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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 51 - Nr. 60 (2. März - 13. März)
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ik. M.

Druck». Verlag von Gedr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

Etrsck eint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
RgonnemeutSpreiS mit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
platt „DerSonntagSbote" fürHeidelberg monatlich SV
^rit Trügerlohn, durch di e Post bezogen viertelj. ^t. 1.80 franco.

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bewilligung Expedition: Zwingerstratze 7.
1890


° Ak KaszlnW.
Aus Wiener Regierungskreisen erfährt die Times,
der Rücktritt des Fürsten Bismarck vom
öffentlicken Leben sei jetzt ansgemachte
Sache. Der Kaiser habe endlich dem dringlichen
Abschiedsgesuche des Fürsten nachgegeben. Fürst Bis-
marck sei jedoch bewogen worden, so lange im Amte
M bleiben, bis die Frage der künftigen Organisation
der Kanzlerschaft endgiltig gelöst worden sei. An die
Stelle der Kanzlerschaft solle eine Anzahl unabhängiger
Ministerien oder Aemter treten. Es ist zwar nicht
anzunehmen, daß die Dinge bereits soweit gediehen
und, wie sie hier dargestellt werden, immerhin aber kann
Man sich vielleicht schon in kurzer Zeit auf die ganz
Und gar nicht mehr überraschende Thatsache gefaßt
Machen, daß Fürst Bismarck von seinem leitenden
Posten in Preußen sowohl wie im Reiche zurücktritt.
Er hat es schließlich soweit gebracht, daß er sich auf
fast gar keine Partei mehr stützen kann, seine Macht-
stellung somit gründlich erschüttert ist. Dazu kommt
ucch die nicht aus der Welt zu schaffende Thatsache,
daß tiefgehende Meinungsverschiedenheiten zwischen
Kaiser und Kanzler bestehen, die das nothwendige
Zusammenarbeiten dieser beiden wenn auch nicht ge-
rade unmöglich machen, so doch erheblich stören und
behindern.
Das liebe Kartell, bisher Bismarcks treuester
Nachbeter geht immer offener gegen die Politik des
Reichskanzlers vor, die Presse der uationallibcraleu
und konservativen Partei greift sie immer schärfer an.
-ftetzt nach den Wahlen unterscheidet sich die uational-
llberale und sreikonservative Presse in der kritischen
Tonart nicht mehr von der „Kreuzztg." vor den Wahlen.
»Das Schießenlasscn der Zügel", so schreibt die „Post",
festens der Regierung sei die Hauptursache des Miß-
erfolges. Der Anschein des Mangels einer nach
'weiten dauernden Gesichtspunkten zielenden, bewußten,
energischen Staatsleitung habe auf das äußerste läh-
mend gewirkt. „Der Widerstand, welcher wiederholt
und nahezu einstimmig gefaßten Beschlüssen des Reichs-
tes immer wieder entgegengesetzt wurde, das de-
monstrativ abweichende Verhalten gegenüber der Ver-
Mlndlung von Initiativanträgen, die Behandlung des
Sozialistengesetzes u. a. mehr waren so gut Wasser
Mf die Mühle der Opposition, wie der vorzeitige
Schluß der letzten Landtagssession und das stetige
Hinausschicben dringend von der Laudesvertretung
äswünschtcr Reformen in Preußen." Die Regierung
^atte sich der nöthigsten Rücksicht auf die Volksvertre-
tung entschlagen zu können geglaubt. Die Verstim
Treuer Kiebe Kohn.
Roman von U. Rosen.
(Nkchdr. Lerb.)

„Still, Magda, o, still! Lass' jene Namen in diesen
Dauern nicht laut werden! Ich zittere, ein böser Wind-
Mck könnte sie zu den Ohren meines Vaters tragen.
oUeibe in meinen Zimmern wahrend ich forlbin und halte
me Thüren wie gewöhnlich geschlossen."
„ Magda hüllte ihre Herrin in einen langen Hcrmelin-
"Mlitel und begleitete sie bis in die Vorhalle.
. Graf Berril saß allein vor dem Kamin seines Wohn-
°Uunnrs, ein Bild dusterer Vereinsamung und schweren
Agenden Kummers.
, Bei dem Anbl-ck seiner Tollster erhellten sich seine Züge
seines Zornes und Grames. Die königliche Erschei-
zsMg verneigte sich ehrerbietig vor ihrem silberhaarigen
*Mter, der ihren Gruß ernst, beinahe kalt erwiderte.
„ „ „Setze Dich, Beatrice," sagte er, auf einen Sessel
ZMn dem seiniaen deutend. „Tu bist, wie ich sehe, zu
ZM Balle bei Lady Derwent angekleidet, aber wir haben
n, M langer als eine Stunde Zeit, mit einander zu
"Mudern."
r. Beatrice warf ihren Mantel ob und nahm den darae-
ZUenen Sih an- „Du wünschest vielleicht über Lord Or-
°ud mit mir zu sprechen," sagte sie.
rj . „Nein, nein, Beatrice, ich will von Dir selbst sprechen,"
ist der Graf ungestüm- „Bei unserer jüngsten Unterre-
„jäg fertigtest Du mich mit leeren Worten ab. Das geht
i, mt langer so- Ich muß Klarheit haben. Du führst
zn'fr meinen eigenen Augen ein geheimnißvolles Leben!
psjäs bedeutet das Alles? Als Dein Vater befehle ich Dir,
* unumwunden zu antworten!"
Beatrice stellte sich erstaunt- „Du sprichst in Räthscln,
°V°," fix.
Tu verstehst mich recht gut, Beatrice. Du weißt,
tn? 'tb meine- Gestern Abend erschreckte mich ein Feuer-
Ne-b Aus Deinem Zimmer drang dichter Rauch- Ormond
s»? stießen die Thür ein und — Du warst — ver-
»Nun, und was thut das, Papa?" fragte Beatrice

mung habe weit über die parlamentarischen Kreise
hinausgegriffen und naturgemäß lähmend auf die
Wahlaktion znrückgewirkt- Die „Nationalztg." sucht
nachzuweisen, daß, wenn man den Nationalliberalen
mehr gefolgt wäre, die Wahlniederlage nicht gekommen
sein würde. In der chronischen Beschlnßunfähigkeit
des Reichstages sei die Mißstimmung über die Be-
handlung des Sozialistengesetzes seitens der Regier-
ung besonders zum Ausdruck gelangt. „Hatten doch,
so schreibt das leitende nat.-lib. Blatt wörtlich, die
Konservativen, die der Regierung am nächsten stehende
Fraktion der Mehrheit, noch am Vorabend der letzten
Sitzung keine Kenntniß darüber, wie die Regierung
sich betreffs des Sozialistengesetzes entscheiden, und
wie sie selbst daher zn stimmen haben würden. W ä h-
rend der ganzen Session — wir
haben es bereits hervorgehoben — keine politische
über die geschäftlichen Aufgaben der einzelnen Ressorts
hinaus reichende Vertretung der Regierung;
ob die heftigsten Angriffe der Herren Richter und
Genossen auf die Gesammtpolitik derselben überhaupt
eine Erwiderung erfuhren, das hing lediglich davon
ab, ob ein Mitglied des Hauses sich dazu veranlaßt
fand. Der Reichskanzler war in keiner
Sitzung anwes end; er Ivar bis zum vorletzten
Tage der Session nicht in Berlin, und es bestand
keine Verbindung z w i s ch en ihm und der
parlamentarischen Mehrheit. Ein solcher
Stand der Dinge entsprach zu wenig den unerläßlichen
Vorbedingungen des Negierens mit einer Volksver-
tretung. Jedermann in Deutschland findet es in der
Ordnung, daß Fürst Bismarck das Maß seiner per-
sönlichen Bethätigung selbst und allein bestimmt; aber
dies darf nicht zur Folge habe..', daß eine Regie-
rung im politischen Sinne des Wortes
nicht — zum mindesten nicht nach außen erkennbar
— vorhanden ist.
Deutlicher kann die Unzufriedenheit mit dem Ver-
halten des Kanzlers nicht ' zum Ausdruck gebracht
werden. Die Nationalliberalen und der größte Theil
der Konservativen lassen ihn fallen, die übrigen Par-
teien haben durchaus keine Veranlassung ihn zu stützen,
und so dürften nun thatsächlich die Tage der ersten
Kanzlerschaft des neuen Reiches gezählt sein. Fürst
Bismarck hatte am Dienstag Nachmittag eine Unter-
redung mit dem Kaiser, die vom 5 bis (UU Uhr dauerte.

Deutsches Reich.
* Berlin, 6. März. Die „Nordd. Allg. Ztg."
schreibt: Der Kaiser wohnte gestern dem von den
leichthin. „Du sprichst, als ob meine Abwesenheit eineick-
setzensoolles Ereigniß wäre."
„Du scheinst nicht einschen zu wollen," enttzegnete der
Graf mit einem forschenden Blick auf seine Tochter, „welch'
eine Offenbarung für mich in dieser unerwarteten Erkennt-
niß lag. In Deinem Ankleidezimmer fand ich ein wirres
Durcheinander- Ich wußte, daß ich in Deiner gestrigen
Abwesenheit den Schlussel zu Deinem Gcheimniß, das Du
alle diese Jahre sorgsältia hütetest, entdeckt hatte- Das
Zurückziehen in Deine Gemächer, das ich so oft als
mürrische Laune beklagte, war nur der täuschende Vor-
wand für Deine Entfernung aus dem Vaterhaus?. Wäh-
rend ich in Dir das Opfer einer erniedrigenden Gewohn-
heit vermutbete — ich dachte an Wein oder Opium —
warst Du ausgcflogen, ich weiß nicht wohin, ich weiß nicht
mit wem. Dieses Geheimniß ist beängstigend, ist schmach-
voll, Beatrice!"
, O, Papa, verkette das Wort Schmach nicht mit dem
Namen Deiner Tochter," bat Beatrice mit brennenden
Wangen und blitzenden Augen.
„Was aber soll ick sonst denken? fragte der Graf.
„Ich war niemals ein Vater, der seine Gefühle zur Schau
trug, Beatrice, doch habe ich Dich geliebt, wie wenige
Väter ihre Kinder lieben. Leider verstand ich es nicht,
Dich zu lehren, mir allzeit und untre allen Umständen
Dein Vertrauen zu schenken. Du verlorst Deine Mutter
früh- Dann kam die grausame Lektion, die jener Schurke
Gottfried Trewor Dich lehrte, dessen Asche ich noch ver-
fluchen möchte, wenn ich auf Dich sehe. Hast Du kein
Herz, Beatrice? Berührt meine Angst, meine bange Sorge
keine Saite in Deiner Seele? Ich bitte zu Gott, daß
wenn Du Dich jemals verheirathest und Dir Kinder ge-
boren werden sollten, sie Dich inniger liebten, wie Du
Deinen Vater."
Beatrice wendete ihr Gesicht von dem thränenvollen
Blick des alten Mannes ab, der so streng mit ihr in's Ge-
richt ging. „Papa," sagte sie mit sanfter, weicher Stimme,
„Wie Du selbst bekennst, verriethest Du Deine Gefühle für
mich niemals. Tu hattest nie eine Liebkosung, ein Wort
der Zärtlichkeit für mich. Ich wußte, daß Du stolz auf

Landständen der Provinz Brandenburg im Kaiserhof
gegebenen Diner drei Stunden lang bei, wobei er
auf die Ansprache des Oberpräsidenten Achenbach er-
widerte: Er freue sich, der Einladung Folge geleistet
zu haben. Die Treue der Brandenburger bewährt
sich besonders im Unglück, unauflösliche Bande ver-
binden das Hohenzollernhans mit Brandenburg. Der
Kaiser wisse, daß man ihm den Vorwurf des
vielen Reisens gemacht habe. Die Reisen seien
für ihn von großem Nutzen gewesen, da er Menschen-
kenntniß und Erfahrungen gesammelt, und könne er
Jedem die Nachahmung empfehlen. Die Arbeit
stand stets auf dem Programm der Hohenzollern: er
nenne nur hier den großen Kurfürsten, Friedrich den
Großen und seinen Großvater. Der Kaiser stehe auf
dem Standpunkte seines Großvaters und werde die
vorgezeichuete Bahn weiter schreiten; wenn er Männer
brauche, an dem Werke mitzuhelfen, so sei er gewiß,
dieselben in Brandenburg zn finden. Wer ihn un-
terstützen wolle, dem reiche er die Hand,
wer nicht mit ihm ist, den zerschmettere er.
— Verlobungsgerüchte über die Prinzessin
Margarethe und den russischen Thronfolger waren in
den letzten Tagen wieder mehrfach verbreitet. Die
„Nordd. Allg. Ztg." erklärt jetzt alle diese Mittheilnn-
gen für müßige Erfindungen.
* In -er Provinz Hannover sind nunmehr im
ganzen gewählt 12 Deutschhannoveraner, ein Freisin-
niger, ein Sozialist und fünf Nationalliberale. Von
diesen fünf Nationalliberalen verdanken vier ihr Man-
dat nur einzig dem Umstande, daß sie mit dem
Sozialisten in die Stichwahl kamen, anderenfalls wür-
den diese 4 Herren, einschließlich des Herrn v. Bennig-
sen, auch unterlegen sein.
* Aus Süddcutschland. Zur Ungiltigkeitser-
klärung der Wahl Miguels soll sich bereits ein wahr-
haft klassisches Material ergeben haben. — Im Wahl-
kreise Zweibrücken-Pirmasens soll die Wahl
des Nationalliberalen, der nur mit 61 Stimmen Mehr-
heit siegte, seitens der Centrumspartei angefochten wer-
den. — Bei der am Mittwoch in Mainz stattge-
habten offiziellen Wahlverkündigung stellte sich das
Ergebniß wie folgt: „Racke (C.) 9196, Jost (Soz.)
9569 Stimmen, mithin hat Letzterer eine Stimmen-
mehrheit von 373.
Aus Baden.
Heidelberg, 7. März.
- Die vollständige Niederlage des National-
liberalismus in unserem Lande veranlaßt die „Bad.
mich warft, nicht, daß ich Dir theuer sei; ich, Papa, ich
liebte Dich von ganzem Herzen, liebe Dich noch innig und
zärtlich, aber die Angelegenheit, die Du eben erwähntest,
scheint meine Natur umgewandelt zu haben. Mit Deiner
Einwilligung hatte ich mich mit GotifriedTrewor, dem Ideal
meiner Träume, dem Geliebten meiner Seele, verlobt. Du
wünschtest vor allen Dingen das Vermögen der Berril's
und der Trewor's zu vereinigen. Wäre Gottfried nicht in
Südamerika gestorben, sondern nach England zurückgckehrt,
so würdest Du Deine Tochter heute vielleicht als glückliche
Gattin uno blühende Enkel um Deine Knie versammelt
sehen, Papa."
„Niemals würde ich ein Kind jenes mitternächtlichen
Meuchelmörders als mci icn Engel anerkennen," rief der Graf
heftig „Selbst wenn Lord Trewor seinem elenoen Neffen
verziehen hätte, würde ich Gottfried Trewor Dein Glück
nicht anvertraut, unseren stolzen makellosen Ngmen nicht
mit seinem entehrten verkettet haben. Dem Himmel sei
Dank, daß ver erbärmliche Taugenichts starb!"
„Und doch liebtest Du ihn einst," bemerkte Beatrice
traurig.
„Wir wollen nicht mehr von ihm sprechen, meine
Tochter. Es ist merkwürdig, daß der Name Gottfried
Trewor's sich in alle unsere Unterredungen einschleicht.
Die Besitzungen der Trewor's und Berril's werden üb-
rigens doch vereinigt, wenn Du Eduard Ormond heirathest,
und bringt mich auf die Entdeckung des gestrigen Abends
zurück. Aus's Neue bitte, beschwöre ich Dich, Bealrice,
vertraue mir Dein Geheimniß an!"
Beatrice schüttelte sich wie in Fieberschauern. „Papa,"
entgegnete sie, ihre weißen, juwelengeichmückten Hände
nach der Kohlengluth des Kamins ausstreckend, „weil ick
einmal abwesend war, folgt daraus noch nicht, daß ich
immer abwesend bin, wenn meine thüren verschlossen sind.
Ich gestehe, daß ich gestern nicht zu Hause war, aber Du
hättest genügendes Vertrauen zu Deiner Tochter haben
sollen, an ihrer Ehre und ihrer Klugheit niemals irre zu
werden. Ich bin kein unerfahrenes Kind, daß mein Gehen
und Kommen noch beaufsichtigt werden müßte."
Fortsetzung folgt.
 
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