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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 51 - Nr. 60 (2. März - 13. März)
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Berantwortl. Redakteur: F. Z. Knappe
m Heidelberg.

Inserate die 1-spaltizc Petitzeile oder deren Raum 10
Reklame 2ö Für hiesige Geschäfts- und Privat-
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.
189V?

Arsck eint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
^bonuementSpreis mit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
platt „DerSonutagSbote" sürHeidelbrrg monatlich SV
d«t Trägerlohn, durch di e Post bezogen Viertels. 1.80 franco.

! Druck u. Verlag von Gebr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.


re Pmsri MWmMsütük.
Die jüngst geschlossene Ausstellung in Paris war
unbedingt in jeder Art ein alle Erwartungen überstei-
gender Erfolg. Während der sechs Monate ihrer
Dauer fand, nicht allein von Frankreich, sondern auch
von allen Thcilen der Welt, eine wahre Völkerwan-
derung nach Paris statt, u. die dahin strömenden Men-
scheumassen waren so ungeheuer, daß sie alles bis
jetzt Tagewesene bei weitem überstiegen. Selbst dieRiesen-
stadt London hat etwas Aehnliches nicht aufzuweisen.
Man hatte die Zahl der zu erwartenden Besucher auf
das Resultat der Ausstellung von 1878 basirt, die
etwa 13,000 000 betrug; vor Ende August jedoch war
diese Nummer schon bedeutend überschritten, und von
Anfang bis zu Ende passierten täglich 120,000 bis
150,000 Personen die Barrieren, eine Zahl, die sich
an Sonn- und Festagen bis auf 400,000 erhöhte.
Daß bei einer solchen ungeheuren Menschenmasse
der Verbrauch aller Lebensbedürfnisse ein auf riesige
Weise vergrößerter sein mußte, ist natürlich, und die
Folge davon war die Preissteigung aller Gegenstände
des menschlichen Konsums. Was Paris selbst in diesen
sechs Monaten verzehrt haben muß, ist wohl kaum
festzustellen, wir bekommen aber ein Bild davon, wenn
wir uns die wirklich erstaunlichen Zahlen betrachten,
was an Essen und Trinken in der Ausstellung selbst
konsumiert wurde.
Am ganzen hatte man etwas über 50 Personen
verschiedener Nationalität die Erlaubniß ertheilt, im
Bereich der Ausstellung Restaurants und Kaffee's zu
eröffnen, exklusive der 90 Kiosks und Verkaufsstäude
-für leichtere Erfrischungen in den verschiedenen Gar-
tenanlagen. Tas dazu nöthige Personal belief sich auf
600, und über 700 Wagen aller Art waren kaum
im Stande, jeden Morgen die Vorräthe an Ort und
Stelle zu bringen, ungeachtet der großen Mengen, die
per Hand in Körben, Kisten u. s. w. eingeliefert
wurden. Erwähnt muß werden, daß das Ausstel-
lungs-Komitee mit unerbittlicher Strenge sowohl Preis,
als Dualität der Lebensmittel überwachte und täglich,
selbst bei den Restaurants ersten Ranges, die Preis-
listen revidierte.
Betrachten wir uns nun den Verbrauch einiger
dieser Etablissements näher, um dadurch ein Bild des
Ganzen zu erhalten.
Tas Restaurants „Russe", das als eins der
theuersten galt, servierte täglich 12 bis 1400 Frühstücke
und Mittagsmahlzeiten. An dem Orillrooin (ein offe-
ner Bratrost), ans dem Steaks, Chops (Rvstribben)
.. . —
Treuer Kiebe Kohn.
20) Roman von U. Rosen.
(Nachdr. derb.)
„Manm," sprach Giralda in leisem leidenschaftlichen
Ton weiter, „Nacht für Nacht lag ich wachend in meinem
Bett, um daran zu denken, wie Du vor einer dicht ge-
drängten Zuhörerschaft mit dem Aufgebot Deiner Kraft
fangest, im für Deine Familie Brod zu gewinnen. Ich
träumte von Dir als einer gefeierten, mit Beifall über-
schütteten und gut bezahlten Schauspielerin, die aber immer
die Sehnsucht im Herzen trug, ungestört und ununter-
brochen gemeinschaftlich mit den Ihrigen leben, ihren
Gatten, ihre Kinder, die sie so zärtlich liebte, beständig
sehen zu können, und erwachend fand ich meine Kissen
thränenübeiströmt. O, Mama, die Sorge nm Dich lobtet
mich!"
Die beiße Gluth aus Beatricens Wangen war erloschen.
„Meine Tochter, meine geliebte Tochter," schluä zte sie mit
bebender Stimme.
„Habe ick Dir weh gethon, Mama ?" fragte das junge
Mädchen. „Dennoch muß ich Dir sagen, was mir die
Seele lnwegt, und was ich Dir längst zu offenbaren
wünschte.
Seit meiner frühesten Erinnerung kamst Du nur zu
gewissen Zeilen nach Hause und Deine Besuche bei uns
dauerten am längsten, als meine Brüder geboren wurden.
Du gönnst Dir keine Ruhe- keine Erholung —"
„Hier finde ich beides Giralda."
„O, Mama, wird Dein Herz niemals schwach in dem
aufreibenden Kampf um das tägliche Brod für Deine
Kinder! Ermüdet Deine Seele niemals in der Durchfüh-
rung Deiner Pläne zu unserem Wohle?"
.Wie wäre das möglich! Mein Gatte und meine
Kinder find das Leben meines Lebens, die SeeleZmeiner
Seele!"
„Wenn Du nur immer bei uns bleiben dürftest", seufzte
das Mädchen. „Diese nächtlichen Besuche scheinen so heim-
lich, so verstohlen, Mama. Verlebte ich Dich mit meinen
Aorten ? fragte es, als Beatrice auffuhr. „O, so vergieb mir,

n. f. w. gebraten werden, von Spins und Pond ans
London, dinierten täglich über 1000 Personen, und
in die Küchen dieser Herren wurden jeden Morgen
mehr als 1000 Pfund Fleisch, 200 Pfund Fisch und
dasselbe Gewicht an Schinken eingeliefert; diese letz-
teren dienten zum Belegen von 1200 Butterbroten.
Auf dem Rost gebraten wurden täglich 200 stoak^,
100 Rostribben, 200 Koteletten, nebst einer großen
Anzahl von Kalbsnieren und anderen dergleichen Ge-
richten. Daß auch die riesigen Stücke von Roastbeef,
der Stolz jedes Engländers, nicht fehlten, versteht
von selbst. Ueber den Gebrauch von Getränken geben
die Herren nur au, daß derselbe dem Konsum der
festen Nahrungsmittel völlig entsprach.
Der tägliche Aussckmnk in der holländischen Bier-
halle belief sich auf 12 bis 14000 Seidel von Bock-
und Lagerbier.
Grübers Restaurant, mit festem Preise, servierte
täglich ungefähr 2000 Mahlzeiten^ die 1400 Pfund
Fleisch, 600 Eier 350 Hühner, 1000 Seezungen, 250
Whitings (ein anderer Seefisch), 20 Schinken und
50 Hummern in Anspruch nahmen. Dazu wurden
10,000 Seidel Lagerbier täglich getrunken.
Die Palme aber von allen, was den enormen
Konsum anbetrifft, gebührt den drei Duvalfchen Re-
staurationen, die Platz genug hatten, um 1580 Personen
anseinmal zu speisen. Im ganzen servierten dieselben wäh-
rend der OMonate dieunglaubliche Zahl 2,422,500 Mahl-
zeiten, was pro Tag 13100 ausmacht.. Ter Verbrauch
bestand aus 517,371 Laib Brod (ü 2 Pfd.), 605,624
Pfd. Fleisch, Geflügel und Butter; 202,000 Pfd.
Fisch, 490,000 Psd. Gemüse und Kartoffeln, 150,000
Pfd. Käse, 136,240 Pfd. Gelees, Backwerke nnd
Früchte. Die Zahl der Portionen war 8,794,728.
Diese Zahlen schließen die Beköstigung des Personals
von 635 Personen nicht ein. Zu einem guten Essen
gehört ein guter Trunk. Trotz aller Mäßigkeitsvereine
wurde bei Duval darin folgendes geleistet: 708,800
Lit. Wein, 16,300 Hier, 12,500 Rum, Eognae und
Kirsch, 12,500 Lit. Liquere und 5800 feine dito nebst
549,000 Gläschen Cognac, 300,700 Flaschen Mineral-
wasser, 3745 ganze und halbe Flaschen Champagner
und 5600 Glas dito. Die Oktroistcuer für diese Ge-
tränke an den Barrieren von Paris betrug 215,000
Franken. Auch die Kiosks u. s. w. machten ganz vor-
treffliche Geschäfte, und einige in guter Lage verkauf-
ten in einem Tage zwischen 4 bis 5000 Flaschen Wein
nebst ungeheuren Mengen von Kaffee, Kuchen ,>c.
An der Modell-Bäckerei war der Konsum von
Kuchen, unter den Augen des Pubikums gebacken, ein
Mama Unser Haus wäre ein Paradics, hätten wir Dich
immer bei uns."
Beatrice trocknete ihre Thränen und blickte nachdenk-
lich in das Feuer. „Du grübelst zu viel, Giralda," be-
merkte sie traurig. „Ich wollte, es wäre mir geglückt, Dir
Deine kindliche Unbefangenheit länger zu erhalten, aber
ick tadle Dich nickt, daß Tu den Schleier eher abstreifest,
als mir lieb ist. Was bestimmte Dich, mir endlich Deinen
geheimen Kummer zu enthüllen'?"
„Rupert ist ehrgeizig, Mama," antwortete Giralda
leise und zögernd- „Er möchte studiren und —"
„Er sagte es mir gestern Abend und ich versprach
ihm, ihn Gymnasium und Universität besuchen zu lassen."
„Aber, Mama," sagte das Mädchen erröthend, „ich
habe io viel von dem Unterschied der Stände, von den ge-
sellschaftlichen Vorurtheilen dieses Landes gelesen. Ich
weiß, daß Papa ein vornehmer lpaniscker Edelmann und
daß Du als seine Gattin Gräfin bist, doch Rupert ist
heißblütig und stolz, nnd wenn seine Mitschüler ihn miß-
achten sollten, weil — weil — Du eine Schauspielerin
bist, würde er bitteres Leid empfinden —
„Ich habe das Alles erwogen, meine Tochter. Rupert
wild eine deutsche Universität beziehen und dort als der
Sohn eines spanischen Grasen keinerlei Unbill zu erfahren
haben. Ferner ist die Möglichkeit vorhanden, daß ick nicht
immer genöthigt sein werde, Schauipielerin zu bleiben,
und wenn ich meinen Berus aufgegeben habe, werde meine
Kinder keine Ursache haben, sür ihre Mutier zu erröthen,
Giralda."
„Die haben wir auch jetzt nicht, Mama! Aber ich
möchte Dir noch mehr sagen. Erlaube mir, mich unge-
zwungen und rückhaltlos auszusprechen. Ich habe eine
sorgfältig Erziehung erhalten, bin in all' den Gegenständen
unterrichtet, die man jungen Damen zu lehren Pflegt, ich
spreche spanisch, französisch und italienisch so gMufig wie
das Englische. Mein Klavierspiel und meine Stimme hast
Du oft gelobt."
„Und nun?"
„Ich wurde verwöhnt wie eine Prinzessin und bin
immer behandelt worden, als wäre ich die Erbin eines

ungeheurer, und au dem Tage, Ivo der Schah von
Persien die Ausstellung besuchte, stieg er auf 42,000
Stück.
Die ganze Welt hat natürlich zu diesem abnormen
Bedarf beisteuern müsfeu, der, wie schon erwähnt, den
täglichen Konsum des großen Paris nicht einschließt;
die Schwierigkeiten des Beschaffens müssen ungeheuer
gewesen sein, und doch hörte man wenig oder keine
Klagen über Vertheuernng oder Prellerei.

Nrbeiterschuh.
Berlin, 1. März.
Der „Reichsanzeiger" schreibt: Auf allerhöchsten
Befehl siud die Botschafter in London, Paris, Rom
und Wien, die Gesandten in Bern, Brüssel, Haag,
Kopenhagen nnd Stockholm angewiesen worden, die
dortigen Regierungen zu einer Konferenz behufs
Regelung der Arbeit in industriellen Anlagen und
Bergwerken einzuladen. Die den betreffenden Ministern
der auswärtigen Angelegenheiten übergebenen Schrift-
stücke besagen, der Kaiser schlage vor, es solle eine
Versammlung stattfinden von Vertretern der Re-
gierungen, welche sich dafür interessiren, das Loos
der Fabrik- und Minenarbeiter zu verbessern,
damit diese über Fragen von internationaler Bedeutung
berathen könne, welche in dem Programm enthalten
sind; da die Fragen ohne politische Tragweite sind,
erscheinen dieselben geeignet, zunächst der Prüfung
von Fachmännern unterworfen zu werden. Um die
Eröffnung und den weiteren Verlaus zu erleichtern,
ließ die kaiserliche Regierung ein der Note beiliegendes
Programm entwerfen. Dieses Programm enthält
folgende Hauptpunkte: 1) Regelung der Arbeit in
Bergwerken mit den Unterfragen, ob die Beschäftigung
unter Tage zu verbieten sei für Kinder unter einem
bestimmten Lebensalter und für weibliche Personen?
Ob für Bergwerke, worin die Arbeit der Gesundheit
besonders gefährlich ist, eine Beschränkung der Sckficht-
dauerv orzusehen ist, und ob es möglich ist, die Regel-
mäßigkeit der Kohlenförderung zu sichern und die
Arbeit in den Kohlengruben einer internationalen
Regelung zu unterstellen. 2) Regelung der Sonntags-
arbeit mit den Unterfragen, ob die Arbeit Sonntags
vorbehaltlich Nothfälle zu verbieten sei und welche
Ausnahmen eventuell zu gestatten seien? Ob die
Ausnahmen durch internationales Abkommen, durch
Gesetz oder durch Verwaltnngsmaßregeln zu bestimmen
seien. 3) Regelung der Kinderarbeit mit den Unter-
fragen, ob die Kinder bis zu einem gewissen Lebens-
alter von der industriellen Arbeit anszuschließen sind

Fortsetzung folgt.

einem Anflug von
„Du, Giralda, Gesellschaf-

großen Vermögens, die dereinst noch einen hohen Rang
in der Gesellschaft zu bekleiden haben würde- Unsere gute
alte Marie nennt mich mit eigensinniger Beharrlichkeit
Fräulein oder Euer Gnaden. Du, theure Mama, bemühst
Dich, mir Selbstbewußtsein einzuslößen und eine sichere
Haltung zu geben. So oft ich über diese Dinge nachdachte,
drängten sich mir zwei Schlußfolgerungen auf. Entweder
bin ich eine reiche Erbin oder ich bin dazu erzogen worden,
die Gesellschafterin einer solchen zu werden. Das Erstere
ist unmöglich, ionst würdest Du nicht gezwungen sein, in
Deinem Beruf auszuharren, so bleibt denn nur meine
zweite Annahme als die richtige bestehen/)
„Ich begreife Dich nicht, Giralda. Was ist die Ge-
sellschafterin, die Gefährtin von hochgestellten Erbinnen
als ihresgleichen?"
„O. nein Mama, so meine ich nicht, nicht auf der
Menschheit Höhen ist mein Platz, ich will ihn in der be-
scheidenen Sphäre suchen, in die mich unsere Mittellosigkeit
stellt, und meine Kenntnisse und Fertigkeiten in irgend
einer Art verwerthen. Das theuere Vaterhaus hat mich
mein ganzes Leben hindurch in liebende Obhut genommen.
Es ist Zeit, daß ich die Last, die Eure Schultern bedrückt,
zu erleichtern trachte- Wenn Du für mich arbeiten darfst,
wird es mich nicht verunglimpfen, wenn ich endlich für
Dich arbeite- Kurz und gut, Mama, ich will Gesellschaf-
terin oder dergleichen werden." .
„Du, Giralda Geschafterin!" rief Beatrice, das schöne
vornehme Gesicht ihrer Tochter mit einem Anflug von
Hochmuth, feiner zarten Anmuth in^unwillkürttchem lä-
chelnden Zweifel musternd. .
iLNN!"
„Ja, Mama," wiederholte Giralda, furchtlos und be-
stimmt- „Ich besitze keinen falschen Stolz. Wenn es sich
für Dich ickickt, Geld zu verdienen, so schickt es sich auch
für Deine Tochter."
„Aber Du bist noch ein bloßes Kind, Giralda-"
„In Herz und Gcmüth bin ich älter als Du glaubst,
Mama!"
 
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