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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 121 - Nr. 130 (30. Mai - 11. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0489

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Vrtcheiur tiegtich mU LuSucchme der So«»-». tzrrenage.
Ni»»»ue«e»tLpre4L mit der» -vöchcrlÜ'-cheuUuterhÄttingS-
ötM „DerGountegsbvte" sürHeivelberg mormtlich SV H
«'n Turgertodn, durch die Post bjyogen oiertelj. ^1.80 franco.

Organ für WakrMt, FrMeü L KeM.

Inserate die 1-spaltiZe Petitzeile oder deren Raum 10 L
Reklame 25 4-,. Für diesige (Geschäfts- und Privar»
anzeiqen, sowie für Jabrcs-Anzeiqcn bedeutende Radart-
bewilligung. Expedition r Zwingerstratze 7.


Verantwort». Redakteur: F. Z. Knappe j
ru Heidelberg.

Wkfbns, ssM, in ZI. Msi.

Druck ».Verlag von Äcbr. tauber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.


Abermals hat, wie unfern Lesern aus einer kurzen
Mittheilung bekannt ist, ein französischer Journalist,
diesmal ein Redakteur des „Petit Journal", eine
Unterredung mit dem Fürsten Bismarck gehabt, die
selbstredend in ausführlichster Weise veröffentlicht wird.
In dieser Unterredung, welche am 22. d. M. in
Friedrichsruh stattfand, äußerte der Exkanzler u. A.
Folgendes:


Ich habe seit meiner Abreise aus Berlin durchaus
aufgehört, irgendwelche politische Korrespondenz zu
führen. Spaziergänge im Wald bilden für mich das
einzige Mittel, die Zeit todtzuschlagen. Geärgert, wie
man vielfach behauptet, bin ich nicht. Der thatenlust-
gU'hende Kaiser will die Völker beglücken,; — ich
glaube kaum, daß die Möglichkeit in dieser Beziehung
eine sehr große ist. Ich habe ihm auch gesagt, daß
es mich nicht befremde, sein Mißfallen zu finden. Ein
altes Arbeitspferd und ein junger Renner können nur
schlecht in ein und dasselbe Geschirr gespannt werden.
Nur durch Politik, nicht aber durch chimärische Kom-
binationen richtet man bei den Menschen etwas aus.
Ich wünsche, daß die Versuche des Kaisers von Erfolg
fein möchten. Er war viel aus Reisen, und ich konnte
ibn nicht begleiten, — so gewannen andere, jüngere
Persönlichkeiten sein Vertrauen. Man hätte sagen
können, ich habe mir einen schönen Abgang (komm
kortw) bereitet; ich tröste mich aber mit dem Bewußt-
sein, daß die deutsche Krone stark ist. Ich bin durch-
aus kein Gegner der Kontrole durch Parlament und
Presse, ohne welche Mißgriffe unvermeidlich wären.
Die auswärtige Presse war mir nach meinem Rück-
tritt ein weniger strenger Richter, als die deutsche
Presse. Bei uns haben die vielen Vaterlandsfeinde,
darunter verstehe ich Parteien, aufgeathmet, als ich
gegangen war.
Caprivi, meinen Nachfolger, schätze ich hoch; er
ist ein ausgezeichneter General. Schade um ihn,
daß er in die Politik hineingerat Heu ist. Meine aus-
wärtige Politik kann er nicht ändern. Die europäische
Lage ist abgeschlossen, keine Wolke trübt den Horizont,
der Frieden ist gesichert. Man muß überhaupt die
modernen Nationen über den Krieg mitberathen lassen.
Niemand wird die Offensive ergreifen wollen, da die
Schrecknisse in deren Geiolge zu große wären. Die
Soldaten sind die beste Friedensbürgschaft. Im Jahre
1875 habe ich einen Krieg verhindert. Moltke leistete
demselbem keinen Widerstand, der französische Gesandte
war beunruhigt und Gortschakow zog Nutzen daraus,

die Rolle des Erretters zu spielen. Seit dem Rück-
tritte Gortschakow's war eine Annäherung zwischen
Rußland und Frankreich natürlich. Interessen und
nicht Gefühlsneigungen schreiben der Politik den Weg
vor. Deutschland hat die Asfaire Schnäbele nicht
provvzirt, es hat auch keine Empfindlichkeiten zu er-
regen beabsichtigt. Auch die Eroberung Schleswig's
wurde uns aufgezwungen (?) wir haben es nicht an
uns bringen wollen. Deutschland und Oesterreich in
einem Kaiserthum mit zwei Hauptstädten zu vereinigen,
war unvernünftig (udsurilö).
Die Balkanpolitik berührt nur Oesterreich, Ruß-
land, Italien und England In dem Karvlinenstreit
rief ich den Papst als Schiedsrichter an, weil ich
mich mit Spanien nicht verfeinden mochte. Dasselbe
Verhalten schlug ich in der Samoa-Angelegenheit ein.
Die soziale Frag». betreffend, halte ich dafür, daß es
unmöglich ist, die Menschheit glücklich zu machen.
Einige sozialistische Führer haben große Begabung.
Das abenteuerliche System Liebknecht's auf gesell-
schaftliche Ausbeutung des Bodens und der Jndustrieen
ist eine Thorheit. Konzessionen vermehren nur die
Zahl der sozialdemokratischen Parteigänger. Ich achte
die Franzosen, sie sind ernsthafte Compagnons in po-
litischen Dingen. Die französische Armee hat sich seit
1870 vervielfacht. Ich hege die Hoffnung, daß die
Streitigkeiten zwischen beiden Nationen beendet, und
daß die große Masse der französischen Bevölkerung
friedlich gesinnt ist. Wilhelm l. war sehr tapfer
und liebte die Gefahr. Der höchst liebenswürdige
und hochherzige Friedrich III. war in der Batten-
berger-Affaire mit mir im vollkommensten Einverneh-
men. Ich werde m^ine Kandidatur zum
R eichstag aufstellen nicht um meinen Nach-
folgern Verlegenheiten zu bereiten, sondern u m
meine Anschauungen zn Vertheidigen.
Das „Petit Journal" fügt hinzu, daß Bismarck
mehr als je sich für den berufenen Wächter des
Friedens halte, weil ein Krieg sein großartiges Lebens-
werk in Frage stellen könne.
Deutsches Reich.
Berlin, 29. Mai. lieber neue R eiseplä n e
des Kaisers verlautet: Am 24. Juni tritt der
Kaiser seine zweite Nordlandsfahrt an, besucht zu-
nächst den König von Dänemark in Fredeusborg, so-
dann den König von Schweden in Christiania und
setzt alsdann die Fahrt nach den? Nordkap fort. Von
hier kehrt er nach Wilhelmshaven zurück und unter-
nimmt alsdann eine Reise nach England, woselbst er

der Regatta bei Cowes beiwohnen will. Mitte August
begiebt er sich zur See nach Petersburg zur Theil-
nahme an den Manövern bei Krasnoje Selo, wo er
etwa eine Woche zu verbleiben gedenkt. — Der „Post"
zufolge bezeichnet man in offiziellen Kreisen den
Minister Scholz als den Nachfolger des Chewräsi-
denten der Oberrechnungskammer, des Herrn von
Stünzner, welcher zu Anfang Juli sein Mjähriges
Dienstjubiläum feiert und sich daun von den Ge-
schäften zurückziebt. — Der evangelisch.soziale Kon-
greß ist gestern hier znsammengetreteu. Prof. Wagner
wurde zum Vorsitzenden gewählt. Die „Germania"
begrüßt den Kongreß durch einen längeren Artikel, in
welchem es zum Schlüße heißl: Die Berufung deutet
auf eine große Mobilmachung des Protestantismus
gegen die Sozialdemokratie hin. Männer wie Pros.
Wagner, Hofprediger Stöcker, Lic. Weber, Pastor v.
Bodelschwingh, Dr. Stegemann aus Remscheid re.,
wollen als Redner auftreten und Vorträge über die
Arbeiterausstände, die Arbeiterschutzgesetzgebung, die
Sozialdemokratie, die evangelischen Arbeitervereine
halten. Fern von aller Eifersucht können die Katho-
liken, die ans eine reiche und langjährige christlich-
soziale Thätigteit znrückblicken, die Arbeiten des Kon-
gresses mit Interesse verfolgen. Handelt es sich doch um
ein Gebiet, auf welchem der Wetteifer der beiden Be-
kenntnisse in christlichem Geiste nur segensvoll für
unser Volk sein kann, vorausgesetzt, daß dieser Wett-
eifer nicht durch konfessionelle Polemik entweiht wird,
wie sie bisher ans protestantischen Versammlungen
leider zu häufig üblich gewesen ist. — Abg. Peter
Rei ch en s per ger, der Senior der Centrums-
fraktion des deutschen Reichstages, feierte gestern seinen
80. Geburtstag. Er blickt aus eine 42jährige parla-
mentarische Thätigkeit zurück.
Ausland.
Schweiz. Der Staatsrath ordnete in Luzern die
Schließung der vier dortigen Spielhöllen an.
Italien. Crispi, der Träger der modernen Kultur
Italiens, muß er sich gefallen lassen, daß seine in der
italienischen Kammer über die Ausweisung der frem-
den Journalisten abgegebenen Erklärungen zum Theil
direkt für unwahr erklärt werden. Crispi hatte u. Ä.
behauptet, der Herausgeber der „Frankfurter Zeitung"
habe dem Konsul in Frankfurt a. M. versprochen,
seinem römischen Korrespondenten in Bezug auf die
Besprechung der italienischen Finanzen Mäßigung zu
empfehlen. Diese Behauptung erklärt der Herausgeber
der „Franks. Ztg." für absolut unwahr. Des-

Lreuer Liebe Kohn.
dOi Roman von U. Rosen
Verb.)
„Morgen erkläre ick Dir Alles, Bruder- Für jetzt
bitte ich Dick, meinen Wagen und meine Pferde, die vor
der Thür ballen, unterzubringen. Ich muß heute noch in's
Gebirge hinauf."
Der alte Mann versprach, was man von ihm verlangte,
«nd Frau Pump und Giralda setzten ihre Wanderung fort.
Die engen Bergpfade wurden immer steiler und beschwer-
licher. Schweigend kletterten sie Köber und höher Der
Mond war ausgegangen und beleuchtete ihren schluchten-
reichen Weg Giralda überdachte die Ereignisse des Abends,
die Unterredung mit Paul Grosvenor und das sternenlose
Dunkel, das sich erdrückend über ihr und der Ihrigen Leben
breitete.
In des Mädchens verödetem Zimmer kniete der Mar-
quis, in namenlosem Schmerz und bitterer Reue betheuernd,
baß er Giralda liebe und ihr vertraue wie zuvor. Und
draußen, auf den zerrissenen Bergwegen, von zahlreichen
Menschen begleitet, das Herz voll rachsüchtigen Hasses,
kuckte Ormond das Mädchen, das er geschworen hatte, zu
keiner Frau zu machen-
3d. Kapitel, v
Am Vorabend der Entdeckung.
Inmitten der ödesten, traurigsten Bergregion, auf
eurer eine weite Aussicht beherrschenden Anhöhe stand eine
Leine steinerne Hütte, die Wohnung der armen Grete
Wilms, die einst den unwürdegen Geobg Negun so sehr
bliebt hatte, daß sie seinetwegen unverheirathet geblieben
fvar. Sie lebte ganz allein, versorgte ihre Schafe, und
fand ein ergenthümlichcs Vergnügen in dieser Weltabge-
fchiedenheit. Dickt hinter ihrer Hütte erhob sich der Stall
ihre Heerde, eine Kuh und einen Esel.
, An dem Morgen nach Giralda's Flucht aus dem Schloß
furz nach Sonnenaufgang, waren die beiden Wanderer zu
-tvde erschöpft auf der Berghöhe angekommen.
»» „Sehen Sie, dort ist Grethen's Hütte," rief Frau
Lump, auf das kleine Häuschen deutend. „In wenigen
Minuten werden wir ausruhen können."

„O, hier werde ick mich sicher fühlen," lächelte Giralda.
„Hier werden meine Widersacher mich nicht aufsuchen,
während ich auf einen Brief von Mama warte. Wird mich
aber auch Margarethe Wilms wirklich aufnehmen?"
„Zweifellos. Sie vergötterte Ihren Papa, wie wir
Alle, und wird für Sie durch dick und dünn gehen, wenn
Sie ihr sagen, daß Sie Gottfried Trewor's Tochter sind-"
Als sie sich der Hütte näherten, kam ihnen eine erstaunt
aussehende Frau von der Größe und Gestalt eines Mannes
entgegen. Ihr gutmüthiges Vollmondsgesicht und ihre ehr-
lichen braunen Augen gewannen Giralda's Vertrauen so-
gleich. „Willkommen, Frau Pump!" rief Grethe erfreut.
„Treten Sie nur ein, und die junge Dame gleichfalls."
Das Zimmer in welche Grethe ihre Gäste führte, war
überraschend behaglich ausgestattet. Die Finster waren
von blülhenweißen Vorhängen halb verhüllt, der Fußboden
mit einem blumendurchwirkten Teppich bedeckt, und auf
dem mit buntem Kattun überzogenen Sopha prangte ein
farbenleuchtendes gesticktes Kissen. Die Wände waren mit
goldgerahmten Oelfarbendruckbildern geschmückt.
„Können Sie uns nicht recht schnell ein Frühstück
geben, liebe Grethe?" fragte Frau Pump, als Giralda sich
bleich und müde auf das Sopha geworfen hatte.
.Ei, sogleich, liebe Frau Pump. Was verschafft mir
die Ehre ihres Besuches, und wie lange gedenke» Sie zu
bleiben?"
„Ich kam mit dieser jungen Dame zu Ihnen, Grethe,
weil ich Ihrer Hilke und einer Freundin bedarf, auf die
ich mick unbedingt verlassen kann- Ich selbst muß noch
heute wieder zu Hause sein."
Grethe dickte den Tisch und schenkte ihren Gästen Thee
ein, zu welchem sie ihnen Weißbrod und Butter reichte.
„Wollen Sie uns nicht Gesellschaft leisten, Grethe?'er-
kundigte sich die Haushälterin, als ihre Freundin sich
seitwärts zu schaffen machte, um endlich mit dem Theebrette
in dem anstoßenden Zimmer zu verschwinden, aus dem sie
bald wieder mit leeren Händen zurückkcdrte. „Sie scheinen
noch anderen Besuch zu haben," forschte Frau Pump weiter.
Grethe nickte erröhtend.
„Eine kranke Person, liebe Grethe?"

„Wedkr krank, noch gesund, nur sehr zart. Es ist ein
kleiner Knabe, dessen Vater ich kannte, und der schickte ihn
hierher, damit sich der arme Bursche in der frischen Berg-
lust kräftige."
Frau Pump's Nmgier war befriedigt. Giralda trat,
nachdem sie ihren Thee getrunken, vor Vie Thür, die ei-
genthümlich schwermülhige Landschaft zu betrachten.
„Setzen sich zu mir, Grethe," bat die Haushältern- „Er-
innert Sie die junge Dame nicht an Jemanden, den Sie
sehr gern hatten?"
„Nicht daß ich wüßte," antwortete Grethe nachdenklich.
„Sprechen ihre Augen nicht zu Ihnen, wie die eines
unschuldigen jungen Mannes, den böse Menschen in's
Elend trieben?"
„Ach, den jungen Herrn, den armen Gottfried Trswor!"
rief Grethe mit lebhaftem Interesse. „Ja, ja, sie bat -,ariz
seine Augen. Wer ist sie?"
„Die junge Dame, Grethe, ist Gottfried Trew.r-
Tochter!"
Grethe Wilms war starr vor Erstaunen. „Leine
Tochter?" flüsterte sie.
Frau Pump nickte. „Mehr noch," fuhr sie fort . Herr
Tewor lebt und ist verheirathet, und diese junge Dame ist
die älteste von drei Kindern."
„Er lebt?" wiederholte Grethe ungläubig.
„Ja, und hier in England. Er heirathete eine Schau-
spielerin."
„Ach, während die schöne Lady Beatrice Berti! seinet-
wegen unvermählt blieb," bemerkte Grethe kummervoll.
„Sind denn alle Männer treulos?"
„Die meisten wohl, liebe Grethe."
„Und wie ist der alte Marquis jetzt gegen seinen
Neffen?"
„Erst gestern verrieth ihm Ormond, daß sein Vetter
lebe. In seiner Wuth über diese unvermuthete Nachricht
schickte der gnädige Herr Fräulein Giralda, Gortfried's
Tochter, bei Nacht und Nebel aus dem Hause. Zu ihrer
Mutter kann sie vorläufig nicht. Wenn Sie die Arme hier
behalten könnten bis sie ihren Eltern Nachricht von sich
gegeben hat, würde sie Ihnen sehr dankbar sein " (F. f.)
 
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