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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Januar - 14. Januar)
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erEonntagsbote"sür Heidelberg monatlich SS
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anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.

Organ für Aalrrlmi, Freißeii L KeM.

8k. z L I. HrWkli, ÄVtW, dkl Zmar.

Drucku. Verlag von Grbr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

1890.

der heutigen Nummer liegt „Der Konntagsbotr ' Nr. 2 bei.
Dieser Nummer des „Bad. Volksbvteu"
ist für die Abonnenten als Gratisbeigabe
der versprochene
Wandkalender für I8W
beigelegt. Leider ist auch unsere Druckerei von der
Aller Welts-Influenza tüchtig heimgesncht worden; der
größte Theil unseres Personals erkrankte, so daß sich
die Fertigstellung des Kalenders erheblich lzxrzögerte.
Einer Entschuldigung bedarf es deshalb wohl nicht.
Der Verlag.

v Dn AMGMnm
ist, wie wir gestern bereits nnsern Lesern mittheilen
konnten, auf den 20. Februar festgesetzt und somit
nur noch eine kurze Zeit übrig, um sich zu dem Kampfe
gegen Liberalismus und Kartell zu rüsten. Die offi-
ziösen Ausstreuungen, als sei der Wahltag noch in
weiter Ferne, sind dadurch zu schänden geworden und
es heißt nun mit sicherer Hand und klugem Wort
alle Jene zur bevorstehenden Mion zu vereinigen,
welche Kraft ihrer Gesinnung zu uns gehören, welche
Centrumsmäuner sind; es wird aber auch das Augen-
merk unserer Parteileitung darauf zu richten sein,
die Verhältnisse in Wahlkreisen, in denen es unwahr-
scheinlich oder unmöglich ist, einen Kandidaten der
Centrumspartei dnrchznbringen, genau zu prüfen n. nach
der Dinge Lage klug zu handeln. Jedenfalls gilt
auch in nnserm Lager diesmal die Parole Gegen das
Kartell allerorten im ganzen deutschen Vaterlande,
lieber einem Demokraten oder Freisinnigen sei unsere
Stimme zngewendet, als einem Vertreter der National-
liberalen, jener Partei, die der ärgste Feind unserer
katholischen Kirche, der Hort des evangelischen Bundes
und das Nest des Kulturkampfes ist. Die national-
liberale Partei muß zu politischer Bedeutungslosigkeit
herabgedrückt, sie muß derartig dezimirt werden, daß
sie keinen Einfluß mehr auf die politischen Wand-
lungen des Reiches auszuüben im Stande ist, dann
erst werden für das Volk, für den Handwerker, den
kleinen Geschäftsmann, den Bauern und Arbeiter wieder
bessere Tage kommen, dann erst wird das Zusammen-
stießen des Geldes zu wenigen großen Haufen im
Besitze einzelner wenigen Reichen aufhören und der
goldene Mittelstand, dieser sichere Grundbau eines
jeden Staatengebildes wieder blühen und zur Geltung
kommen.

Höhenluft.
Von Gary Groß.
(Nachdr. Verb.)
85) (Fortsetzung.)
Von der Thüre aus warf die lebhafte Frau noch ein e
Kuhhand zurück uud eilte fort.
Die Sängerin stand noch vor dem Spiegel, und aber-
mals traf ihr Blick ihr geschmücktes Bild, aber immer
trüber sah sie darauf.
„Elsa kann nicht vergessen, daß sie Raimonda ist,"
sagte sie traurig, „Nicht die Geliebte, Beglückte, die durch
Zweifel nur ihr hehres Glück zu stören vermag — sondern
Raimonda — die Vielgeschmähte, die zwar ohne eigene
Schuld, aber darum nicht minder unwiederbringlich das
Herz verloren hat, das sie für ewig gewonnen glaubte.
Wo ist der Zauber, der dies vergessen liehe? Wo die
Kunst, die darüber erheben könnte ? Inhalt unseres Lebens
sti sie? Höchste Befriedigung? Erhabene Mission? — O,
dah dies keine leeren Worte wären, — oder daß es keine
erbärmlichen Menschen gäbe, die solche Illusionen zerreißen!
7- Da tönte wie eine Klage, wie ein sanfter Vorwurf ein
süßer Klang an Raimondas Ohr. Wohlbekannte Melodien
wie sie ost von Alfreds Violine getönt, drangen zu ihr,
mehr noch, dieselben Harmonien, die seine Liebesgrüße am
letzten Abend in Pontresina zu ihr getragen, sie tönten im
anstoßenden Raume, sie wurden dort von Meisterhand für
die Gäste der Frau Wolost gespielt!
Auf Raimonda wirkte die schöne Musik geradezu ver-
nichtend- Alle Stürme ihres Herzens wurden wach:"; sie
konnte es nicht aushalten, diese, gerade diese Melodie zu
doren, die einen zerreißenden Schmerz in ihr erregte; sie
nächtete in ein tiefer gelegenes Zimmer, wohin die Klänge
-ncht dringen konnten, und rang nach Fassung und Ruhe
und nach dem Vorsatz, daß die Liebe ersterben müsse und
dw Kunst allein ihr Leben füllen solle.
Aber auch Alfred wurde durch die nämlichen Melodien
an jenen Abend erinnert, der ihn und Raimonda zum
letztenmale glücklich. Da hob sich auch schon der Vorhang,

Die rasche Anberaumung des Wahltermins be-
rechtigt zn dem Schluffe, daß die Negierung auf ein
Zustandekommen des Sozialistengesetzes, wie sie es
wünscht, in diesem Reichstage nicht mehr rechnet und
die Reichstagssession schnell ihren: Ende entgegengehen
dürfte. Das Sozialistengesetz wird die Wahlparole
sein, was uns nur angenehm sein kann, da die
Kartellparteien bekanntlich gerade in dieser Frage ge-
spalten und uneinig untereinander sind. An dem
katholischen Volke aber wird es nun liegen, den
Feinden unserer Partei den schlagenden Beweis
glänzend zu liefern, daß der Thurm des Centruins
festgefügt und unwankbar steht, erbaut auf dem Boden
des Glaubens, vertheidigt von wackern Männern, in
deren Brust die Liebe zur Religion flammt und ein
Herz sür's Volk schlägt.
Möge sich kein wahlberechtigter Bürger^ abhalten
lassen, am 20. Februar an die Wahlurne zn treten,
weil er glaubt, daß der Besitzstand des Centrums ja
doch so wie so gesichert sei, und es ans seine Stimme
nicht ankomme; es spricht noch etivas ganz anderes
mit. Bekanntlich haben wir in Baden das indirekte
Wahlrecht, das nicht allein eine unwürdige Bevor-
mundung eines politisch reifen und selbstständig
denkenden Volkes ist, sondern auch die wirkliche Ge-
sinnung des Volkes verschleiert. Die direkte Wahl
allein ermöglicht es, festzustellen, wie groß die Zahl
der Anhänger einer Partei ist. Die Nationalliberalen
Badens behaupten nun, das Centrum habe keiueu
Anhang in dem zu zwei Drittel katholischen Lande.
Daß dem nicht so ist, daß vielmehr das Heer der
katholischen Kämpfer für Wahrheit, Freiheit und
Recht mächtig angewachsen ist, das beweise Badens
katholisches Volk, indem es Mann für Mann herbei-
strömt znr Wahlurne und den liberalen Gegnern einen
vernichtenden Gegenbeweis auf ihre vage Behauptung
liefert.
Deutsches Reich.
* Berlin, 10. Jan. Morgen Vormittag 11 Uhr
findet in der Schloßkapelle vor dem Leichenbegängnis;
ein Gottesdienst statt. Nachdem der Segen über die
sterbliche Hülle gesprochen ist, wird der Sarg von
24 Kammerherrn zum Leichenwagen getragen und
auf denselben gehoben. Die Ordnung des Zuges ist
folgende: Den Zug eröffnet je eine Eskadron des 1.
Garde-Dragoner- und Garde - Kürassier - Regiments
„Königin", ein kombinirtes Bataillon des 4. Garde-
Grenadier-Regiments „Königin"; sodann folgen eine
Eskorte Gardes du Corps, zwei Hoffouriere, die Geist-
die Szene begann und er glaubte zn träumen, als er
Raimonda als Elsa sah
Erst der stürmische Beifall des Publikums erinnerte,
als der Vorhang gesunken war, ihn wieder an diese Welt,
und sie zwang ihn, auszuhalten auf seinem Platz, und ließ
ihm Zeit, seine Gedanken zu sammeln, und zu begreifen,
wie es gekommen sein mußte, wie die Fäden hier zusam»
menliefen, denen er vereinzelt gefolgt, dort Negroni, hier
Madame Monetti suchend. Also Raimonda war der Stern,
von dein die müßigen Helden der Boulevards gesprochen
hatten, und wie gesprochen! Die Erinnerung jagte Alfreds
Blut ihm wild durch die Adern, er mußte so schnell wie
möglich seine Perle, sein Edelweiß, das er sich nicht anders
denken konnte, als von reiner Höhenluft umweht, retten
vor srechcn Blicken, vor den Miasmen der Tiefe. — Es
bedurfte all seiner Willenskraft ihn vor einem tollen
Streiche, vor einer ungestümen Szene zurückzuhalten und
die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, die eine streng
männliche Erziehung ihm zur zweiten Natur gemacht. Er
bedurfte ihrer; denn, als der Vorhang sich wieder hob,
da begann die ergreifende Szene im Brautgemach, wo
Elsa sich durch Lohengrins Bitten nicht vor der verhäng-
nißvollen Frage zurückschrecken läßt. Der Sänger, welcher
den Lohengrin spielte, war ein schöner Mann, seine Stimme
hatte einen tief sympathischen Klang. In Alfreds Ohr
aber drang sie wie ein schneidender Mißton. Es war ihm
unerträglich, seine Raimonda, die ihm ihre Liebe geschenkt,
einem anderen ihre Blicke zuwenden zu sehen, zu hören,
daß sie von Gefühlen sang, die ihm, ihm allein gehörten,
und das vor einer schaulustigen Welt, die ihm Hassenswerth
erschien ob ihres Äeifallrufcns, ihrer Bewunderung. Es
war Alfred fast nicht möglich auf seinem Platze auszu-
halten, nicht durch alle Fesseln der Weltgesetze hindurch zu
brechen, hinauf zu stürmen, wo Raimonda stand, und sie
fortzutragcn aus einem Kreise, der ihm ihres Anblickes
unwürdig schien. Wie im Wahnsinn glühten und jagten
Alfreds Gedanken, bis endlich der Vorhang fiel und das
Aufstehen der Menschen ihm erlaubte, aus dem Saale zu
stürmen. Wohin, wußte er nicht, nur daß er zu Raimonda
müsse-

lichkeit, die durch je zwei Marschälle unterbrochene
Dienerschaft, die Hansofficianten, Hofbeamten, Pagen
Leibärzte, zwei Marschälle, Kaimnerjnnker, Kammer-
herren, Deputationen des Königin Augusta-Regiments,
und des Kürassier-Regiments „Königin", vier adelige
Marschälle. Die Insignien werden getragen vom
Grafen Lehndorff, General Albedyll, General Loe,
Fürst Radziwill; dann tfolgen die Hvfchargen, der
Dienst der Kaiserin, der Leichenwagen. Acht Staats-
offiziere führen die Pferde. Die Zipfel des Leichen-
tuches tragen Ttaatsminister Pnttkamer, die Ge-
neraladjutanten Graf Brandenburg, Graf Goltz und
Treskow, den Baldachin zwölf Kainmerherreu. Hier-
auf kommen die obersten Hofchargen, diesen folgt der
Kaiser mit dem König von Sachsen, Großherzog von
Baden, Großherzog von Sachsen, dann die Kaiserin
Angusta Viktoria, Kaiserin Friedrich, Großherzogin von
Baden. (Die königlichen Prinzessinnen begeben sich
vom Schlosse zu Wagen unmittelbar nach dem Mau-
soleum in Charlottenburg). Sodann folgen die
königlichen Prinzen, die zum Leichenbegängnisse er-
schienenen Herrschaften, die Abgesandten der fremden
Souveräne, die Prinzen souveräner nenfnrstlicher
Häuser, der Vicepräsident des Staatsministeriums,
die aktiven und inaktiven Generäle, die Bevollmäch-
tigten des Bundesrathes, die Minister und Präsiden-
ten des Reichstages und des Landtages, die Genera-
lität, die höchsten Beamten, Deputirte aller hohen
Behörden, der Akademie der Wissenschaften, der Uni-
versität, der Künste, des Magistrats, der Stadtver-
ordneten Berlins, Potsdams und Charlotteuburgs,
Deputationen des Vaterländischen Frauenvereins, der
Vereine vom Rothen Kreuz. Den Zug schließt eine
Escadron Gardes du Corps. — Der Sektionsbefund
der Leiche der verewigten Kaiserin Augusta ergab als
muthmaßliche Todesursache ein Lungen-Emphvsem,
während die jahrelangen Leiden der hohen Frau die
Kräfte verzehrt hatten. Neber die letztwilligen Ver-
fügungen der Kaiserin wird bekannt, daß dem Kaiser
Wilhelm das hiesige Palais und Schloß Babelsberg,
die Schöpfung und der Lieblingsplatz Kaiser Wilhelm I„
der Großher zogin v 0 nBaden eineGeldzu-
wendung, es heißt, vier Millionen, vermacht worden
sind. Die Dienerschaft, wohlthätige S'.iftungen u. f. w.
sollen reich bedacht sein.
-t-» Berlin, 10. Jan. In der gestrigen Sitzung
der Budgetkommission des Reichstags legte Staats-
sekretärs v. Stephan dar, Preußen habe die für das
Absteigequartier des Königs bestimmten Räume in
der alten Post als unverwendbar für die Post schon

Nur halb kam Alfred zu sich, als Uchenieff sich am
Eingänge des Saales ihm in den Weg stellte!
„Wohin so eilig? Sie sind wohl schon Feuer und
Flamme? Kommen Sie, dort steht Madame Wolost und
empfängt die Danksagungen des entzückten Publikums-
Ich stelle Sie vor. Armandine u. Madame. Monetti sind
auch in ihrer Nähe. Aber was haben Sie? Sie wollen
nicht kommen?"
„Unmöglich — jetzt nicht! — Aber wo ist, wo finde
ich — ?" Der Name Raimonda wollte nicht über Alfreds
Lippen.
„Ah, ich merke," lachte Uchenieff; „es liegt Ihnen
mehr an der Stella, als an meiner alten Landsmännin!
Aber Sie müssen sich gedulden: das Vöglein ist prüde,
oder stellt sich so und hat die Manie, ihre kleidsame Toi-
lette abzulegen, ehe sie im Saale erscheint. Sobald das
geschieht, werde ich Sie ihr zuführen; doch gestehen Sie
zuerst, daß ich mehr als generös bin- Offenbar werde ich
einen gefährlichen Nebenbuhler an Ihnen haben. Nicht
wahr, sie ist deliciös!"
Alfred bebte zurück vor Uchenieffs Berührung, als
dieser den Arm in den seinigen ichlingen wollte. Wie sollte
er in Gegenwart dieses Menschen sich Raimonda nähern?
Wie ibn oder einen anderen Zeuge ihres Wiederfindens
sein lassen? — Das vermochte er nicht; lieber noch die
Qual des Wartens ertragen-
„Aber so kommen Sie, Stahrberg, zur Hausfrau !"
drängte Uchenieff, „dort finden wir am ersten d:e Schöne,
sobald sie erscheint."
„Nicht doch! Ich muß fort !" stieß Alfred ^hervor;
„wiederholen Sie mir nur die Adresse; sagten sie nicht
.-Vverius <lss rois?"
„Richtig, ^vsnus clss rois Nr. 7 ist die Pension
die der Nachtigall als Käsig dient; doch bauen Sie dar f
keine Pläne. Ich sagte Ihnen schon, daß dort keine Be-
suche angenommen werden. Hier ist neutrales Gebiet;
hier allein können Sie Ihr Glück versuchen; aber gleich,
das Spiel soll ehrlich sein. Ich gehe Ihnen nicht von der
Seite, das sage ihn Ihnen."
(Fortsetzung folgt.)
 
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