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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Januar - 14. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0033

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Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn-u. Feiertage.
^"^mentSpreiS mit dem wöchentlichenUntcrhaltungs-
erSonntagsbote" für Heidelberg monatlich KV H
rrdgerlohn, durch die Post bezogen viertel). 1.80 franco.

«p l'L Inserate die 1-spaltize Petitzeile oder deren Raum 10
Organ für Aakrliat, Fremm L rumt. Ux-sL LL
bewrlligung. Expedition: Zwingerstratze 7.

«I.«.

Verantwortl. Redakteur: F. L. Knappe
in Heidelberg.

Hkidkldkl«, Stu II.zNM.

: Drucku.Berlag vonVebr. HuberinHcidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

1890.

Deutsches Reich.
— Berlin, 9. Jan. Der Reichsanzeiger veröf-
fentlicht über die letzten Augenblicke der Kai-
serin Augnsta einen längeren authentischen Bericht,
aus welchem hervvrgeht, daß die Kaiserin anscheinend
bis zuletzt das volle Bewußtsein hatte, wenn auch in-
folge großer Schwäche die Stimme versagte. Nm
letzten Morgen, wo gegen 4 Uhr vermehrte Schwäche
eintrat und das Kaiserpaar gerufen wurde, erkannte
die Kaiserin mit den Worten: „Das gute Kind", ihre
Tochter, die Großherzogin von Baden, am
Bett, fragte nach der Stunde und sprach den Wunsch
aus, der Großherzog möge sich schonen und nicht auf-
stehen. Die Kaiserin habe sich zwar sehr krank ge-
suhlt, aber anscheinend von ihrem bedenklichen Zu-
stande noch keine Vorstellung gehabt. Als sie die
Anwesenheit des Oberhofpredigers Kögel erfuhr, ließ
sie denselben hereinkommen und folgte seinen, an
Bibelsprüche anknüpfenden Gebeten mit Bewußtsein.
Zu dem inzwischen erschienenen Kaiser sagte sie: „Ich
darf Dich heute nicht küssen, der Ansteckung wegen."
In der achten Morgenstunde sagte sie u. a. zu ihrem
Kabinetsrath: „Glauben Sie, daß Ich morgen wieder
mit Ihnen arbeiten kann?" Nach IO Uhr trat grö-
ßere Ruhe ein, aber das Sprechen war sehr erschwert.
Immerhin antwortete die Kaiserin auf Fragen ihrer
Tochter durch einen Blick oder ein Wort und folgte
ebenso den in Zwischenräumen von Oberhofprediger
Kögel gesprochenen Gebeten, dies ebenfalls durch
Blick oder Wort, ein „Ich danke" bekundend. Sie
sagte demselben auch „Lebewohl", während offenbar
die übergroße Schwäche die Sterbende verhinderte,
ihre Empfindungen weiter auszudrücken. Es war
deutlich erkennbar, daß sie mit dem Blick nach dem
Einen oder Andern der Umstehenden suchte; aber
während das Auge noch sprach, versagte die Stimme.
So vergingen die Stunden, bis die Kaiserin nm 4'/4
Uhr von ihren Leiden erlöst war. — Dem Organ
der rheinischen Centrnmspartei, der „Köln. Vlksztg."
entnehmen wir folgende Stelle des Nachrufs: „Das
Wohlwollen, welches die Kaiserin Augusta, obwohl
andern Glaubens, unserer Kirche und besonders
dem Ordenswesen derselben widmete, ist nament-
lich in den traurigen Tagen des „Kulturkampfes" zu
Tage getreten. Sie hat kein Hehl daraus gemacht,
wie sie über die kirchenpolitischcn Vorgänge der sieben-
ziger Jahre dachte, und man darf wohl sagen: diese
Ereignisse haben einen Schatten auf ihr Leben geworfen.
Am schmerzlichsten empfand sie die Leiden, welche in
dieser Zeit der Zerstörung über unsere weiblichen

Orden hereinbrachen. Sie hat gethau, was in' ihren
Kräften stand; ihre Schuld war es wahrlich nicht,
wenn nur noch einem kleinen Theil jener edlen Frauen
die ihr ganzes Thun und Denken dem Gebet, der
Erziehung der Jugend, dem Trost und der Pflege der
Armen, Verlassenen und Kranken geweiht hatten, eine
Stätte im Vaterland blieb. In einer Periode maß-
loser Verbitterung hat sie mildernd, versöhnend gewirkt."
— Das Organ der Centrumspartei in Schle-
sien, die Schles. Volksztg." schreibt: „Wir schlesischen
Katholiken haben noch einen besonderen Anlaß, um
die verewigte kaiserliche Wittwe zu trauern. Die vielen
Beweise von Huld, Güte und Theilnahme, welche sie
dein Bekenner auf dem bischöflichen Stuhle von Bres-
lau, dem in Gott ruhenden Fürstbischof Heinrich, in
den Tagen schwerer Heimsuchung erwiesen, werden
ihr unvergessen bleiben. Sie, die Kaiserin Augusta,
war es, welche es zu verhindern wußte, daß Fürst-
bischof Heinrich langer Kerkerhaft verfiel; sie war es,
welche ihn in der Verbannung durch Uebersendung
eines Eccehomv-Bildes tröstete; sie, die es ermöglichte,
daß die Katholiken Breslaus und der Provinz ihren
Oberhirten in der Kathedrale feierlich bestatten
durften."
-i^ Berlin, 9. Jan. Der „Reichsanzeiget" meldet:
Durch Entscheidung der Reichskommission ist das von
dem Regierungspräsidenten in Lüneburg am 24. Sep-
tember 1889 ausgesprochene Verbot des Vereins für
volksthümliche Wahlen in Lüneburg aufgehoben worden.
Das hindert aber die selbstherrliche Polizei noch lange
nicht, immer wieder neue Auflösungen solcher Vereine
zu verfügen. Ihren angestrebten Zweck erreicht sie
doch, denn ehe die Reichskommission wieder zusammen-
getreten ist und in der Sache entschieden hat, ist die
Vereinsgeschichte gewöhnlich doch schon verfehlt. —
Der Sultan von Zanzibar hat vor einigen Tagen
eine mit Freuden zu begrüßende Verfügung gegen
den Sklavenhandel erlassen. Die „Nordd. Allg. Ztg.",
das Organ des Fürsten Bismarck, bemerkt zu derselben,
Deutschland dürfe auf diesen greifbaren Erfolg der
Antisklavereibewegung stolz sein, und man müsse dem
hinzufügen, daß es in der Hauptsache der von der
öffentlichen Meinung getragenen Initiative des Reichs-
tages zu danken ist, daß die Regierung dieser Frage
praktisch näher treten konnte. —Man glaubte, Fürst
Bismarck werde in Folge des Ablebens der Kai-
serin Augusta nach Berliu kommen. Dies bestätigt
sich aber nicht, denn der Kanzler hält sich, wenn es
nur irgendwie angeht, stets von allen Trauerseier-
lichkeiten fern. — Die Centrumsfraktion wird

von Wiudhorst bereits zu zahlreichem Erscheinen im
Abgeordnetenhause aufgesordert. Die erste Fraktions-
sitzuug soll schon am 15. d. M. stattsinden. — Der
Abgeordnete Dr. Hammacher ist neuerdings von
heftiger Lungenentzündung befallen worden. — Die
Berathung des Sozialistengesetzes ist nicht vor
dem 20. Januar zu erwarten, da einige Sitzungen
des Reichstages infolge des Ablebens der Kaiserin
Augusta ausfallen.
-»-» Berlin, 9. Jan. Die gestrige Sitzung des
Reichstags dauerte mit Rücksicht auf den Tod der
Kaiserin Augusta nur wenige Minuten. Heute wird
der Marine etat berathen. (Vergl. Reichstagsber.)
— die Reichstags Wahlen auf den 6. März
festgesetzt sind, wird von den offiziösen „Berl. pol.
Nachr."als ilnrichtig bezeichnet. (Siehe unten.) Daß sie
aber in Kürze bevorstehen, beweist der Umstand, daß
verschiedentlich schon mit der Aufstellung der Wähler-
listen begonnen wird. — Zu den Gerüchten über die
Absicht eines Besuches des französischen Präsidenten
Carnot in Brüssel und einer hierbei möglichen Zu-
sammenkunft mit Kaiser Wilhelm gelegentlich des Re-
gierungsjubiläums Königs Leopolds wird dem „ Börsen-
Courier" aus Paris gemeldet, daß Carnot schon
früher nach Belgien geladen war, jetzt aber endgiltig
darauf verzichtet hat, seitdem bekannt geworden, daß
die belgischen Demokraten bei Carnot's Erscheinen re-
publikanische Kundgebungen veranstalten würden. —
lieber die Erstürmung der befestigten Stellung
Bana Heris bei Saad ani wird noch berichtet: Der
Feind leistete hartnäckigen Widerstand nnd erlitt große
Verluste. Die Deutschen hatten 15 Verwundete.
Bana Her! entkam ins Dickicht. In den Verschan-
zungen wurden eine MengejHinterlader nnd Munition
aller Art gefunden. Seit sechs Tagen sind keine
Nachrichten von Emin Pascha eingetroffen. Die Ver-
bindung mit Bagamoyo ist abgeschnitten, weil Major
Wißmann die Dampfer bei Saadaui zusammenge-
zogen hat.
* Hamburg, 9. Jan. Das vor sieben Jahren
auf der Moorweide aus Theileu des Pariser Troca-
dero-Palastes errichtete Ausstellungsgebäude, welches
seine« Zweck unerfüllt ließ, ist gestern Nacht von Ar-
beitern der Dortmunder Union für Rechnung eines
hanoverschen Unternehmers abgerissen worden, nachdem
die Eisenträger durch Erhitzen zum Glühen gebracht
worden waren. Der für Rechnung des Ausstellungs-
komitees erfolgte Aufbau hat mehr als eine
Million verschlungen, welche vollständig ver-
loren ist.

K ö H e n L u f L.
Von «ary «roß.

(Nachdr. Verb.)
84) (Fortsetzung.)
„Sie war vor wenig Minuten noch hier," sagte
Uchkniefs. „Wir werden nun mit Ihrer Vorstellung warten
Müssen bis nach dem Schlüsse des Theaters ; gewiß ist die
geschäftige alte Dame noch einmal vor Beginn zu ihrem
Liebling geeilt, der Stella, die sie vergöttert. Aber sie hat
Ursache dazu, denn diese ist die Hauptzugkraft ihrer
Bühne und wird noch eine der brillantesten Sängerinnen
werden."
„An welcher Oper ist sie engagirt?" fragte Alfred,
der ungeduldig des Erscheinens von Madame Monetti
harrte, die mit Armandine kommen sollte.
„An welcher Oper? Noch an gar keiner. Das ist ja
eben eine der Finessen der Madame Woloff, nur Künstle-
rinnen bei sich spielen zu sehen, die noch nicht in der
Oeffentlichkeit auftraten. Es hat Vies verschiedene Vor-
thcile Doch wird die Medville des Tages wohl bald an
einer Oper engagirt werden. Es könnte die große sein,
o durchschlagend ist ihr Erfolg. Sie können denken, mit
welcher Ungeduld gar mancher auf diese Veränderung in
°er Sängerin Lage wartet."
«Ich verstehe Sie nicht!" „
„Nicht? — Ah, S»e müssen wissen, Madame Woloff
m sehr prüde und verlangt es auch von anderen. Jetzt
?whiit ihr Schützling noch bei steifen Engländerinnen in
der ^veuus äes rois, in einer Pension, die klösterliche Ein-
Zchtung hat. Herrenbesuche werden schwer oder gar nicht
jBselassen. Man kann kaum dem schönen Kinde aus der
iZrne huldigen, und muß sich seine gut gespielte Kälte und
«'sblicke gefallen lassen. Das kann erst anders werden,
wenn die Diva selbständig ist und keine Tugendliebe zu
"vgiren braucht."
Uchenieff verließ Alfred mit der Versicherung, er werde
Ä" am Ausgange des Theater-Saales erwarten sobald die
°"arsteHlmg zu Ende sei.
-Verlieben sie sich nur nicht zu stark in die Diva l Sie

I würden Nebenbuhler finden, die entschlössen sind, zu siegen,"
> flüsterte er noch mit faunischem Lachen.
Alfred war froh, Uchenieff endlich los zu sein, und
suchte sich einen bequemeren, unbeobachteten Platz, wo er
ungeduldig, nicht sowohl den Beginn der Aufführung, als
den Moment erwartete, in dem er Madame Monetti
sprechen und durch sie von Raimonda zu hören hoffte. Er
war ahnungslos, daß er ohne Madame Monetti die er-
sehnte Spur finden sollte, aber nur um sie auf's neue zu
verlieren.
Zu gleicher Zeit weilte die Herrin des Hauses in
ihrem eigenen Toillettenzimmer, das sie ihrem Schützling
eingeräumt hatte, und musterte mit Befriedigung die
wunderschöne Elsa, wie sie in der Balkon-Szene des
zweiten Aktes von Lohengrin auftreten sollte.
„Meine Mosine und Madame Gauffin haben ein
Meisterstück gemacht," rief sie, „zu dem freilich Ihre Ge-
stalt, schönes Kind, und Ihr prachtvolles Haar das Beste
beitrugen. Aber Frisur und Toilette sind doch auch zu
loben u. anzuerkennen. Hier, mein Engel, betrachten Sie
sich im Spiegel u. sehen Sie selbst, wie herrlich sich der
weiße Atlas um Ihre schlanke Gestalt schmiegt, wie könig-
lich der Zuschnitt des Mantels Ihren hohen Wuchs gelten
läßt, wie schön Ihr blondes Gelock von dem Schleier halb
verdeckt, halb gezeigt wird- — Kommen Sie, Kind! Be-
wundern Sie sich, aber mit frohem Lächeln. Ich möchte
so gerne Ihr schönes Auge freudig strahlen sehen! Wenn
die Flamme der Begeisterung es erfüllt, dann leuchtet es
wohl, aber für gewöhnlich ist sein Ernst zu trübe. Lächeln
Sie, Kind! aber nicht nur mit den Lippen, auch mit den
Augen!"
Aber der Sängerin Augen blieben ernst, während sie
einen Augenblick auf dem Wiederschein ihrer holden Er-
scheinung ruhten, dann aber davon hinwegblickend, hoben
sie sich zum Antlitze der stattlichen Frau, die in dunkel-
rothe Seide gekleidet, Diamanten in dem ergrauenden
Haar, das gleichfalls schöne Bild einer Matrone neben der
zarten Mädcheügestalt zeigte
„Sie müssen mich begeistern, nicht mein Bild!" sagte

das junge Mädchen, herzlich und dankbar in die freund
lichen Züge seiner Beschützerin blickend.
„Ihr Wohlwollen, Ihre echte Liebe zur Kunst, Ihre
Ovferfähigkeit sind Dinge, die mich erfreue» und erheben,
die mir's möglich machen, vorwärts zu gehen aus der
steil ansteigenden Bahn "
„Warum so schwermüthig, Kind! Es ist eine Bahn
des Ruhmes und des Glanzes! Sie werden auf ihr
wandeln im Sinne des Meisters, der uns diese hohe Ent-
faltung der Kunst bietet zum besten Inhalt des Lebens,
zur Erneuerung und Vollendung der Menschheit. Sie
schütteln den Kopf. Sollten Sie noch nicht überzeugt sein
von der hohen Mission des Theaters, von der Veredelung,
die es den Gemülhern bringt? von —"
„Und jene Menschen, die Darstellung, Gesang, Kom-
position glerchgiltig läßt, die sich nur an mich drängen,
um mir von äußerer Schönheit, von Vorzügen, die ich
gering achte, zu sprechen. Die im Theater nichts suchen,
als Befriedigung ihrer Schaulust, in der Künstlerin nur
das schöne Weib suchen, das sie mit der niedrigsten Leiden-
schaft beleidigen!"
„Ah, ich verstehe. Sie meinen jene Elenden, deren
einer Sie vor allen erschreckt! O, wie ich ihn hasse, den
Erbärmlichen, der jetzt schon anfängt, seine junge Gattin
zu betrügen! Diesen Uchenieff? Er soll Sie nicht verletzen
heute Abend. Ich werde ihn überwachen, obgleich mau
gestehen muß, daß die junge Frau auch — doch lassen wir
sie. Es gibt bessere Gemüther, auf welche die Kunst ihren
erhebenden Einfluß nicht verfehlen wird- Vergessen Sie
diese geringe Sorte "
„Aber sind es nicht gerade diese, welche am häufigsten
das Theater besuchen? Wenn es soviel vermöchte —"
„Kein Zweifet heute, urtd besonders jetzt nicht. Es
würde Ihr Spiel beeinträchtigen. Bleiben Sie hier —
Sie können des göttlichen Meli Violine bis hierher hören.
Ich komme noch einmal, ehe es Zeit für Sie ist, aufzu-
treten. Ich eile zu dem Beginne der Sonate, es ist die
Kreuzer-Sonate. Ich liebe sie besonders- Adieu mein
Engel."
(Fortsetzung folgt.)
 
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