprachen lese und schon bei der zweiten
Seite den Sinn vollständig verstehe. Was übrigens
das Russische anlange, so habe er die russische Salon-
sprache nie gekannt, nur die literarisch-journalistische
und am Msten vielleicht die Sprache der Dienerschaft,
der Kutscher, der Bauern, der Jäger — die Sprache
des gemeinen Volkes, wo das magische „Nitschewo"
eine so große Rolle spiele. Es war auch die Rede
von der bekannten „Nitschewo"-Anekdote aus den
Tagen des Bismarck'schen Gesandtenthnms in Ruß-
land, dieselbe erwies sich als wahr: der Fürst hatte
sich aus dem Eisenbeschlag des umgeworfenen Schlittens
keinen Ring, sondern eine Petschaft mit der Inschrift
„Nitschewo" machen lassen rc. In Folge einer flüch-
tigen ironischen Bemerkung des Fürsten Bismarck
über den Battenberger erzählte ich ihm lachend, daß
bei uns in politischen Kreisen eine Anekdote knrsire,
wonach der Fürst vom Battenberger befragt, ob er

den bulgarischen Thron annehmen solle, gesagt habe:
„Gewiß, in jedem Falle werden Sie im Alter eine
angenehme Erinnerung mehr haben." Der Fürst er-
widerte: „Ja, das habe ich buchstäblich gesagt, aber
nicht zum Battenberger, sondern zum Prinzen Karl
von Hohenzollern, dem Könige von Rumänien. Der
aber ist noch dort."
Gegen Ende des Essens wurde der Fürst, ganz
auf den politischen Boden übergehend, ernster. Seine
Worte richteten sich an mich. Allerdings sprack er
bisweilen mit einer gewissen Bitterkeit, aber ganz
ruhig, ohne jegliche Erregung nnd in plastischer, über-
zeugender und klarer Weise; er antwortete und er-
klärte Mißverständnisse so schnell, einfach, klar und
ohne alle Umschweife, daß ich an seiner Aufrichtigkeit
und Wahrhaftigkeit nicht zweifeln konnte. Die Tafel
wurde aufgehoben. Der Fürst stand ans und alle
begaben sich in das Gastzimmer, wo man Platz nahm.
Der Fürst trat auf mich zu und reichte mir die Hand
mit den Worten „Gesegnete Mahlzeit". Die Fürstin
brachte ihm eine lange Pfeife herbei; ich riß autz
meinem Notizbuch ein Blatt Papier heraus, drehte es
zu einem Fidibus, zündete diesen mit einem Schwefel-
hölzchen an nnd legte ihn auf die Pfeife . . , „Hier
sind Cigarren — sagte der Fürst, aus der Pfeife
schmauchend — ich nehme hier in der Divanecke
Platz; nehmen Sie sich Ihren Kaffee und setzen Sie
sich hierher zu mir." Dabei rückte er mir einen
Sessel zu. „So — jetzt wollen wir unser Gespräch
fortsetzen."
Mit diesen Worten bricht Herr Lwow seinen ersten
Bericht ab. Verschiedene, in einem folgenden Berichte
enthaltene Aeußerungen des Fürsten sind bereits nach
telegraphischen Mittheilungen des „Berl. Tagbl." aus
Petersburg wiedergegeben worden. In Bezug aus
die Orientfrage erklärte der Fürst gegenüber Herrn
Lwow, weder Rußland noch Oesterreich könnten er-
warten, daß Deutschland für sie arbeite. Es sei
Rußlands Fehler gewesen, daß es das erwartet habe.
Der Fürst betonte, der Battenberger sei aus dem
Berliner Kongreß nur bestätigt worden, weil er der
russische Kandidat gewesen sei. Nachdem er sich Ruß-
land untreu erwiesen, habe gerade er (Bismarck) sich,
entgegen dem Wunsche des Kaisers Friedrich, gegen
die Verbindung der Kaiserstochter mit Fürst Alexander
ausft'lehnt. Fürst Bismarck gestand ferner, er sei
geg n die Kaiserreise Wilhelm's II. nach Konstanti-
nopel gewesen. Die internationale Arbeiter-Konferenz
bezeichnete der Fürst als einen Schlag ins Wasser.
Uebrigens sei die Unzufriedenheit der Kapitalisten

Treuer Liebe Lohn.
Roman von U. Rosen
(Kachdr. Verb.)
Die beiden Diener bekundeten ihre Bereitwilligkeit,
^rinond's Plan zu unterstützen, den sie leicht ausführbar
landen.
„Der Knabe muß in ein sicheres Versteck gebracht
Werden, Mylord," bemerkte Wig. „Ich weiß einen solchen
Erinnern sich Euer Gnaden an Grethe Wilms, Negun's
Aewalige Braut? Vor eiuigen Jahren erbte sie eine Hütte
IN Gebirge und die dazu gehörige Schäferei in dem wil-
Uten und entlegensten Theil von ganz Wales. Sie lebt
einsam und hat meilenweit keinen Nachbarn. Ich habe
AEinr Bekanntschaft mit ihr aufrecht erhalten und sah sie
-r" vor Kurzem, und wenn ich ihr den Knaben überbringe,
M irgend eine Geschichte vorerzähle und ihn Ihre»
^°hu nenne, wird sie schon auf ihn Acht geben. Der
?"obe wird in jener wilden, schluchtenreichen Gegend wie
„sU°ren sein. Ehe der Morgen graut, bin ich mit ihm
Merwegs."
„ Ormond ertheilte seine Zustimmung und einige noch
Abwendige Anweisungen, und Wig nahm den ruhig
Eiterschlafenden Knaben in seine Arme, und entfernte sich
ihm.
v „Der Besitz des kleinen Schlingels ist von großer Be°
Mung für mich," rief Ormond mit erneuerter Hoffnung.
xj"^>rgen müssen wir Schritte thun, das Mädchen wieder
.."Mangen, Negun. Ach, ich bin müde und will noch
^lge Stunden ruhen."
ein warf sich ongekleidct auf sein Bett und schlief bald
dotn Diener lehnte sich in einen bequemen, weich ge-
iei» rten Sessel, und nach wenigen Minuten verkündete
'n Schnarchen, daß auch er entschlummert war.
Beide wurden durch ein heftiges Gepolter an der
"usgeschreckt. Negun schlug die Vorhänge zurück, das
tz.,"sienlicht strömte hell und warm durch das Fenster und
da« Ell>, daß der Tag schon ziemlich vorgerückt war. Auf
tr>.„. wiederholte ungeduldige Pochen öffnete der schlaff
"nkene Diener endlich.
Der frühe Gast, war Lord Paul Grosvenor.

„Lord Ormond?" fragte er, sich dem Bette nährend,
auf dessen Rand der Gesuchte saß.
Ormond nickte mürrisch. „Und mit wem habe ich das
Vergnügen?"
„Ich bin Paul, Lord Grosvenor, der Freund Gottfried
Trewor's und seiner Familie. Ich komme, den kleinen
Egon zurückzufordern, den Sie gestern Abend entführten!"
Vergebens juchte der Blick des jungen Mannes nach
dem Kinde.
„So sind Sie der Verthcidiger dieses übelberufenen
Menschen?" lachte Ormond. „Ein Edelmann wie Sie,
sollte sich nicht so tief erniedrigen "
„Erniedrigen könnte mich nur eine Verbindung mit
Ihresgleichen," entgegnete Grosvenor blitzenden Auges.
„Was haben Sie mit dem kleinen Egon gethan?"
„Ihn dort versteckt, wo ibn außer mir Niemand finden
wird. Ich werde ihn seinen Eltern nur unter gewissen
Bedingungen ausliefern!"
„Und diese Bedingungen sind?"
„Die Hand seiner Tochter Giralda, und als Mitgift
die Hälfte des Vermögens ihrer Mutter."
„Nimmermehr!"
„Ah, ich sehe, daß ich in Lord Grosvenor einen Neben-
buhler habe. Aber geben Sie die Partie verloren. Ich
habe das Spiel gewonnen, mein junger Freund, und Ihre
Liebe ist hoffnungslos."
„Fräulein Arevalo ist meine Braut!"
„Aber noch nicht Ihre Gattin. Ich halte meine Be-
dingungen unverändert aufrecht! Jeden Augenblick kann
ich Schmach und Tod über die Familie bringen; ihre Ehre
und ihr Glück liegen in meinen Händen."
„Ihr unheilvolles böses Treiben wird bald zu Ende
sein, mein Herr, Ihre Verfolgung der Unschuldigen bald
aufhören. Hiefort werden Sie ihnen nichts mehr zu Leide
thun, ohne mich erst auf ihrem Wege zu finden und mit
mir zu kämpfen."
36 Kapitel.
Die beiden Freier.
Giralda stand au dem eisernen Gitter, das den Schloß-
garten umfriedigte, und blickte unruhig und erwartungsvoll

auf die Straße. Sie hatte von Grosvenor seit seiner Ad-
reise nichts gehört, und die Besorgniß um seine Sicherheit
gesellte sich zu dem Kummer mu ihre Eltern.
„O, Paul! Paul!" murmelte sie. „Wenn ich Dich in
unseren Familienjammer hineinzogen, und den Haß unseres
Feindes auch auf Dich herabbeschworen hätte, würde ich
mir nimmer verzeihen!"
Das Klirren von Pferdehufen auf dem steinigen Wege
schlug an ihr Ohr. Sie öffnete die kleine Gitterthür unv
trat einige Schritte hinaus auf die Straße. „Es ist Paul,"
flüsterte sie strahlend vor Freude. „Es ist gewiß mein
theurer Paul!" Erröthend und verwirrt eilte sie Lord
Grosvenor entgegen, der, von seinem Pferde springend,
beide Hände des zitternden Mädchens ergriff. Ihren Kopf
an seine Brust lehnend, lauschte sie den süßen Liebesworten,
die er ihr zuraunte.
Plötzlich kehrte ihre Besorgniß mit voller Gewalt
wieder zurück- „Du warst also in Birkenhain ?" fragte sie.
„Und warntest meinen Papa?"
„Ja. Ich traf Abends in Birkenhain ein. Auch Deine
Mama war dort. Wenige Minute vor mir hatte Lord
Ormond sich unter Drohungen von ihnen entfernt."
„Papa ist also dennoch verloren ?" seufzte Giralda-
„Nein Geliebte. Wir handelten schnell. Dein Papa
fuhr in seinem Wagen bis zu einer Station mehrere
Meilen außerhalb Eures Dorfes und befindet sich in diesem
Augenblick mit Rupert wohlgeborgen auf einem meiner
Güter, wo ihn selbst der Detektive Ormond's nicht ent-
decken wird."
Giralda athmete freier auf- „Dem Himmel und Dir
fei Dank," hauchte sie. „Und Mama?"
„Ich begleitete sie nach London in das Haus ihres
Vaters zurück. Ich gestand ihr meine Liebe für Dich, und
sie gestattete mir, ihr beizustehen. Im Laufe dieser Woche
wird sie sich auf das Land begeben."
«Und Egon?" Du erwähntest seiner noch gar nicht "
„Sei muthig, Giralda," erwiderte Lord Grosvenor
zögernd. „Ormond entführte den Kleinen aus Birkenhain."
Fortsetzung folgt-
 
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