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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 81 - Nr. 90 (11. April - 22. April)
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Gleichheit. Nun sag' mal, wie kommst Du dazu, noch
jetzt im Bett zu liegen? Der Volkstag beginnt doch
um 7 Uhr." Bürger: „Ich bin kraickT" Beamter:
„Dann mußt Du um 6 Uhr sufstehen und Dich auf
dem Volksamt untersuchen lassen. Willst Du wohl
gleich anfstehen!" (Zu der Frau): „Und was stehst
Du hier noch 'rum'?" Bürger: Bitte meine Frau
nicht zu duzen." Beamter: „Unsinn! Im Volksstaat
wird nicht gesiezt. Du sollst heute Schnee schippen."
Bürger: „Ich bin ja Kunstdrechsler." Beamter:
„Unsinn! Kunstdrechsler brauchen wir nicht mehr.
Ich habe Dir außerdem von Amtswegen Folgendes
zu verkünden: Deine älteste Tochter verheirathet sich
morgen." Bürgerin: „Mit wem denn?" Beamter
„Mit Bürger 3654 oder mit Bürger U 639. Es
ist noch nicht genau bestimmt." Bürgerin: „Sie
möchte ja gern den Bürger 'VV 347 haben." Beamter:
„Das geht uns nichts an. Sie wird sich schon be-
sinnen, sonst kommt sie nach Fuhlsbüttel. Außerdem
ist Dein jüngstes Kind bereits 5 Jahre alt, was Du
verheimlichst hast. Ich will es gleich mitnehmen.
Weihnachten darf es mal zu Besuch kommen." (Vater
und Kind machen machen sich marschfertig und ver-
lassen mit dem Beamten das Haus.) Beamter (beim
Fortgehen): „Tein Mann scheint wirklich kränklich
zu sein. Na, wenn Du einen Anderen haben willst,
so will ich gern ein gutes Wort für Dich einlegen."
Deutsches Reich.
-z-» Berlin, 9. April. Der Reichstag ist auf
den 6. Mai einberufen. Die frühzeitige Bekannt-
machung dieser Einberufung setzt die Abgeordneten in
den Stand, sich in ihren Privatverhältnisfen ent-
sprechend einzurichten. Zu den Beschwerden unter
dem Reichskanzler Fürsten Bismarck gehörte es stets,
daß solche Berufungen ost sehr rücksichtslos kurz vor
dem Zusammentritt des Reichstags veröffentlicht
wurden. — Dr. Knappe, der ehemalige Konsul von
Samoa wurde vom Disziplinarhofe zur Disposition
gestellt. Er hat bekanntlich in Folge eines Tele-
grammes des Grafen Herbert Bismarck das unglück-
liche Gefecht bei Apia verschuldet. Dr. Knappe ist
in den Dienst einer südafrikanischen Gesellschaft ge-
treten. — Für die neue Postdampferlinie
nach Ostafrika soll Herr Wörmann in Hamburg
in den nächsten Tagen schon den Zuschlag bekommen.
Die Hauptlinie wird allmonatlich einmal mit vier
großen neuen in Deutschland erbauten Postdampfern
befahren werden. Von Hamburg aus wird ein
holländischer Hafen, dann Lissabon, Neapel, Port

Said, Zanzibar, Dar-es-Salaam und Mozambique
angelaufen und die Fahrt in der Delagoa-Bai ihr
Ende finden. Auch ein Hafen des deutsch-afrikanischen
Festlandes soll angelaufen werden. Von Zanzibar
aus werden zwei Zweiglinien für die Küstenschifffahrt
eingerichtet werden, die eine, welche allmonatlich zwei-
mal fahren soll, nach Norden, die andere, einmal
monatlich, nach Süden. — Der Reichskanzler von
Caprivi hat an den italienischen Ministerpräsidenten
Crispi einen längern Brief gerichtet, in welchem er
versichert, wie schwere Pflichten ihm das anvertraute
Amt auch mitbringe, so werde er es stets entsprechend
den Ideen seines Vorgängers verwalten, welche Äus-
fluß des kaiserlichen Willens und des friedfertigen
deutschen Nationalgeistes seien. Er bitte daher, auch
ihm die vertrauensvolle Unterstützung zu gewähren,
damit der Dreibund und sein Erfolg, der Friede, ge-
sichert bleibe. Nach der „Pol. Corr." hat der Reichs-
kanzler auch an den österreichischen Minister Kalnoky
ein Begrüßungsschreiben gerichtet, welches vom Bot-
schafter Reuß überreicht worden ist. — Die „Ger-
mania" bezeichnet die von ihr gebrachte Nachricht
über Einschränkung des Duelnnwesens nun
selbst als unrichtig. Die „A. R.-C." theilt mit, daß
lediglich eine schärfere Anwendung der alten ehren-
gerichtlichen Bestimmungen stattfände; die Unter-
suchung über die Offiziersduelle wird sehr rigoros
geführt und der Offiziere, auf dessen Seite das ent-
schiedene Unrecht liegt, unnachsichtlich ans der Armee
entfernt. Insbesondere waltet große Strenge in den
Fällen, in denen ein Konflikt zwischen einem Offizier
und einem Untergebenen (Einjährig-Freiwilligen rc.)
Anlaß zur Forderung gegeben hat.
* Aus Sachsen wird berichtet, daß verschiedene
Kriegervereine der Chemnitzer Gegend aus dem sächsi-
schen Militärvereinsverbande ausgestoßen worden sind,
weil sie sich weigerten, Mitglieder wegen der politischen
Gesinnung aus ihren Listen zu streichen. Das sächsische
Ministerium des Innern hat jetzt auch beschlossen, daß
jene Vereine nicht nur des königlich sächsischen Pro-
tektorats verlustig seien, sondern auch das in den
Vereinsfahnen geführte königliche sächsische Wappen
zu entfernen, ebenso etwaige vom König verliehene
Fahnengeschenke zurückzugeben haben und weder Ge-
wehre führen, noch „Reveillen" an den Geburtstagen
des Kaisers und des Königs Albert veranstalten
dürfen. Ob diese Maßnahmen die von dem Mini-
sterium erwartete Wirkung erzielen werden, möchten
wir bezweifeln. Vielleicht haben sie zur Folge, daß
die Militär- und Kriegervereine künftig größern Werth


Berautwortl. Redakteur: F. L. Knappe
tu Heidelberg.

Inserate die 1-spaltige Petitzcile oder deren Raum 1g H
Reklame 25 Z. Für hiesige Äcschtifts- und Privat«
* anzcigen, sowie sür Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstraße 7.

^eint tiiglich mit Ausnahme der Souu- u. Feiertage.

Druck u. Verlag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

täglich rmt Ausnahme der tz-vmr- u. Feiertage. , «g , -- ', v Sk» l" S
Organ für Kalicknt, Fmlmi L UM
-

Ws Miln m kiMn MGil.
r flnter diesem Titel erscheint in verschiedenen Blät-
ein Artikel, der vermuthlich dazu dienen soll, einen
L^riff von dem sozialistischen Staat zu geben. Zur
Weiterung unserer Leser lassen wir den Artikel hier
Äeri: Es ist 7 Uhr Morgens. Bürger 6 357 u:
Aha, ist der Kaffee fertig?" Bürgerin 6 357 d:
lAin, ich habe keine Bohnen mehr. Gestern war
Zu schwach, mir das Loth Kaffee vom Volksamt
v. holen. Holz und Kohlen sind auch nicht mehr da.
An Tag giebt es nur einen halben Eimer voll
Aen. Damit soll man auskommen!" Bürger 6
Z u: „Mutter murre nicht!" Bürgerin 6 357 d:
v'ch wollte Dir gern Staatsessen von gestern warm
Aen." Bürger: „Du weißt, Anna, Erbsen mit
Ack kann ich nicht vertragen. Was mag es denn
Ae geben?" Bürgerin: „Linsen mit Pökelfleisch."
Ager: „Jeden Tag Hülsenfrüchte." Bürgerin:
^dulde Dich, Vater! Am zweiten Sonntag im
Asten Monat giebt es Dein Lieblingsgericht: Saure
iAuppe." Bürger: „Ist denn der „Volksstaat"
jA da?„ Bürgerin: „Hier!" Bürger (liest): „Am
Ad. M. sind die Kinder, welche in diesem Jahre
H^ahre alt werden, an die Staatsanstalt zur Erzie-
sAg abzuliesern." — „Diejenigen Mädchen, welche in
Jahre 15 Jahre alt werden, haben sich in die
^chelichungsstammrolle bis zum 17. d. M. eintragen
tz. lassen." — „Der frühere Handelsminister Paul
Ager ist gestern beim Karren ausgeglitten und hat
»A einen Fuß verstaucht." — „Da künftig alle Häuser
^Awäßig gebaut werden, so wird der Beruf der
Affekten vom nächsten Monat ab aufgehoben." —
sAk allgemeine Volksstaatstracht für nächsten Sommer
Aloner Kittel mit Soldatenhose. Es soll mit dem
Mär-Garnituren gründlich geräumt werden." —
jAs frühere (jetzt überflüssige) Gold-Arbeiter sollen
iiAufig als Pferdebahnkutscher, Briefträger rc. ver-
Adet werden." — „Vom 1. November dürfen die
A'Pen nur von halb 6 bis halb 10 Uhr Abends
zAuen." — „367 Maurer und Zimmerleute wurden
E'rn von Hamburg nach Essen transpotirt, um in
fix Bergwerken zu arbeiten. Vielleicht werden ihnen
A. Frauen nachgeschickt." — „Vorgestern wurden
Frauen über 40 Jahre, welche —" (Es klopft.)
fein." Ein Volksstaq^-Kontroleur: „Wohnt hier
Bürger 6 357 u." Bürger: „Mein Name ist
jy^her." Beamter: „Namengiebt es nicht; da könnte
llj Ewer einen hübsch und der andere einen schlecht
^fnden Namen haben. Das geht nicht. Immer


Treuer Kiebe Koh a.
Roman von U. Rosen,
ikichdr. »erb.-
liknAieder durchrieselten sie bange Schauer. „Und was
uns und all dem Entsetzen? Nur ein
den ein Zufall zu jeder Minute zu zerreißen
Ein unvorsichtiges Wort, ein Blick kann die
^kr gE lösen, die urs in jähes Verderben stürzt! Und
M »eht zwischen Papa und dieser fürchterlichen Gefahr ?
' Mr ich.»
wiederholte ihre Worte, als ob sie ihr Kraft und
«usiö verliehen. Ihr Gesicht erglühte von einer heiligen
."stcnheit, und ihre Augen leuchteten im Feuer eines
xö/llchen Willens- „Die Vorsehung schickt mich nach
rst Tremor," dachte sie, „und die Vorsehung ist es,
Ülkw r, die Neigung des alten Herrn zuwendete. Bon
Augenblick an weihe ich mein Leben der Aufgabe,
M fs Vaters Unschuld vor aller Welt darzuthun. Ich
HyAcht eher ruhen, als bis zwischen ibm und dem
Mir die alte Freundschaft wieder hergestellt ist."
ÄrAw verkannte die Schwierigkeiten und Gefahren auf
> bfi», nicht und erinnerte sich mit Schrecken an die
„jA Lord Trcwor's, die vermeintliche Gräfin Arevalo
Theatern zu suchen. Was würde er sagen, wenn
Einübungen sich als nutzlos bewiesen? Würde er
' bestehen, sich nach Birkenhain zu begeben, und
Uh? welches Mittel sollte sie ihn von diesem Vorhaben
> ? Diese und ähnliche Fragen beschäftigten das
^lib«'.b des jungen Mädchens noch lange, nachdem das
fisiy»,Mcht eines Londoner Morgens sich in ihr Zimmer
-kibüi!!" hatte- Die kummervollen, traurigen Gedanken
N gMend, erhob sie sich endlich von ihrem Lager, kleidete
L und begab sich in den Salon des Marquis, der
Mkunft bereits erwartete.
Hchtk?bd Trewor saß vor dem lodernden Kaminfeuer, den
z Men Fuß in Tücher und Decken gehüllt, und auf
Me^nel gestützt. Sein Gesicht trug einen düsteren un-
§ Ausdruck und Stirn und Mund waren vom
sintzer zusammeugezogen. Bei Giralda's Eintritt

erhellte sich sein Blick, und er begrüßte das Mädchen mit
einem väterlichen Lächeln.
„Du bist heute Morgen sehr blaß, mein kleiner
Sonnenstrahl," rief er, als Giralda sich ihm näherte und
sich angelegentlich nach seinem Bcfinden erkundigte. „Die
Zerstreuung des gestrigen Abends that Dir so wenig gut,
wie mir- Ich habe meinen Fuß zu sehr angestrengt und
mutz nun zur Strafe die fürchterlichsten Schmerzen leiden.
Ich wünschte, wir wären erst wieder im Schloß draußen."
„Und ick auch," erklärte Giralda mit unbewußtem
Ernst. „O, Mylord, können wir nicht gleich wieder dort-
hin zurückkehren?"
Der Marquis sah überrascht in ihr vor Erregung er-
glühendes Gesicht.
„Sogleich, mein Kind ? Ich kann mich heute nicht von
der Stelle rühren und bin so hilflos wie ein Klotz. Mein
Fuß ist angeichwollcn," fügte er ächzend hinzu. „Dieser
verdammte Wig scheint alle seine Geschicklichkeit als
Wärter verloren zu haben- Wie schlecht er den Fuß ver-
wahrte! Wie sehr diese Falte drückt! O> O!"
Giralda rückte den Verband zurecht, und der Marquis
athmete erleichtert auf.
„Es ist ein Segen, Jemand um sich zu haben, der
etwas versteht," bemerkte er dankbar. „Wie ärgerlich, daß
ich gerade jetzt, wo ich so viel zu erledigen habe, ein Ge-
fangener sein muß! Ich hatte mir vorgenommen, alle be-
deutenderen Thealrr zu besuchen, und vor allen Dingen
das Geschäft abzuwickeln, das mich nach der Stadt führte.
Wie werden wir nun Deine Mama finden, mein armes
Kind?"
Jähe Röthe und tödtliche Blässe wechselten auf Giralda's
Wangen. Das Erscheinen des Kammerdieners ersparte
ihr eine Antwort.
Der Anblick des schleichenden, schweigsamen Burschen
reizte Lord Trcwor's aufbrausendes Temperament. „Be-
stelle das Frühstück, Schlingel," donnerte er. „Schiebe
mich an den Tisch! Hast Du denn gar kein Mitleid,
Tölpel, mich so zu peinigen? Halt! Halt! Du tödtest
mich!"
Wig ließ den Rollstuhl stehen und der Marquis lehnte

sich stöhnend und jammernd in die Kissen zurück- Giralda
winkte dem Diener, den Fuß des Kranken mit wollenen
Tüchern reiben, während sie dessen Stirn mit Kölnischem
Wasser badete und ihm ein Fläschchen mit flüchtigem Salz
an die Nase hielt-
Der heftige Anfall des Marquis dauerte nur wenige
Minuten und machte einem Gefühl der Erleichterung und
des Behagens Platz- „Da Mohamed nun doch nicht zum
Berge gehen kann," lachte der Kranke in besserer Laune,
„muß sich der Berg bequemen, zu Mohamed zu kommen
Warum sehen Sie mich so verwundert an, Wig? Ich
meine. Sie sollen den Tisch zu mir heranschleben."
Der Diener gehorchte und wurde entlassen.
Ein Kellner brachte das Frühstück und bediente den
alten Herrn.
„Es ist doch viel angenehmer," bemerkte der Marquis,
die Kaffeetasse in Empfang nehmend, die Giralda ihm
reichte, „von einem so lieben, holden Kinde bedient zu
werden, als immer das plumpe theilnahmslose Gesicht
Wig's um sich zu haben- Ich bin voll brennender Unge-
duld, mich mit Deiner Mama zu verständigen, und mir
die Gewißheit zu verschaffen, daß sie Dich mir nicht
wieder entreißen wird."
Ein Zittern durchlief die Gestalt des jungen Mädchens
aber es blickte nicht auf.
„Ich habe über die beste Art nachgedacht, die Ange-
legenheit zu ordnen," fuhr Lord Trewor, ihre Aufregung
nicht bemerkend, fort. „Was meinst Du dazu, wenn wir
Deinem Papa telegraphieren, er möchte kommen ? Er kennt
den Künstlernamen Deiner Mama und würde sie sogleich
ausfinden."
Giralda erhob ihre Augen mit einem bestürzten,
flehenden Blick zu dem Marquis. Ihr schien des Vaters
Geheimniß auf das Höchste bedroht, und sie fühlte sich von
Angst und Entsetzten beinahe überwältigt. Ihr plötzliches
Erblassen und ihr seltsames Wesen beunruhigten den
Marquis.
,Du fürchtest Dich, Deinem Papa zu begnen, Kleine,"
sagte er mitleidig.
Fortsetzung solgt.
 
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