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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 71 - Nr. 80 (28. März - 10. April)
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t.

Beraptwortl. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

! Druck u. Verlag von Gedr. Huber in Heidelberg
i früher Verleger des Pfälzer Bote».

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ei .DerSonntagsbotr" für Heidelberg monatlich
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>°°



° Die me fiMslazsfksßM.
Nach Ostern wird, so nimmt man wenigstens all-
?^ein an, der nene Reichstag seine Arbeiten beginnen
gleich in der ersten Session vor Fragen der ernste-
Art gestellt werden. Der Kaiser, der ja doch
r'r eigentliche Oberleitung der Regierung darstellt,
M in anerkennenswerthester Weise die Initiative auf
^ein Gebiete ergriffen, von welchem die Regierung
^ange Bismarck an ihrer Spitze stand, nie so recht
/Mrs wissen wollte. Es wird deshalb eine der ersten
wichtigsten Fragen die der Arbeiterschu tz-
^setzgebung sein, die sowohl durch die Berathungen
Staatsrathes wie der interuatioualen Konferenz
^.'ches Material erhalten hat. Deutschland, welches
Konferenz berufen und geleitet hat, übernahm
,?^urch gleichzeitig die moralische Verpflichtung, nun
das erste Land zu sein, das die Resultate der
, ^athungen in Thatsachen umsetzt und seine Vorschläge
Praktischen Durchführung bringt. Es wird somit
Entwurf einer Arbeiterschntzgesetzgebung den Reichs-
s in erster Linie beschäftigen müssen. Die Sozia-
hiien frage dürfte vorläufig neue Kämpfe nicht
dvrrufen, hat man doch anscheinend höheren Ortes
Verlängerung des Sozialistengesetzes, welches
h?üde das Gegentheil der erhofften Wirkung hervor-
aufgegebcn, um mit idealen Waffen des Geistes
! die umstürzlerischen Bestrebungen der Sozial-
h^vkratie offen und ehrlich auf dem gleichen Gebiete
allgemeinen Rechts zu Felde zu ziehen.
h Größere Schwierigkeiten wird jedenfalls die bis-
^>ge Fortführung der Kolonialpolitik verursachen,
h eine eigentliche Mehrheit für die Bestrebungen der
,^nialenthusiasten nicht *mehr vorhanden ist und
h>iA das Centrum es sich wohlweislich überlegen
so noch länger für eine abenteuerliche Politik, die
heilig zur Förderung jener humanen Bestrebungen
^tragen hat, welche unsere Partei leiteten, ein-
^ien. Tie Regierung bringt jedenfalls eine
ihjiage zur weiteren Fortsetzung der Kämpfe,
M^stcifrika, die nun schon 20 Monate dauern, ein.
in das Etatsjahr 1889/90 fallenden 7Monaten
Mu 800 000 Mk. gebraucht, für das Etatsjahr
O^. /stO hat der frühere Reichstag 2,150,000 Mk.
pdik^P, und an den neuen Reichstag tritt mau sicher
mit einer Geldforderung heran, die höher ist,
Ee bisherigen. Als Windthorst, durch die be-
kh, Resolution, im Dezember 1888 die Regierung
^-Einschreiten in Afrika aufforderte, war in erster
von der Unterdrückung des Sklavenhandels die
Treuer Kiede Kohn.
Roman von U. Rosen.
(N«chdr. rerb.>
^E^ie seltsam ich mich zu Dir hingezogen fühle, Kind,"
M kr, sich seinem Sessel erhebend, und seine Hand
AtzPni Kopf legend. ..Ich empfinde für Dich, was ich
xjs'r Gottsried's Kinder empfinden zu können hoffte,
vsimö^cii st mir heute merkwürdig bekannt und vertraut,
a't jM.und Deine Aehnlichkeit mit den Trcwor's fällt
a dieser Minute noch mehr auf, als seither. Wäre
-/kll^Klich, Kind, daß wir von demselben Blut und
entfernt verwandt sind? Deine Mutter ist eine
Ke^derin. Ich muß mit ihr über diesen Gegenstand
U es l.. würde mir große Freude machen, zu finden,
die Bande des Blutes sind, die mich so unwider-
si Dir ziehen, meine Tochter."
wünschte, es wäre so," entgegnete Giralda ernst,
sie die Wärme des kindlichen Gefühles verrathend,
bereits an den einsamen alten Edelmann fesselte,
i, H^d Trewor ging lächelnd zu einem Sopha, auf dem
„f-.O lag, das er hastig auscinanderfaltete. „Aus
Ltk ^wken Umfang Deiner Reisetasche schloß ich, daß
b A°sderobe nicht sehr vollständig ist," sagte er gütig.
Vkrli.O" Großpapa Hobe ich Fürsorge getroffen, die
b- L'lw Einfachheit Deiner Toilette durch einige
b »fsd'ben zu heben." Mit diesen Worten warf er
flbq, TNbarcn Opernmontel ans weißem, in bunter Seite
ovn Kaschmir um ihre Schultern- „Während Du
bvsf "detest, war ich ausgcgangen. Dir diese Umhülle
Etzgsw hier, den Diamantenstern habe ich Dir
Vvjgwuch für Dein Haar mitgebracht. Er paßt zu dem
M das Tu gleichfalls in diesem Kästchen findest,
stid ich >^ice Berril wird neugierig sein, wer Du bist,
I blockte, daß Du einen günstigen Eindruck auf sie
ächtest."
I^ipx^da murmelte ihren Dank für die reichen,
Gaben, deren Werth ihr erfahrenes Auge
- den wußte. Bald glänzte der Stern in ihrem
" vaar, das Medaillon an ihrem Halse-

Rede, während thatsächlich die Sklavensrage bei den
dortigen Expeditionen immer mehr in den Hintergrund
getreten ist und es sich einfach nur um die Unter-
werfung der Küstengebiete unter die Herrschaft der
ostafrikanischen Gesellschaft durch Reichsgewalt handelt.
Bon höherer Bedeutung aber noch als die kolo-
nialpolitischen Geldforderungen sind die angekündigten
neuen Forderungen, welche dem Reichstag für Mili-
tärzwecke unterbreitet werden sollen. Dieselben kommen
ganz überraschend.
Im Jahre 188? wurde die Erhöhung der Friedens-
präsenzstärke um 42 000 Mann für die Dauer von
7 Jahren Anlaß zur Reichstagsauflösung und zu
einem Appell an die Wähler. Jetzt sind noch nicht
diejenigen 3 Jahre abgelaufen, für welche damals das
Centrum bereit war, eine Bewilligung eintreten zu
lassen, und schon heißt es, daß die Regierung selbst
sich an das von ihr erkämpfte Septennat nicht für
gebunden erachten könne und eine weitere Erhöhung
der Friedenspräsenzstärke darüber hinaus zur Auf-
stellung neuer Cadres, besonders der Artillerie, ver-
langen müsse. Noch im Jahre 1889 hat eine Ver-
mehrung der Zahl der Mannschaften und der Pferde
der Artillerie stattgefunden unter dem ausdrücklichen
Hinweis, daß dadurch eine Vermehrung der Batterie-
zahl im Frieden erspart werden könne. Ebenso ist
während der letzten Session vom Kriegsminister auf
das bestimmteste in Abrede gestellt worden, daß die
Bildung, der beiden neuen Armeekorps eine Vermehr-
ung der Feldartillerie nothwendig mache. In den
benachbarten Staaten sind inzwischen solche Aenderun-
gen nicht erfolgt, auf welche man zur Begründung
Hinweisen könnte. Man muß sich fürwahr fragen,
zu welchem Ende die fortwährenden Steigerungen führen
sollen.
Eine Zeit lang schien es, als ob man die Mehr-
forderungen durch Verkürzung der Dienstzeit, welche
entschieden Ersparnisse bedingen mußte, ausgleichen
wollte. Wahrscheinlich ist diese Ansicht aber aufge-
geben worden, weil man glaubt, eine längere Militär-
dienstzeit gewähre einen größeren Schutz gegen die
Verbreitung sozialistischer Ideen. Doch ist hier
gerade das Gegentheil der Fall,, denn in erster Reihe
hat die Sozialdemokratie Nahrung ans dem wach-
senden Unwillen der Bevölkerung über die sich ins
Unabsehbare steigernden Militärlasten gezogen. Man
sollte endlich ernsthaft daran gehen, der stetig zuneh-
menden Unzufriedenheit des Volkes einen Damm ent-
gegenzusetzeu, indem man nicht allein Arbeiterschutz-
gesetze schafft, sondern auch die Steuer- und Wirth-
Wig meldete, daß der Wagen voraefahren sei, und
nach wenigen Minuten rollten sie dem Theater zu.
„Die Vorsehung selbst sendete Dich mir, Giralda,"
sagte der Maiqris im Tone tiefster Befriedigung „Mein
Leben hat sitzt neuen Reiz für mich gewonnen. Ich liebe
Dich, wie ein eigenes Kind, und ich weiß. Tu vergiltst dem
grimmigen alten Manne seine Liebe. In Dir ist kein
Falsch und kein Trug, mein Töchterchen. Noch vor einer
Woche würde ich meiner gegenwärtigen Weichmüthigkeit
gespottet und mich einer wahren Zuneigung nicht mehr
fähig gehalten haben, jetzt bin ich voll Ungeduld, Dich von
Deinen Eltern als meine Enkelin zu erbitten."
„Ich hoffe, wir sehen heute Abend Mama," rief
Giralda. „O, Mylord, sie ist schön, wie ein Traum,
liebend und zärtlich, wie ein Engel! Ich bin schon voll
Ungeduld und Erregung, ihr endlich wieder in's Auge
zu schauen!"
Dieser Ungeduld be gönn sich eine seltsam bange Ahn-
ung zuzugesellen.
„Wie bleich Du geworden bist," bemerkte Lord Tre-
w or, als Giralda an seinem Arme zu der Loge emporstieg.
„ Muth mein Kind, Deine Mama wird Dir nicht grollen,
daß Tu kamst. Ein alter Mann wie ich ist ein peöig-
netcr Beschützer für die Jugend. Denke nur an die frohe
Ueberraschung, die sie erwartet."
Giralda hatte von ihrem Platz aus einen vortrefflichen
Ueberblick über das ganze Haus sowohl, wie über die
Bühne. Der Marquis hatte sich dicht neben sie gesetzt
und begann, sie aus Dieses Jenes aufmerksam zu machen.
Sie war überrascht und verwirrt, eine so groye, glänzende
Versammlung um sich zu sehen.
„Jene Loge uns gegenüber," erklärte Lord Trewor,
„ist die Königliche, die dicht daneben ist die des Grafen
Berril. Dort drüben kannst Du den Grafen Münster,
den Botschafter des deutschen Reiches, sehen. Der Herr,
welcher soeben grüßte, ist Graf Kärolyi, der Botschafter
Oesterreich-Ungarns- Von unseren Ministern und Staats-
männern sind noch wenige hier."
Der Vorhang ging auf und der erste Akt begann.

schaftspolitik des Reiches in Bahnen lenkt, welche dis
breiten Schichten des Volkes vor Nachtheilen gegen-
über dem Kapital und Großgrundbesitz bewahren. Vor
allem anderen aber muß darauf gesehen werden, daß
dem Volke durch konstante Einwirkung erziehlicher
Faktoren die Religion wiedergegeben und erhalten
wird. Wir betonen immer und immer wieder, daß
das Schooßkind des Liberalismus, das moderne Hei-
denthum, unvermeidlich zu materialistischen Anschau-
ungen, der Mutter aller Unzufriedenheit u. umstürzleri-
schen Ideen, führen muß. Zur Bekämpfung der So-
zialdemokratie Arbeiterschutzgesetze erlassen, aber gleich-
zeitig die bewährte Wirksamkeit der Religion durch
Fesselung der Kirche hemmen, heißt, zwei Pferde vor
und vier hinter den Wagen spannen. Der Vogel-
Straußpolitik, des Nationalliberalismus, dem die Wah-
len seine philantropische Strahlenkrvne als „Anwalt
des Volkes" vom Haupte gerissen haben, endlich ein
Ende zu bereiten und mit'den letzten Resten eines
unseres Zeitalters unwürdigen Kulturkampfes gründ-
lich aufzuräumen, ist eine Hauptaufgabe des neuen
Reichstags.

Deutsches Reich.
-tzs- Berlin, 1. April. Mit dem Frühlingsbe-
ginn regen sich allenthalben in der Arbeiterwelt auch
wieder Streikgelüste. Im rheinisch-westfälischen Stein-
kohlenrevier ist auf verschiedenen Zechen in der
Dortmunder und Gelsenkirchener Gegend ein theilwei-
ser Ausstand eingetreten. In Lübeck streiken seit
gestern 800 Sägemühl- und Holzarbeiter, weil die
Arbeitgeber sich nicht verpflichten wollten, nur Ange-
hörige des Holzarbeitervereins anzustellen. Der ge-
forderte Stundenlohn von 35 Pfg. wurde bewilligt,
jedoch erhielten 600 Arbeiter ihre Entlassung. In
München streiken die Zimmerleute, deren Haupt-
forderung in einen: stündlichen Mindestlohn von 50
Pfg. und modifizirter Arbeitszeit besteht. Die Mili-
tärverwaltung stellte für dringliche Militärarbeit Zim-
merleute des Eisenbahnbataillons zur Verfügung. Auch
die Schreiner und Schlosser drohen in den Lohnkampf
einzutreten. — In der Bemböffchen Möbelfabrik in
Mainz kam gestern Morgen auch ein Streik zum
Ausbruch. — Ju Wien, wo es (wie gestern bereits
gemeldet wurde), schon zu ernstlichen Ausschreitungen
kam, streiken 20,000 Maurer und Steinmetze. —
Schließlich werden auch noch aus England, Belgien
und Frankreich, woselbst es im Bergwerksbezirk 'von
Charleroi wieder einmal ernstlich gährt, Arbeitseinstel-
lungen gemeldet.
Giralda blickte erstaunt auf die Bühne. „Sie ist nicht
da, Mylord," flüsterte sie.
Der Marquis überflog den Theaterzettel. „So haben
wir uns in dem Theater geirrt," antwortete er. „Die
hervorragenden Künstlerinnen sind alle in dieser ersten
Szene beschäftigt. Aber beruhige Dick, Kind, wir werden
Deine Mutter morgen entdecken, und sollten wir von
Theater zu Theater fahren."
Giralda unterdrückte ihren Kummer und folgte den
Vorgängen aus der Bühne, der vielen Augen und Opern-
gläser nicht achtend, die auf sie gerichtet waren.
Der Marquis freute sich der Bewunderung, die fein
Schützling erregte- Mit dem Stolz eines Vaters verweilte
sein Blick auf dem schönen geistvollen Gesicht des jungen
Mädchens. Viele der Anwesenden kannten oen vornehmen
alten Mann, aber noch Niemand hatte ihn in so froher
Laune gesehen, seit Gottfried Trewor, sein vergötterter
Lieblikig, ihm den Glauben an eine bessere Natur im
Menschen geraubt.
Am Ende des ersten Aktes surrte und raschelte es in
der BerrU scheu Loge.
"Die Tochter des Grafen Berril ist angekommen,"
flüsterte der Marquis, nach jener Richtung deutend.
„Schau hin, Giralda. Du wirst die gefeierteste Schönheit
Englands sehen. Gottfried Trewor betete sie an, und
Eduard Ormond bewirbt sich seit Jahren um sie. Obgleich
nicht mehr jung, hat sie zahllose Bewunderer und Freier."
Giralda folgte dem Blick des Marquis in mädchen-
hafter Neugier. Sie sah einen alten Herrn von stattlicher
Gestalt und vornehmer Haltung an die Brüstung treten.
„Graf Berril," flüsterte der Marquis.
Der Graf fetzte sich in eine Ecke der Loge und ver-
barg sich im Schatten des Sammetvorbanges.
Im nächsten Augenblick kam Ldrd Ormond zum Vor-
schein. Er schob einen Sessel für Beatrice zurecht und
nahm an ihrer Seite Platz.
Giralda sah anfangs nur eine Märchenerscheinung
von einer Wolke weißer Spitzen umfluthet und von Dia-
manten funkelnd und strahlend und leuchtend.
Fortsetzung folgt.
 
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