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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 71 - Nr. 80 (28. März - 10. April)
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Druck u. Verlag vonGebr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

scheint täglich mir LuSnahme der Sonn- n. Feiertage.
e«ne«entSprei S mit dnn «öchentlichrn Unterbalwugs-
st „DerEonutagsbote" förHeidelberg monatlich KV H
Driigerlohn, durch di e Post bezogen viertelj. 1.80 franco.

Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
m Heidelberg.

OLdt'l Inserate die 1-spaltige Petitzelle oder deren Raum 10
Organ snr Wanckm, Frerneü L Neckt. LLVLLrL
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.
1890 '


wehevollen
kein Wort,
zusammen.
Falten des

WckrsM i>n MMt.
Der Reichsanzeiger veröffentlicht einen kaiserlichen
^rlaß, durch welchen die in einer Anlage zusammen-
Wtellten Abänderungen und Ergänzungen der deutschen
Fehlordnung genehmigt werden. Es sind dies folgende:
Militärpflichtige, welche nach der Anmeldung zur
Stammrolle im Lause eines ihrer Militärpflichtjahre
ihren dauernden Aufenthalt oder Wohnsitz verlegen,
hoben dieses behufs Berichtigung der Stammrolle
sowohl beim Abgänge der Behörde oder Person, welche
sie in die Stammrolle ausgenommen hat, als auch
^ach der Ankunft an dem neuen Orte derjenigen, welche
Daselbst die Stammrolle führt, spätestens innerhalb
dreier Tage zu melden.
Zurückstellung über das dritte Militärpflichtjahr
hinaus ist durch die Ersatzkommisfion zulässig a. wegen
ieitiger Ausschließungsgründe und zwar bis zum
Künsten Militärpflichtjahr, d. behufs ungestörter Aus-
bildung für den Lebensberuf und zwar in ausnahms-
keisen Verhältnissen bis zum fünften Militärpflichtjahr.
Militärpflichtige römisch-katholischer Konfession, welche
dem Studium der Theologie sich widmen, sind jedoch
^ährend der Dauer dieses Studiums bis zum l. April
bcs siebenten Militürjahres zurückzustellen.
Militärpflichtige, welche in der Vorbereitung zu
kinem bestimmten Lebensberufe oder in der Erlernung
^iner Kunst oder eines Gewerbes begriffen sind und
durch eine Unterbrechung bedeutenden Nachtheil erleiden
würden. Militärpflichtige römifch-katholischer Konfession,
welche dem Studium der Theologie sich widmen, sind
jorückzustellen.
Taugliche Militärpflichtige römisch-katholischer Kon-
zession, welche die Subdiakvnats-Weihe empfangen
haben, sind der Ersatzreserve zu überweisen, im übrigen
oehe H. 117,4 Gesetz vom 8. Februar 1890.
Anträge auf Zurückstellung von der Aushebung
hegen bürgerlicher Verhältnisse, mit Ausnahme der
Anträge auf Zurückstellung Militärpflichtiger römisch-
^atholicher Konfession, welche dem Studium der Theologie
uch widmen. Ueber Anträge der letzten Art entscheiden
die ständigen Mitglieder der Ersatzkommisfion.
Der Ersatzreserve überwiesene Personen, welche
»Pf Grund der Ordination dem geistlichen Stande
»«gehören, j. sollen zu Hebungen nicht herangezogen

Treuer Liede Kohn.
Roman von N. Rosen.
<K«chdr. rerb.)
. „Ist sie nicht prächtig? Gleicht sie nicht einer Königin?"
bwgte Lord Trewor.
. Ein Nebel schien sich um Giralda's Augen zu legen.
Als sie ihn weggewischr hatte und ihren Blick der gräf-
üchen Loge wieder zuwendete, lehnte Beatrice in ihrem
«tssel und horchte, mit ihrer Lorgnette spielend, aus das
.^flüster Lord Ormond s, der ihre Aufmerksamkeit auf
*en Schützling seines Onkels lenken zu wollen schien.
. Beatrice lächelte, hob ihr Opernglas empor und
'Raute nach der Loge hinüber.
Es war em angstvoll erschrockenes, zu Tode erblaßtes
jugendliches Gesicht, dos sie erblickte, ein Gesicht, in dem
«ch eine unendliche Scelenqual malte.
Die Augen der Beiden begegneten sich.
Sie erkannten einander in diesem einen
«lrck.
Giralda stieß keinen Laut hervor, sprach
Ar ihr Herz krampfte sich in tiefem Leid
Alle Schutz suchend, zog sie sich hinter die
Vorhanges zurück.
, . In demselben Augenblick entfiel das Opernglas Bea-
flwens Hand, und von einer Ohnmacht ergriffen sank sie
2 die hastig ausgebreiten Arme Lord Ormond's. Die
Erschütterung bei dem plötzlichen Anblick ihrer Tochter
«n der Seite des tödlichsten Feindes ihres Gatten war
leibst für ihre vielgeprüfte und durch schwere Kämpfe ab-
gehärtete Natur zu stark.
. . Lord Ormond allein batte die Ursache ihres Unwohl-
seins bemerkt und den wilden todesschmcrzlichen Blick ge-
< uen, der zwischen Beatrice und der jugendlichen Vor-
leserin Lord Trewor'S ausgetauscht worden war.
s. .Es ist die Hitze hier im Hause," seufzte der Graf,
Arnond iu seinen Bemühungen unterstützend, Beatrice zum
Bewußtsein zvrückzurusen. „Meine Tochter ist noch niemals
Ohnmächtig geworden. Sie muß leidend sein, sonst-"

ves hl. Lharfrritags wegen erscheint dir nächste
Nummer des „Gadischen Volksdotrn am Samstag
Mittag.

Werden, auch bleiben Erfatzreservisten, welche die Sub-
diakonats-Weihe empfangen haben, von Hebungen
befreit. Gesetz vom 1. Februar 1888, Art. 2, ß. 13,
Gesetz vom 8. Februar 1890.

Deutsches Reich.
-t-» Berlin, 2. April. Die aus Friedrichsruh
einlanfenden Nachrichten stimmen darin überein, daß
der gestrige Geburtstag -es Fürsten Bismarck
einen großartigen Verlauf genommen hat. Die Ova-
tionen währten den ganzen Tag, die herrlichsten Blu-
mensendungen, Telegramme, Adressen, Gratulationen
trafen von allen Seiten ein, und mit Extrazügen kamen
zahllose Menschen in Friedrichsruhe an. Mittags
trat der Fürst unter das Publikum, welches ihn enthu-
siastisch empfing. Abends fand abermals ein Fackel-
zug statt und zwar diesmal von den bei der Eisen-
bahn Angestellten. Die Kapellen des Regiments 76,
Husarenreg. 15, Jägerbat. 9 brachten ein Morgen-
ständchen. Das Publikum bereitete dem wiederholt
auf dem Balkon erscheinenden Fürsten lebhafte Ova-
tionen. Der Flügeladjutant des Kaisers, v. Wedelt,
überbrachte ein allerhöchstes Handschreiben, das lebens-
große Bildniß des Kaisers und eine sehr werthvolle
Tabakspfeife. 5000 Personen schrieben in die auf-
gelegten Bücher zum Glückwunsch ihre Namen ein.
Ans Göttingen erschienen als Deputirte der deutschen
Burschenschaften drei Studenten in Wichs. Die Stadt
Augsburg ernannte den Fürsten zu ihrem Ehrenbür-
ger. Am Abend des Fackelzuges soll Bismarck aller-
lei pikante Bemerkungen gemacht haben. Gegen ein-
geladene Herren sprach er den Wunsch aus, einmal
ein Theater zu besuchen, wenn es nur mehr ungesehen
geschehen könne und er nicht immer posiren müßte.
Ferner äußerte der Fürst, es komme ihm jetzt ganz
eigenthümlich vor, wenn er Morgens aufwache, mit
dem Bewußtsein, nichts zu thnn zu haben und keiner-
lei Verantwortlichkeit zu tragen für etwas, was in der
Welt geschehe, und wenn er dann die Zeitung lese,
immer denken zu müssen: was sollst du dazu sagen?
Als dann Herr Wörmann die Hoffnung aussprach,
daß der Fürst dem politischen Leben doch nicht ganz
fern bleiben werde, entgegnete der Fürst, er sei jetzt
75 Jahre alt, und wenn man sich in dem Alter zur
Ruhe setze, habe es dabei wohl sein Bewenden. Auf
die weitere Bemerkung Wörmanns aber, daß der
Fürst vielleicht noch im Reichstag erschei-
nen werde, meinte dieser: ja, das fei vielleicht
etwas anderes. Ein ander Mal äußerte Fürst Bis-
marck zu Wörmann: „Ich trete jetzt von der Bühne

„Nein, nein, die drückende Schwüle vcrichuldete den
Unfall," erklärte Ormond, ein zierliches goldenes Riech-
fläschchen von Beatricens Gürtel lösend und es an ibre
Nase haltend. „Das Haus ist überfüllt, ich selbst fühle
mich angegriffen."
Graf Berril schob Beatricens Sessel in den Hinter-
grund der Loge, um seine Tochter den Blicken der Menge
zu entziehen, u. widmete sich nut liebevoller Hingebung der
Wiederherstellung seines Kindes. Nach wenigen Minuten
wurden seine Anstrengungen durch den erwünschten Erfolg
belohnt. Beatrice öffnete ihre Augen mit einem Ausdruck
des Entsetzens und der Verzweiflung. „Geht es Dir jetzt
besser, Beatrice?" fragte ihr Vater zärtlich.
„Ja, Papa, cs war nur eine leichte Ohnmacht," er-
widerte sie, ihre Hand aus der Ormond's befreiend.
„Ich bin, wie Du weißt, schon seit einer Woche nichtwohl.
Es thut mir leid, Papa," Dein Vergnügen zu stören, aber
ich muß wirklich nach House fahren. „Nehmen Sie
meinen Arm," bat Ormond. „Wir werden in der Nähe des
Theaters einen Wagen finden», nicht erst auf den Ihrigen,
warten."
Beatrice erhob sich und legte ihre Hand leicht auf
Ormond's Arm.
„Vertrauen Sie mir, Beatrice," flüsterte er, fick zu
ihr niederbeugend, „ich würde Sie um nichts in der Welt
verrathen. Der Gras ahnt die Ursache Ihrer Ohnmacht
nicht."
Beatrice schaute zu dem sie bedeutsam angehenden Ge-
sicht Ormond's fragend auf. Unwillkürlich erschauernd, zog
sie ihren Mantel dichter um sich, als ob cs sie Plötzlich
fröstelte.
„Gehen wir, gehen wir," drängte der Graf. „Ich bin
sehr besorgt um Dich, liebes Kind."
„Eine kleine Familienszene," bemerkte Lord Trewor,
als die Drei, die er so sorgfältig beobachtet hatte, daß er
seiner jugendlichen Gefährtin beinahe ganz vergaß, aus
ihrer Loge verschwunden waren. „Was mag diese Ohn-
macht der stolzen Dame veranlaßt haben? Ich glaubte sie
über jede Schwäche erhaben. Nun, Giralda, wie gefiel sie
Dir? Warst Du nicht von ihrer Schönheit geblendet?"

ab und sehe inir die Sache von der Loge aus an.
Bemerkenswerth ist eine Aeußerung über die Arbei-
terpolitik: er soll gesagt haben, die Streike seien
nicht das schlimmste, sie gingen vorüber. Aber das
Traurigste für die Arbeiter trete ein, wenn die Arbeit-
geber in Folge solcher Vorgänge die Lust verlören,
weiter arbeiten zu lassen. Ferner äußerte er: Der
Kaiser machte ein merkwürdiges obu^iW-crois^: er
machte seinen besten General zum Reichskanzler und
seinen Kanzler zum General. — Das „W. T. B."
meldet: Auf die Frage, ob er den Herzogstitel führe,
antwortete er, die Sache habe ja im „Reichsanzeiger"
gestanden, was dort stehe, sei wahr. Wenn er einmal
inkognito reisen wolle, dann sei der Titel Herzog von
Lauenburg das beste Auskunftsmittel. Mit ähnlichem
scharfen Witz hat sich übrigens Fürst Bismarck schon
hier in Berlin über den Herzogstitel ausgesprochen.
Gegenüber der Meldung ausländischer Blätter, daß
die Bundesfürsten unzufrieden mit der Entlassung des
Fürsten Bismarck seien und deshalb mit dem Kaiser
grollten, schreibt der „Reichsbote:"
„Nach dem, was wir aus orientirten Quellen wif^
sen, ist genau das Gegentheil von dem wahr. Zwi-
fchen dem Kaiser und den deutschen Fürsten herrscht
vollste Eiumüthigkeit. Den Urhebern jener falschen
Nachrichten und Darstellungen wäre in ihrem eigenen
Interesse dringend zu rathen, ihre Thäügkeit einzu-
zustellen, sie könnte sonst für sie noch unerwünschte
Folgen haben. Es soll ihnen nicht gelingen, Zwie-
tracht in Deutschland, zumal zwischen dem Kaiser und
den Fürsten zu säen oder desfallsige Vorstellungen
im Auslande zu wecken, und so die Lebensarbeit des
Fürsten Bismarck, die EinheitDeutschlands, zu schädigen."
Wir theilten gestern bereits mit, daß man beab-
sichtigt, dem Fürsten Bismarck ein National-Denkmal
zu setzen und ein Komitee Sammlungen hierfür ver-
anstalten soll. „Die „Voss.Ztg." erinnert mit Bezug
darauf an folgenden Ausspruch des Fürsten vom 28.
November 1881 im Reichstag: „Was Statuen an-
belangt, so muß ich doch sagen, daß ich für diese
Art von Dank gar nicht empfänglich bin.
Ich wäre in der größten Verlegenheit, wenn ick bei-
spielsweise in Köln wäre, mit welchem Gesicht ich an
meiner Statue Vorbeigehen sollte. Ich erlebe das in
Kissingen, es stört mich in Promcnadeu-Verhältnissen,
wenn ich gewissermaßen fossil neben mir dastehe."
* Berlin, 2. April. Der für den Reichstag be-
stimmte Arbeiterschutzgesetzentwurf ist fertig-
gestellt und wurde gestern vom Staatsmiuisterium
berathen. Inhaltlich bedeutet die Vorlage eine Ab-
Er wendete sich fragend nach seinem Schützling um, und
sah in ein bleiches, verstörtes Gosicht, aus dem jede Spur
von Farbe entwichen war.
«O, bitte Mylord," flüsterte das junge Mädchen auf-
geregt, „verlassen wir das Theater. Ich habe keine Lust
mehr, das Schauspiel anzusehen. Kehren wir in unser
Hotel zurück."
„Bist Du so sehr enttäuscht, Deine Mutter nicht ent-
deckt zu haben?" fragte der Marquis überrascht.
Giralda antwortete nur mit einem flehenden Blick.
„So gehen wir," sagte Lord Trewor gütig. „Wärest
Du nicht in der Abgeschlossenheit des Landlebens erzogen
worden, so würden Dich Dinge dieser Art nicht so leicht
aus der Fassung bringen."
Ein Miethwagcn brachte sie in das Hotel zurück.
„Du bist müde," sagte der Marquis, als sie die
Treppe zu ihren Gemächern hinaufstiegen. „Es war Un-
recht von mir, Dich unmittelbar nach den Anstrengungen
der Reise in's Theater zu führen. Du thätest gut, Giralda,
Dich sogleich zu Bett zu begeben. Ich wünsche morgen
ein heiteres, blühendes Gesicht um mich zu sehen. Wenn
ick Dick in diesem Zustande zu Deiner Mama brächte,
würde sie meine Bitte, Dich adoptiren zu dürfen, entschieden
zurückweisen und mich für einen Menschenfresser halten."
Er drückte einen väterlichen Kuß auf ihre Stirn.
Giralda schlang ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn
mit kindlicher Inbrunst. „Ja, Mylord," rief sie mit zit-
ternder Stimme, „ich will in mein Zimmer gehen und
versuchen, morgen wieder die Alte zu sein."
„Du liebst mich also wirklich, mein Kind?" fragte der
Marquis gerührt- „Du erwiderst also die Neigung, die
Dein neuer Großpapa für Dich empfindet, Kleine?"
„Ja, Mylord, von ganzem Herzen, Gute Nacht."
Wenige Minuten später stahl sich Giralda, in einen
dunklen Mantel gehüllt und das Gesicht dicht verschleiert,
aus dem Hotel, aus die Straße.
Fortsetzung folgt.
 
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