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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 21 - Nr. 30 (26. Januar - 6. Februar)
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Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
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Organ für Makuliert, Frerlrert L Kertit.

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bewilligung. Expedition: Zwiugerstratze 7.

K A.

Berautwortl. Redakteur: F. Z. Knappe
in Hechelberg.

siMcrg, ImnßU dt» l>. Mm.

Druck u. Verlag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten-


Zm MitnsiW
bat sich der bewährte und hochverehrte Führer der
deutschen Centrumspartei, der greise Dr. Windthorst
in seiner großen (von uns bereits im Auszuge mit-
getheilten) Wahlrede, die er am Sonntag im Kölner
Gürzenich hielt, folgendermaßen geäußert:
„Die nächsten fünf Jahre und wohl noch länger
dinaus werden wir vollauf mit dieser Arbeiter-Frage
zu thnn haben. Sie ist so ernst und so tief eingreifend
in das ganze Volksleben, daß ich nicht Anstand nehme,
zu sagen: in diesem Jahrhundert ist eine schwerere
Aufgabe an uns noch nicht herangetreten, und es ist
zu bedauern, daß es zunächst solcher Kundgebungen
von Seiten der Arbeiter bedurft hat, wie wir sie
leider gesehen haben, um Alle, die zu helfen berufen
sind, aufmerksam zu machen und an ihre Pflichten zu
mahnen. Die Gefahr der Arbeiter-Frage liegt zu-
meist darin, daß wahre Religiosität, daß das
christliche Leben, christliches Denken und Fühlen mehr
und mehr ans dem Volke verschwinden. Wenn wir
vollständig und Alle von den Lehren des Christen-
thums durchdrungen nnd entschlossen wären, sie im
Leben zu bethätigen, dann würden wir eine Arbeiter-
frage nicht haben. Aber weder alle Arbeitgeber noch
alle Arbeitnehmer haben diesen erforderlichen wahrhaft
religiösen Sinn. Wollen wir diese Verhältnisse wieder
auf den rechten Boden zurückführen, dann ist es vor
allen Dingen nöthig, daß wir das ganze Schul-
wesen reformiren nnd zwar in dem altbewährten
Sinne, und daß wir ferner selbst wieder ordentlich
beten lernen.
Das ist das Eine. Das Andere aber, was zu
:hun, ist ohne Zweifel, daß die Gesetzgebung in
Bezug auf die Verhältnisse der Arbeitgeber zu den
Arbeitnehmern revidirt und auf eine gesundere Grund-
lage gestellt werde. Hier liegt die ungeheuere
Schwierigkeit, weil inzwischen eine solche Entwickelung
der Industrie und des menschlichen Schaffens über-
haupt entstanden ist, daß die alten Formen nicht mehr
genügen. Die Centrums-Fraktion hat sich vor Allen
zuerst mit dieser Frage beschäftigt, und sie kann sich
rühmen, zu dem, was geschehen ist, den ersten Anstoß
gegeben zu haben.
Ich will hier besonders hervorheben, daß ihre
Bestrebungen nicht allein auf Besserung der Lage der
Bergarbeiter oder der Landarbeiter, sondern überhaupt
aller Arbeiter gerichtet sind. Die ganze Ar-
beiterwelt ist in Bewegung. Es würde heute zu
weit führen, alles zu erwähnen, ich könnte höchstens
Einiges herausgreifen. Ich glaube, daß unser
?«» M», ni „stiitsMrliitn" ZWiOkmil
Nach dem Lolletino Sslssi-ruo erzählt von einem
4) Salesianischeu Mitarbeiter.
„Als rechtschaffener Mann und guter Staatsbürger nun
muß ich sagen, und werde es immer sagen, daß es eine
Verleumdung ist, micd als Verfasser von Zeitungsartikeln
anzugeben, woran ich nicht gedacht; Wohlthätigkeitsanstalten
einen Ort revolutionärer Versammlungen zu heißen, und
mich hinzustellen als verkehre ich mit den Feinden des
Staates.
Solche Anschuldigungen find reine Erfindungen übel-
gesinnter Menichen, zu dem Zwecke, die Behörden zu täu-
sHen und zur Begehung von Mißgriffen zu drängen, zum
Schaden der Gerechtigkeit und Freiheit."
Dieser Freimuth in den Worten Don Bosco's müßte
aus Farini Eindruck machen; erstaunt und zugleich unge-
halten, glaubte er ihn einschüchtern zu sollen und sprach in
frischendem Tone und mit drohenden Blicken : „Herr Abb«
«osco. Sie lassen sich von zu großer Heftigkeit und unüber-
legtem E-ser sortreißen und bedenken nicht, daß Sie mit
fin Minister sprechen, in dessen Macht es steht. Sie in s
Gefängniß zu schicken."
.Ich fürchte durchaus nicht, antwortete Don Bosco,
was mir die Mcnslven ihun können, weil ich die Wahr-
heit sagte, ich fürchte nur, was Gott nur thun kann, wenn
>ch eine Lüge ausspreche. Uebrigens sind Eure Exzellenz
Ziel zu gerechtigkeitsliebend, als daß Sie die Schmach aus
nch laden könnten, einen Bürger, der seit 20 Jahren Leben
Znd Vermögen dem Besten seiner Mitmenschen weihte, un°
tchnldig in's Gefängniß zu werfen."
„Und wenn ich es doch thun würde?"
.Ich halte es nicht für möglich, daß sich die edle Ge-
wnung eines Farini in Gemeinheit verwandeln könne;
aber wenn es gegen meine Meinung geschehen sollte, so
mnnte auch ich Ihr Beispiel uachabmen."
.Was wollen Sie damit sagen?"
„Ew. Erzellenz haben eine Geschichte geschrieben und
«ewige Persönlichkeiten, die Sie für schuldig hielten, der

Kaiser auch empfunden hat, daß hier viel zu thun
ist und daß er deshalb in diesem Augenblick einen
Mann zum Hand e ls mi ui ste r berufen hat, der
sich hauptsächlich die Aufgabe stellen und berufen sein
wird, alle diese Dinge in die Hand zu nehmen. Und
ich glaube, daß er dies rascher thun wird, als dies
bisher bei der Versplitteruug der Frage möglich ge-
wesen ist. Wir Alle sind verpflichtet, dieses Bestreben
zu fördern, damit es nicht ein Mal dahin kommt,
daß das verhängnißvolle „Zu spät!" erschallt.
Ich muß aber bei dieser Gelegenheit an alle Ar
beiter die dringende Mahnung richten: Wollen
sie das begonnene Werk nicht stören, wollen sie es zu
einem gedeihlichen Werke kommen lassen, daun müssen
sie Geduld haben; denn solche Dinge können nicht in
einem Tage gemacht werden. Dann müssen sie sich
auch vor allen Dingen hüten, keine Ungesetzlichkeiten
zu begehen. Die Arbeiter dürfen nicht vergessen, daß
nur in der gemeinsamen Arbeit der Arbeitgeber
und ihrer selbst das gemeinsame Heil liegt. Wenn
der Arbeiter in der Fabrik die Existenz seiner selbst
nnd seiner Familie gesichert sehen will, so muß er
sich vergegenwärtigen, daß diese Fabrik nur gedeiht,
wenn der Fabrikherr die nöthigen Mittel hat und der
Arbeiter arbeitet; sonst geht die Fabrik ein, und daun
haben sie Beide nichts. Die Gemeinsamkeit der
Bestrebungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer
garantirt für Beide die Existenz. Sollte in Bezug
auf den Lohn, auf die Arbeitszeit eine Schwierigkeit
entstehen, so muß vor allem der Weg der Güte
bis auf das äußerste verfolgt werden, und wenn es
in dieser Güte nicht erreicht werden sollte, dann haben
uns ja die Gesetze die nöthigen Mittel an die Hand
gegeben, um das Gewünschte zu erreichen. Aber ich
wiederhole: ohne eine gütliche Vereinigung geht es
dauernd niemals.
Nun weiß ich sehr wohl, daß die sozial -dem v-
kratischen Führer ein ganz anderes Recept
haben, sie wollen die ganze Gesellschaftsordnung, die
ganze Produktivnsordnung, alles radikal umändern.
Eine positive Grundlage der von ihnen gewollten
Ordnung geben sie nicht. Im Zerstören sind sie
stark, aber im Aufbauen leider nicht. Und was sehr
wichtig ist, den Boden, auf dem wir Alle stehen
müssen, den religiösen Boden, lassen sie bei
Seite oder sie kennen ihn nicht oder verachten ihn.
Ich kann die Arbeiter aller Klassen nicht genug mah-
nen, vor dieser Partei sich zn hüten. Sie
werden sicher nichts Gutes ernten, wenn sie darauf
eingehen. Wenn, wie vorher gesagt, die Parole lau-
allgemeinen Verurtheilung unterstellt. Also wenn der
Herr Minister gegen mich Gewalt brauchen würde, so
würde ich Sie, wie gesagt, zum Vorbild nehmen, eine
solche Schmach der Presse überliefern, die Geschichte zum
Acugniß für mich anrufen, die gegtiiwärtige» und kom-
menden Geschlechter als Richter zwischen ihm und mir
aufstellen, um das Uriheil zu sprechen über die Ungerech-
tigkeit eines solchen Mißbrauches der Macht, während der
gerechte und allmächtige Gott seiner Zeit den unschuldig
Unterdrückten rächen würde."
„Sie sind doch ein Narr, Herr Abb«, Sie sind ein
Narr!*, Und wenn ich Six in's Gefängniß werfen lasse,
wie wollen Sie schreiben und an die Presse sich wenden!"
„Auch imGefängniß, glaube ich, würden Ew. Exzellenz
mir wenigstens eine Feder und em wenig Papier und
Tinte zu meinem Gebrauche lassen; und sollte ich auch
bissen beraubt sein sogar bis zum Ende meines Lebens,
so würden Andere aufstehen und zu gelegener Zeit an
meiner Statt schreiben "
„Würden Sie wohl den Muth haben, Thaten der
Geschichte zu überliefern, welche einem Minister odereiner
Regierung zur Schmach gereichen könnten!"
„Wer nicht Schmach auf sich laden will, braucht nur
rechtschaffen zu handeln. Uebrigens glaube ich, daß die
Wahrheit zu schreiben und zu veröffentlichen ein Recht und
eine Pflicht eines jeden Bürgers ist, ja ein Dienst, den
man der menschlichen Gesellschaft erweist; und eine solche
Aufgabe verdient nickt nur keinen Tadel, sondern alles
Lob. Ich für meinen Theil freue mich bei dem Gedanken,
daß es diese Erwägungen waren, welche Ew. Exzellenz
beim Verfaßen Ihrer verschiedenen Werke leiteten, vor-
züglich des Buckes „Der römische Staat."
Hier scheint Farini sich erinnert zu haben, daß Don

*) Der arme Karl Ludwig Farini, der in diesem Augenblick
Don Bosco einen Narren schalt und ihm mit cem Gefängniß
drohte, würde cs nie erwartet haben, Latz kaum 3 Jahre später
er selbst wirklich m Irrsinn verfallen uud im Konvent von Nova-
lesa, der in ein Irrenhaus verwandelt worden, eiugesperrt würde.
Uud Loch kam es so. Möge Sott ihm gnädig gewesen sein!

tct, daß ich, Richter und Grillenberger zu bekämpfen
seien, so sollte ich denken, daß nach dem, was ich ge-
sagt habe, eine Gemeinschaftlichkeit zwischen
mir u. Grillenberger kaum möglich wäre. Denn der
Letztere ist ein ausgesprochener Sozial-Demokrat. Nach
den öffentlichen Blättern wird er am nächsten Dienstag
hier sprechen, und ich zweifle nicht, daß er dann mich,
seinen angeblichen Kumpan, ganz gehörig angreifen
wird. Ich werde oft angegriffen, und es ist mir das
auch von dieser Seite sehr angenehm. Ich glaube,
daß es Hr. Grillenberger gut meint, aber sein Recept
taugt nichts! Es wird Jedem schlecht bekommen.

Ak LrWlk AM» Aijscl,
deren lvir bereits Erwähnung gethan, findet nun auch
in dem Blatte des Reichskanzlers, in der „Nordd.
Allg. Ztg.", eine eingehende Besprechung durch einen
offiziösen Artikel, dessen Zweck es offenbar ist,
den Gedanken an eine deutsch-französische Allianz ein
für allemal zurückzuweisen, In dem Artikel (vergl.
auch die gestrigen „Neuesten Nachrichten" des „Bad.
Volksb.") heißt es:
Oberst Stoffel's Behauptungen, Bismarck habe ihm
selbst erzählt, er sei nach der Schlacht bei Königrätz
überall auf die größten Schwierigkeiten gestoßen, um
den Friedensschluß herbeizu führen, er sei namentlich
bei dem derzeitigen preußischen Kronprinzen leiden-
schaftlicher Opposition begegnet, ferner, Bismarck habe
deshalb die Verantwortlichkeit für den Friedensab
schluß nicht allein tragen wollen, und den König ver-
anlaßt, ihm einen Brief zn schreiben, worin der König
erklärte, daß er nach reiflicher Ueberlegung zu dem
Entschlüsse gelangt sei, dem Kriege ein ein Ende zu
nracheu, seien in allen Theilen unrichtig. Die Haltung
des Kronprinzen sei dabei vollends in das Gegentheil
verkehrt: gerade dieser und der allein habe das Ver-
langen Bismarcks nach Frieden gegenüber der Absicht
des Königs, den Krieg fortzusetzen, mit seinem ganzen
Gewichte und im Widerspruch mit anderen Rathgebern
wirksam unterstützt. Stoffel bezeichne es ferner als
einen Fehler, daß bei Abschluß des Friedens mit
Frankreich härtere Bedingungen gestellt worden, als
nach Beendigung der Feindseligkeiten mit Oesterreich.
Stoffel übersehe den Unterschied, zwischen dem Ver-
hältniß von Deutschland zu Oesterreich und Deutsch-
schland zu Frankreich. Eine Schonung hätte bei
Frankreich nichts genützt; nachdem wir die Schlachten
gewonnen, sei das einzige Mittel gegen zukünftige
Angriffe von Seiten Frankreichs, unsere militärische
Sicherstellung. Da Deutschland Jahrhunderte hindurch
Bosco vor Kurzem eine Geschichten von Italien, die
von kompetenten Männern sehr gelobt wurde, batte
erscheinen lassen, und vielleicht in der Befürchtung,
er könnte seiner Zeit einen auf ihn bezüglichen Anhang
beifügen, hielt er es für gerathen, den früheren Ton
wieder anzuschlagen und fragte, zum Gegenstand selbst zu-
rückkehrend :
„Herr Abb«, können Sie aus's Gewissen versichern, daß
in Ihrem Hause keine reaktionären Zusamnunkünfte statt-
finden und kein Briefwechsel mit dem Erzbischof Fransoni
und mit dem römischen Hose zu politischen Zwecken ge-
pflogen wird?"
„Exzellenz, wenn Sie Wahrheit und Offenheit lieben
so erlauben Sie mir. meine höchste Entrüstung auszu-
sprechen nicht gegen Sie, da ich Sie als Autorität achte,
sondern gegen Jene, welche Ihnen solche Lügen über mich
hinterbringen; gegen jene Elcnden, welche um eines
schmählichen Gewinnes willen Redlichkeit und Gewissen-
haftigkeit zertreten und mit der Ehre und der Ruhe fried-
liebender Mitbürger Schacher treiben. Ja, ick wiederhole
auf Ehre und Gewissen, daß ich nichts von all' dem gethau
was Ihnen gegen mich und meine Anstallt hinterbracht
wurde, und ich erwarte von Ihnen auch nur einen einzigen
Beweis, der meine Behauptung Lügen strafe."
„Aber die Brise.". . .
„Welche nicht existiren."
„Und die politischen Beziehungen zu den Jesuiten, zu
Fransoni und zum Kardinal Antonelli'. .
„Welche es nie gab und nie geben wird. Von den
Jesuiten in Turin weiß ick nicht einmal den Aufenthalts-
ort, und mit Mons. Fransoni und mit dem heiligen
Stuhle habe ich nie andere Beziehungen unterhalten als
jene, in welchen ein Priester nut seinem kirchlichen Ober»
in jenen Dingen, die den heiligen Dienst betreffen, stehen
muß."
(Fortsetzung folgt )
 
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